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Verkehr •
Rollende Appartements

Protzige XXL-Luxusliner überrollen Europas Strassen

Auf den Autobahnen typischer Ferienländer wie Spanien oder Frankreich hat die Anzahl besonders grosser und teurer Reisemobile zugenommen. Was für Menschen leisten sich solche Luxusliner? Und wo parkiert man bis zu 12 Meter lange, rollende Appartements?

Die Herbstferien gehen zu Ende. Auf den Autobahnen von Spanien, Südfrankreich oder Italien herrscht Rückreiseverkehr. Im dichten Strom der heimkehrenden Fahrzeuge fällt etwas auf: Immer mehr grosse Luxusliner-Wohnmobile sind unterwegs. Vor einigen Jahren zählten Wohnmobile im XXL-Format noch zu den grossen Hinguckern. Heute fallen diese Kingsize-Liner nicht mehr auf, weil es immer mehr davon gibt. Was für Menschen leisten sich solche Luxusliner? Und wo parkiert man diese bis zu 12 Meter langen, rollenden Appartements?

Bis zu 1 Million Franken

Letzte Woche überholte ich kurz vor Genf einen besonders imposanten Luxusliner mit deutschem Autokennzeichen: einen Concorde Centurion, welcher auf einem LKW-Fahrgestell von Mercedes-Benz basiert. Am Steuer sass ein graumelierter Aktivrentner. Frauen sieht man am Steuer solcher Liner selten – das Pensionierungsprojekt Lastwagenprüfung scheint vorerst Männersache zu bleiben. Am beinahe vier Meter hohen Heck des Wohnmonsters prangte in grossen Buchstaben ein klares Statement: «Das letzte Hemd hat keine Taschen.» Der solvente Besitzer zeigt Humor, denn mit dem Kauf eines solchen Centurions reduziert sich die Erbmasse um mindestens 800'000 Franken.

Lacoste und Hummer

Viele Luxusliner-Besitzer entsprechen einem typischen Profil. Das Alter liegt zwischen 50 und 70 Jahren. Das freizeitliche Outfit erinnert an eine Mitgliedschaft in einem Golfclub. Sehr beliebt sind hellblaue und rosarote Lacoste-Poloshirts sowie weisse Lederschuhe. Die sehr braungebrannte Haut weist auf eine minimale Beschäftigung mit dem Thema Hautkrebs hin. Wenn sich der Luxusliner-Chauffeur nach dem nervenaufreibenden Einparkmanöver abkühlen will, fällt er am Strand mit sehr eng geschnittenen Badehosen auf. Zu den absoluten Lieblingsspeisen der XXL-Reisenden zählt der Hummer. Gerne geben die Besitzer solcher Luxusliner der benachbarten Wohnmobil-Unterschicht ausgiebig Auskunft über Motorleistung, Aussenmasse und Sonderausstattung.

Selten auf den Frontplätzen

Beinahe auf jedem grossen Campingplatz am Mittelmeer oder am Atlantik parkieren Luxusliner. Eigentlich ist es ein Jammer: Solche Liner kosten bis zu einer Million Franken, aber durch ihre schiere Grösse bleiben ihnen die schönsten, aber oft engen Frontplätze mit Blick aufs Meer verwehrt. Die für die XXL-Wohnmobile besonders geeigneten grossen Plätze liegen meistens im weniger repräsentativen Eingangsbereich zwischen Entsorgungscontainern und Sanitäranlagen. Viele Campingplatzbetreiber wollen vermeiden, dass die Besitzer der Monsterwohntrucks mit ihrer oft altersbedingt leicht eingeschränkten Manövrierfähigkeit durch die engen Reihen der übrigen Stellplätze rangieren.

Überdurchschnittlich selbstbewusst

Manche dieser Kingsize-Fahrzeuge haben im Heck eine Garage, aus welcher über eine Rampe ein Fiat 500 oder ein Mini Cooper herausrollt. Das Entladen des mitgeführten Zweitwagens aus der Heckgarage gehört zu den aufsehenerregenden Events des ansonsten eher ruhigen Campinglebens und wird immer von einer Gruppe benachbarter Camper bestaunt. Besonders spektakulär ist die seitwärts ausfahrende Garage des Volkner Performance. Diese niedrige Mittelgarage zwingt die Besitzer zum Mitführen besonders flacher Sportwagen aus italienischer oder deutscher Produktion. Schlussendlich wird jede Reise im aufsehenerregenden Luxusliner zur Inszenierung des erreichten Status. Die meisten Liner-Besitzer verfügen über ein überdurchschnittliches Selbstbewusstsein.


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

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