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Fakten •
Experte erklärt, wann du hinters Steuer darfst

Nach einem Joint musst du sechs Stunden warten

In immer mehr Ländern ist der Cannabis-Konsum heute legal. Seit dem 1. April auch in Deutschland. Aber heisst das auch, ich darf mich bekifft hinters Steuer setzen? Und was gilt jetzt in der Schweiz?

Das legale Kiffen wird auch in der Schweiz heiss diskutiert. Ein erster Schritt in diese Richtung fand bereits am 15. Mai 2021 mit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes statt. Seither sind Pilotprojekte für die kontrollierte Abgabe von Cannabis möglich. Dadurch kommen wichtige Fragen auf, wie etwa welche Auswirkungen eine solche Legalisierung auf den Strassenverkehr hat. Darf ich mich jetzt bekifft hinters Steuer setzen oder gilt weiterhin die Null-Toleranz? STREETLIFE klärt dich mithilfe eines Experten auf.

Null-Toleranz-Grenze

In der Schweiz herrscht hinsichtlich Cannabis eigentlich eine Null-Toleranz am Steuer. Doch was bedeutet das konkret? Heisst Null wirklich Null? Nicht ganz: «Bis zu 1,5 Mikrogramm THC pro Liter Blut sind am Steuer erlaubt. Alles darüber gilt als fahrunfähig und wird geahndet», erklärt Wolfgang Weinmann, forensischer Toxikologe und Abteilungsleiter am Institut für Rechtsmedizin in Bern. 

Im Vergleich: Je nach Cannabiskonzentration und Grösse beinhaltet ein Joint zwischen 100 und 500 Mikrogramm THC. Diese Menge THC baut der Körper in einer Zeitspanne von durchschnittlich drei bis sechs Stunden ab. Bis dahin gilt die lenkende Person als bekifft und darf kein Fahrzeug fahren. 

Doch wie überall bestätigen Ausnahmen die Regel. Wer regelmässig Cannabis konsumiert, hat bereits eine gewisse Grundmenge THC im Blut. Somit ist der erlaubte Gehalt, welcher in die Null-Toleranz-Grenze fällt, bereits überschritten und die Person gilt als dauerbekifft.

Polizei setzt auf Erkennungsmerkmale

Wie aber stellt die Polizei überhaupt fest, ob jemand bekifft am Steuer sitzt? Tatsächlich werden heute kaum mehr Drogenschnelltests vor Ort verwendet. Die Polizei sensibilisiert die Verkehrspolizisten auf Erkennungsmerkmale:

Basel-Stadt: 

So setzt die Kantonspolizei Basel-Stadt auf das sogenannte FACE-Modell um Symptome zu erkennen. Mediensprecher der Kapo Basel-Stadt, Stefan Schmitt erörtert: «Grundsätzlich kann jedes von der Norm abweichende Verhalten auf eine Beeinträchtigung hinweisen. Erkennbar ist dies zum Beispiel an einer auffälligen Fahrweise, einer verzögerten Reaktion beim Ansprechen, Pupillen, die nicht oder nur träge auf Licht reagieren oder Gleichgewichtsstörungen. Das Erkennen solcher Auffälligkeiten wird im Rahmen der Ausbildung geschult.»

St. Gallen: 

Auch die Kantonspolizei St. Gallen setzt auf die Symptomerkennung durch die sogenannte Verify-Methode, wie Polizeisprecher Florian Schneider auf Anfrage mitteilt. «Unsere Polizistinnen und Polizisten sind darin geschult, anhand von diversen körperlichen Merkmalen und Verhaltens-Beobachtungen zu beurteilen, ob eine Person fähig ist, ein Fahrzeug zu lenken oder nicht.»

Auch hier gilt: wird eine Person als fahrunfähig eingestuft, wird eine Blut- und Urinprobe angeordnet sowie eine Beurteilung durch eine ärztliche Fachperson. «Diese Methode ist wesentlich genauer als Drogenschnelltests und erreicht eine Trefferquote von weit über 90 Prozent», schwärmt Schneider.

Aargau: 

Im Kanton Aargau ist man verhältnismässig klassisch unterwegs, was die Polizeikontrollen von Automobilisten angeht. «Wo ein Anfangsverdacht besteht, wird nach entsprechender Erklärung ein Vortest gemacht. Sollte dieser positiv sein, wird ein sogenannter Drugwipe-Test (Speicheltest) durchgeführt. Ist dieser Test wiederum auch positiv, wird eine Blut- und Urinprobe angeordnet», erklärt Vanessa Rumpold, Kommunikationsbeauftragte der Kantonspolizei Aargau.

Wer kifft, fährt besser Auto?

Doch was ist mit dem Mythos, dass gewisse Menschen bekifft besser Auto fahren als im nüchternen Zustand? Auch hier ist der Grenzwert ausschlaggebend, denn wer bekifft wirkt, ist es nicht automatisch. «Die Wirkung von Cannabis ist unwichtig, solange der Grenzwert von 1,5 Mikrogramm THC pro Liter Blut nicht überschritten wird», relativiert Wolfgang Weinmann eine solche Situation und ergänzt: «Auch hier ist die Regelmässigkeit des Konsums und die Stärke der Joints massgebend.»

Aktuell besagt die Verkehrsregelverordnung: Wer wegen Übermüdung, Einwirkung von Alkohol, Arznei- oder Betäubungsmitteln oder aus einem anderen Grund nicht fahrfähig ist, darf kein Fahrzeug führen. Fahrunfähigkeit gilt als erwiesen, wenn im Blut des Fahrzeuglenkers THC, Morphin, Heroin, Kokain, Amphetamin, Methamphetamin, MDEA oder MDMA über dem geltenden Grenzwert (Art. 34 Verordnung des ASTRA zur Strassenverkehrskontrollverordnung) nachgewiesen wird.

In der Schweiz darf eine erwachsene Person laut Gesetz maximal zehn Gramm Cannabis für den Eigenkonsum besitzen und konsumieren. Zudem darf dieselbe Menge an Dritte weitergegeben werden, um es gemeinsam zu rauchen. Der Verkauf bleibt allerdings weiterhin illegal.

Am 15. Mai 2021 ist eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes in Kraft getreten und ermöglicht Pilotversuche mit kontrollierter Abgabe von Cannabis zu «Genusszwecken». Damit soll eine wissenschaftliche Grundlage für die künftige gesetzliche Regelung geliefert werden. Die Änderung ist allerdings auf zehn Jahre beschränkt. Das Bundesamt für Gesundheit BAG hat seither sieben Pilotversuche und Studien in den Kantonen Zürich, Baselland, Basel-Stadt, Lausanne und Genf genehmigt. Weiter finden Forschungsverkäufe von Cannabis in Apotheken in Bern, Biel und Luzern statt.

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