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Anzeigenhauptmeister für alle

Pro Velo liebäugelt mit Verpetzer-App für Falschparkierer

In Deutschland können Private Falschparkierende mit einer App bei der Polizei anzeigen. Pro Velo Schweiz würde eine solche Lösung auch hierzulande begrüssen. Die SVP zeigt sich empört und spricht von einer Hetze gegen Autofahrende.

In München sorgt die Verpetzer-App Weg.li für rote Köpfe. Privatpersonen können damit Falschparkende spielerisch bei der Polizei anschwärzen. Die Anzeigen in der bayerischen Landeshauptstadt schiessen aktuell durch die Decke. Anwohnende, die ihr Auto am Strassenrand parkieren, sind verärgert und verunsichert, wie ein Bericht des TV-Formats «Taff» auf dem deutschen Sender Pro7 zeigt (siehe Box).

Interesse aus der Schweiz

Aktuell gibt es die App nur in Deutschland. Doch auch hierzulande wurde bereits Interesse bekundet: «Ja, ich erhielt bereits Anfragen von Privatpersonen aus der Schweiz», sagt Weg.li-Gründer Peter Schröder zu STREETLIFE. Allerdings seien ihnen die gesetzlichen Regelungen der Schweiz nicht vollumfänglich bekannt, weshalb sie bis dato von der Unterstützung anderer Länder abgesehen hätten.

Zuspruch von Pro Velo

Die Idee der App findet in der Schweiz Anklang. «Das ist aus unserer Sicht sehr interessant», sagt Claudia Bucher von Pro Velo Schweiz. «Die App ermöglicht es betroffenen Personen, auf einfache Weise Falschparkierende zu melden – insbesondere dort, wo sie den Fuss- und Veloverkehr behindern.» Solche partizipativen Ansätze könnten durchaus helfen, das Bewusstsein für korrektes Parkverhalten zu stärken und gleichzeitig die Behörden in ihrer Arbeit zu unterstützen. «Gerade für Velofahrende stellen Falschparkende auf Velowegen oder an gefährlichen Stellen ein Ärgernis oder sogar ein Sicherheitsrisiko dar», so Bucher.

«Selbstjustiz ist der falsche Ansatz»

«Absoluter Schwachsinn!», findet hingegen Stephan Iten. Der SVP-Gemeinderat der Stadt Zürich hält gar nichts von der App: «Eine solche Selbstjustiz ist definitiv der falsche Ansatz. Es soll ein miteinander, und nicht ein gegeneinander sein. Warum will man die Leute noch gegeneinander aufhetzen?»

Iten kann die Unterstützung durch Pro Velo nicht nachvollziehen: «Wo soll das denn hinführen? Dann müssten wir ja auch all die Velofahrer anzeigen, die auf dem Trottoir oder bei Rot über die Strasse fahren. Aber das ist die Aufgabe der Polizei, nicht die der Bevölkerung.»

«Polizei soll von sich aus konsequenter Regeln durchsetzen»

Auch AL-Gemeinderat Michael Schmid steht der App skeptisch gegenüber und sieht die Aufgabe grundsätzlich bei den Gesetzeshütern: «Viel mehr als die App wünsche ich mir, dass die Polizei von sich aus konsequenter die Regeln durchsetzt. Hier in Zürich kommt es am Abend oft zu brenzligen Situationen für Velofahrer:innen oder Fussgänger:innen, weil Kreuzungen oder sogar Trottoirs zugeparkt werden.»

Polizei findet App unnötig

Die Stadtpolizei Zürich sieht derzeit keinen Bedarf für eine solche App. Mediensprecher Marc Surber: «Aus unserer Sicht ist das nicht nötig, denn die bisherige, klar definierte Praxis im Umgang mit Parkbussen bewährt sich.» Seitens Stadt Zürich sei derzeit auch keine App geplant. «Wir haben auch keine Kenntnis darüber, dass von anderer Seite eine solche geplant wäre. Falls sich dies ändern sollte, müsste geprüft werden, wie wir mit dieser neuen Ausgangslage umgehen», so Surber.  

«Ständiger Kampf gegen Auto ist nicht mehr normal»

Für Stephan Iten wäre in diesem Fall klar: «Eine solche App würden wir mit allen Mitteln verhindern. Dieser ständige Kampf gegen das Auto – das ist doch nicht mehr normal.»

So funktioniert die Verpetzer-App

Privatpersonen fotografieren falschparkende Fahrzeuge und laden das Bild bei Weg.li hoch. Danach wird das Foto analysiert und mit den erkannten Standort- und Fahrzeugdaten vorausgefüllt. Danach überprüfen die User die Daten, beschreiben den Verstoss und melden ihn über Weg.li per E-Mail dem Ordnungsamt. Dieses wird bei einem Verstoss eine Busse ausstellen. Besonders grotesk ist spielerische Ansatz der App: So setzt sie jeweils ein Wochen-, Monats- und Jahresziele bei den Anzeigen und führt einen Highscore. Dieser animiert die Verpetzer dazu, noch mehr Falschparker anzuzeigen.

Gerade für Anwohnende in Münchner-Quartieren mit herrschender Parkplatznot sind die selbsternannten Anzeigehauptmeister besonders mühsam. Zwar ist das Gehweg-Parkieren verboten, doch: «Seit 40 Jahren wird es von der Polizei geduldet, weil sie die Situation mit der Parkplatzknappheit kennen», sagt Ellie gegenüber Taff. Die betroffene Anwohnerin hat wegen Weg.li-Aktivisten bereits fünf Bussen in der Höhe zwischen 46 und 51 Franken am Hals. Im Beitrag wird zudem klar: Die Münchner Polizei hält wenig von der Hetze, doch sind ihr die Hände gebunden. Sie wird weiterhin mit mehreren tausend Anzeigen geflutet, die sie entsprechend bearbeiten muss.

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