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«Parteigutachten? Diese Kritik nehme ich gelassen»
Peter Hettich hat im Auftrag der Autobranche ein Gutachten erstellt, das die vom Bund geplanten rückwirkenden Strafzahlungen und ihre Auswirkungen untersucht. Im Gespräch mit STREETLIFE sagt der Rechtsprofessor, warum rückwirkend festgesetzte Bussen juristisch unhaltbar sind, welche Spielräume bestehen – und weshalb er Kritik an seinem «Gutachten für die Autolobby» gelassen zurückweist.
Herr Professor Hettich, Ihr Gutachten bezeichnet die rückwirkenden Strafzahlungen des Bundesamts für Energie als rechtswidrig. Was sind die zentralen juristischen Gründe, warum diese Massnahme nicht haltbar ist?
Das Problem liegt in der Rückwirkung, die im Recht sehr restriktiv gehandhabt wird. Rückwirkung verstösst gegen grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie Treue und Glauben und die Verlässlichkeit staatlichen Handelns. Wenn eine Handlung zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtlich zu bestimmten Voraussetzungen möglich ist, können diese Voraussetzungen später nicht durch eine rückwirkende Gesetzesänderung verschärft werden. Besonders bei Steuern oder Abgaben, wie hier bei den CO2-Strafzahlungen, gelten strenge Massstäbe, ähnlich wie im Strafrecht. Der Bundesrat hat zudem die CO2-Verordung im November für das Jahr 2025 angepasst. Aus unserer Sicht gibt es deshalb auch keinen legtimen Grund mehr für anderweitig rückwirkend festgesetzte Strafzahlungen.
Das BFE argumentiert, es setze nur den Volkswillen um. Wie bewerten Sie dieses Argument?
Das neue CO2-Gesetz, das ab 2025 gelten soll, sieht aber kein rückwirkend in Kraft gesetztes Verordnungsrecht vor. Es gibt viel Spielraum, aber es ermächtigt den Bundesrat nicht, rückwirkend Strafmassnahmen zu verschärfen. Das Argument «Volkswille» ist in diesem Fall also nicht überzeugend. Zudem zeigen die parlamentarischen Debatten, dass der Gesetzgeber Flexibilität wollte – vor allem keine Verschärfung über die EU-Vorgaben hinaus.
Sie haben diesen sogenannten «Swiss Finish» kritisiert, der über die EU-Vorgaben hinausgeht. Warum sehen Sie diesen Ansatz als problematisch?
Der «Swiss Finish» steht in einem Spannungsfeld zu vielen Äusserungen im Parlament, das betonte, sich am EU-Recht zu orientieren, aber nicht strenger sein zu wollen. Solche nationalen Sonderregeln des Bundesrates können rechtlich fragwürdig sein, da sie den Willen des Gesetzgebers unterlaufen.
Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, dass sich die Schweiz bei der E-Mobilität an Ländern in Skandinavien orientiert, obwohl bei uns ganz andere Rahmenbedingungen herrschen?
Für mich als Jurist ist das schwierig zu beurteilen. Aber ich finde, man sollte mit offenen Augen durch die Welt gehen. Von anderen Ländern kann man immer lernen. Aber natürlich muss man die realen Bedingungen beachten und das adaptieren, was für das eigene Land Sinn macht.
Welche Spielräume sehen Sie bei der Umsetzung der CO₂-Regeln, um sowohl Klimaziele als auch wirtschaftliche Interessen zu berücksichtigen?
Auch dieses Gesetz ist nicht in allen Punkten abschliessend formuliert, weshalb der Bundesrat bei der Umsetzung eine gewisse Flexibilität hat, wie fast immer bei Gesetzen. Dabei sollte man sich an den Aussagen aus den parlamentarischen Beratungen orientieren und deshalb eine Lösung finden, die praktikabel ist und nicht über das politisch definierte Ziel hinausschiesst. Es geht daher darum, die Balance zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu wahren.
Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Auswirkungen ein, wenn die geplanten Sanktionen in Kraft treten? Könnte es tatsächlich zu einem flächendeckenden «Garagensterben» kommen?
Das ist nicht mein Fachgebiet, aber die Bedenken der Branche sind von generellen Überlegungen getragen. Ein stabiler verlässlicher Rechtsrahmen ist eine wichtige Voraussetzung für die Planung von Investitionen, für die Beschäftigung von Mitarbeitenden und für die Erzielung nachhaltiger Erträge.
Die rückwirkenden Strafzahlungen sollen rechtsstaatliche Prinzipien verletzen. Könnte das ein Präzedenzfall für weitere problematische Massnahmen werden, falls sie durchgesetzt werden?
Solche Rückwirkungen können angefochten werden, und es gibt gute Chancen, dass Gerichte sie kippen. Ich habe das Gefühl, dass man sich in Bern des rechtlichen Risikos durchaus bewusst ist, wenn man das durchzieht. Alles in allem würde der Rechtstaat dabei kein gutes Bild abgeben.
Kritiker werfen Ihnen vor, Ihr Gutachten sei ein Parteigutachten für die Autolobby. Wie begegnen Sie solchen Vorwürfen?
Ich hoffe, dass das Gutachten bald öffentlich einsehbar ist und man nicht auf den Mann spielt, sondern die Argumentation in den Mittelpunkt rückt. Wir haben uns viel Zeit genommen und das Thema differenziert untersucht. In einigen Punkten haben wir klar dargelegt, wo es keine Spielräume gibt. Der Vorwurf «Parteigutachten» kommt oft, wenn keine sachlichen Argumente da sind. Ich sehe dieser Kritik gelassen entgegen.
Wie soll es nun weitergehen? Der Ball liegt nun offenbar bei Bundesrat Albert Rösti.
Genau. Unsere Aufgabe war es nicht, zu sagen, was richtig oder falsch ist und wie es weitergehen muss. Sondern aufzuzeigen, wo Spielraum für sinnvolle und lösungsorientierte Ansätze vorhanden ist. Die Politik muss nun eine Lösung finden, die sowohl die Umweltziele als auch die Interessen der Wirtschaft berücksichtigt.
Was genau im Gutachten steht, kannst du hier nachlesen.

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