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Müssen wir mit dem Auto auf den Mond?
Mit der E-Mobilität erobern futuristische Autodesigns die Schweiz. Statt Kühlergrill, Stahlfelgen und Schaltknüppel dominieren LED-Balken, Touchscreens und aerodynamische Radkappen das Strassenbild. Doch nicht allen gefällt die nächste Design-Generation. Ein Pro und Contra aus der STREETLIFE-Redaktion.
Das Szenario ist nicht von dieser Welt: Der neue Cyber X des chinesische Autohersteller MG kurvt über die Mondoberfläche. Ein Astronaut beobachtet das Auto begeistert, in der Ferne ist die aufgehende Erde zu sehen. Die Werbekampagne lancierte MG für die Präsentation des SUV-Concept-Cars an der Auto Shanghai Ende April. Die Botschaft ist klar: Das ist die neue Auto-Generation und damit die Zukunft.
Progressiv ist nicht nur das Werbesujet, auch das Autodesign des MG Cyber X ist futuristisch. An Bug und Heck dominieren durchgehende LED-Balken, die Radkappen sind geschlossene Bauteile, und die Karosserie erinnert an Mond- oder Mars-Rover.
Eine Designsprache, die nicht allen Autokäuferinnen und Autokäufern gefällt. Auch auf der STREETLIFE-Redaktion gibt es dazu unterschiedliche Meinungen.
Contra: «Ich mag es nicht, einem Trend hinterherzujagen»
Okay, zugegeben. Mit knapp 50 Jahren zähle ich definitiv nicht mehr zur nächsten Generation. Und manchmal ertappe ich mich bei der Frage: War früher nicht doch alles besser und schöner? Geht es um neue Autodesigns ist das aber völliger Quatsch. Die Form der Karosserie ist für mich keine Frage des Jahrgangs, vielmehr eine des Stils.
Und hier sind für mich viele neue Elektroautos in ihrer Designsprache nicht stimmig. Klar, jetzt könnte man sagen, du bist einfach zu alt, um diese Sprache zu verstehen. Pustekuchen. Ich mag Science-Fiction, und ich mag es schnell, schrill und agil. Aber ich mag es nicht, wenn auf Teufel komm raus einem Trend hinterhergejagt wird.
Die reduzierte Designsprache von E-Autos geht auf Tesla zurück. Kein Wunder: Jahrelang dominierte Elon Musks Unternehmen den E-Automarkt. So war zum Beispiel das Model S das erste Serienfahrzeug mit automatisch ausfahrenden Türgriffen. Vom erfolgreichsten Player im Geschäft die Ideen klauen, das ist irgendwie verständlich. Aber müssen wir jetzt alle am Steuer eines E-Autos gefühlt auf den Mond fliegen? Warum kann die neue Antriebsform nicht auch klassischer verpackt daherkommen? Eine elektrifizierte Neuauflage eines Shelby Mustangs GT von 1965, eines BMW Z3 oder eines Opel Kadett – ich würds kaufen. Und schliesslich ist es auch bei Frisuren und der Mode so, irgendwann vergeht ein Trend und vergangene kommen zurück. Warum soll das ausgerechnet bei Autos nicht der Fall sein?
Apropos Retro: Mit dem Grande Panda haben die Autobauer aus Italien 2024 einen Versuch gewagt. Für mich – aus Sicht der Designsprache – aber nur wenig erfolgreich. Retro heisst, dass man das ursprüngliche Modell irgendwie wiedererkennt. Und hier ist Fiats Grande Panda eine Mogelpackung.
Irgendwann vergeht ein Trend und vergangene kommen zurück.
Pro: «Im Auto vom Zeitgeist treiben lassen»
Bis tief in die Nacht habe ich mir online die neusten Automodelle der «Auto Shanghai 2025» reingezogen. Extrem positiv ins Auge gestochen ist mir dabei die SUV-Studie des elektrischen Cyber X von MG. Was für ein gelungener Wurf! So konsequent hat bisher kein Hersteller das Thema Box-Design umgesetzt.
Die senkrechte, kühlerfreie Front ragt wie die Eigernordwand in die Höhe. Ein waagrechtes Leuchtband markiert den Beginn der monumentalen Frunk-Haube. Aus zwei panzerähnlichen, versenkbaren Nischen blinzeln vier schmale LED-Scheinwerfer aus dem Stahl. Hinten zieht sich elektrotypisch ein gestyltes Leuchtband quer durchs Heck. Die ultrakurzen Überhänge, die steilen Seitenflanken und die wuchtige C-Säule veredeln den Cyber X zur robusten Skulptur – für mich next level.
Grundsätzlich erlauben Plattformen von Elektroautos den Autodesignern sehr viel gestalterische Freiheit. Während MG auf ultramodernes Boxdesign setzt, interpretiert ein VW-ID.Buzz oder ein Fiat 500e sehr gelungen das Retordesign der 50er-Jahre. In einem Punkt muss ich aber unserer Chefredaktorin Silvana Guanziroli recht geben. Viele Hersteller von Elektroautos haben sich von Pionier Tesla inspirieren lassen. Vermutlich werden die pummelig wirkenden Teslas von Elon Musk persönlich entworfen. Wer Teslas kopiert, gewinnt kaum einen Designpreis. Aber sehr viele Elektroautos mit kühlerfreier Front, schmalen Leuchtelementen und aerodynamischen Rädern finde ich sehr gelungen. Beispielsweise ein VW ID.4, ein Zeekr 001 oder ein Polestar 4.
Mein erstes Auto war ein Fiat Panda, welcher von den Fiat-Werbern als «die tolle Kiste» bezeichnet wurde. Jetzt, mit dem neuen Fiat Grande Panda kehrt das kantige Design wieder zurück. Der antriebsoffene Grande Panda wirkt witzig, mutig und robust – genau wie sein kultiger Urahn. Der Stellantis-Klon schafft es auf Anhieb in meine persönliche Top-10-Liste.
Elektroautos erlauben den Autodesignern sehr viel gestalterische Freiheit.
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