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Politik & Wirtschaft •
Boom ohne Ende?

Bereits 4 Millionen Campermobile

Der grosse Ansturm der Leute auf Wohnmobile und Campervans scheint nachzulassen. Trotzdem sind in Europa mittlerweile rund 4 Millionen Camper unterwegs auf vier Rädern. Der Platz auf den Camping- und Stellplätzen wird immer enger.

Zu den grossen Gewinnern während der Corona-Pandemie gehörten die Hersteller von Wohnmobilen und Campervans. Lange galt Campen als spiessig. Aber dann breitete sich auch in Europa der Wuhan-Virus aus. Reisen in Flugzeugen, Bussen oder Zügen wurden zum Risiko. Flughäfen wurden geschlossen. Plötzlich wurde das unabhängige Reisen im Wohnmobil zur grossen Alternative. Gefühlt jeder Zweite bestellte sich einen Camper und nahm dabei sogar zweijährige Lieferzeiten in Kauf. Auf dem Occasionsmarkt wurden selbst für angerostete, verlotterte Wohnmobile bis zu 30'000 Franken bezahlt. Auch die Übernachtungspreise auf den Campingplätzen schossen in die Höhe. Der Camper-Boom erreichte seinen Höhepunkt.

Stau auf den Lofoten

Während Corona explodierte auch die Vanlife-Influenzerszene. Plötzlich kündigten zehntausende Vanlifer ihre Jobs und Wohnungen und reisten im Fiat Ducato als Digital-Normaden durch Europa. Viele dieser Vanlifer sind heute als Billigheimer unterwegs und übernachten kostenlos auf Supermarkt-Parkplätzen oder an Stränden. An manchen Hotspots wie beispielsweise auf den Lofoten stauen sich die Campervans fast wie am Gotthardportal. Die norwegische Polizei muss auf den Parkplätzen der Lofoten jeden Abend unzählige Wildcamper vertreiben. YouTube, Instagram und TikTok werden aktuell überflutet mit Vanlife-Videos. Drohnenaufnahmen zeigen die Ducatos von oben mit Blick auf das Meer. Die Influencer geben Tipps, wo man gratis Wasser tanken kann oder berichten, wie sie abends Spaghetti kochen. Viele Videoblogs wirken ähnlich spannend wie Strick-Tutorials auf Pinterest.

Reservation empfohlen

Seit einem Vierteljahrhundert bin auch ich im Campervan unterwegs. Ein wenig trauere ich den alten Zeiten nach. In den letzten 25 Jahren hat sich das Reisen im Campervan grundlegend verändert. Ein spektakulär an der asturischen Atlantikküste gelegener Campingplatz wirkte um die Jahrtausendwende im Oktober jeweils verlassen. Nur zwei, drei weitere Reisende stellten ihre Fahrzeuge auf einen der vielen, freien Terrassenplätze. Das kleine, spektakulär über den Felsen gelegene Restaurant war geschlossen. Der Sandstrand in der Abendsonne war menschenleer. Als wir drei Jahre nach Corona auf unserer Durchreise nach Galizien am selben asturischen Campingplatz übernachten wollten, stauten sich ein Dutzend Campervans am Eingang. Freie Plätze hatte es keinen mehr. Spontane Übernachtungen ohne Reservationen werden seltener.

4 Millionen Camperfahrzeuge

Das Kaufinteresse an neuen Wohnmobilen und Camapervans scheint mittlerweile abgeflacht zu sein. Auch haben viele Corona-Spontankäufer ihre Fahrzeuge wieder abgestossen, nachdem sie die Unterhaltskosten zu optimistisch eingeschätzt hatten. Aber viele Hersteller wie Hymer oder Carado benötigen nach wie rund 10 Monate bis zur Auslieferung. Die Vanlife-Gemeinde wächst weiterhin. Zwar entstehen in Städten und an beliebten Reiserouten laufend neue Stellplätze. Aber trotzdem wird für die rund 4 Millionen Camperfahrzeuge, welche in Europa aktuell eingelöst sind, der Platz immer enger. Von der Romantik vergangener Campingtage scheint nicht mehr viel übriggeblieben zu sein.


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

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