Werbung
Mit Papis Auto zum Raubüberfall
Das Auto der Eltern mit dem Lernfahrausweis auszuleihen, ist nicht immer ein Lausbubenstreich. Wenn man mit dem Auto einen Raubüberfall begeht, wird daraus ein schweres Verbrechen. Ein 25-jähriger Italiener und sein Komplize mussten sich gestern dafür vor dem Bezirksgericht Arbon TG verantworten.
Im März 2023 hat ein maskierter Mann eine Tankstelle in Arbon überfallen. Er bedrohte die Angestellten mit einer Pistole, forderte Bargeld und flüchtete danach mit knapp 1400 Franken zu Fuss. Die Kantonspolizei Thurgau leitet zwar sofort eine Fahndung ein, konnte den Räuber aber vorerst nicht finden.
Auf den Täter wartete unweit der Tankstelle ein Auto mit Bündner Kennzeichen als Fluchtfahrzeug. Aber das fand die Polizei erst später heraus. Denn aufgeflogen sind die Täter, ein heute 39-jähriger Nordmazedonier und ein heute 25-jähriger Italiener, unter anderem wegen Vergehen gegen das Strassenverkehrsgesetz. Die beiden waren ohne Führerausweis gefahren. Dem Nordmazedonier war die Lizenz auf unbestimmte Zeit entzogen worden, und der Italiener hatte nur einen Lernfahrausweis. Damit durfte er nicht allein fahren, was er aber tat. Auch mit seinem 39-jährigen Komplizen durfte er nicht fahren, da bei Lernfahrten nur Personen mit einem gültigen Führerschein als Begleitperson fungieren dürfen.
Ohne Ausweis und Zulassung
Trotzdem waren die beiden mehrmals zusammen in verschiedenen Autos unterwegs. Gemäss der Anklageschrift, die STREETLIFE vorliegt, fuhren sie mindestens dreimal illegal umher. Dabei waren sie doppelt illegal unterwegs. Denn sie hatten nicht nur keine Fahrbewilligung, auch das Auto des 25-jährigen Beschuldigten war nicht zugelassen. Die Nummernschilder für den Daewoo Kalos stahl er deshalb von anderen Autos. Zweimal nutzen sie für ihre nächtlichen Fahrten auch das Auto des Vaters des 25-Jährigen.
Bei einer dieser nächtlichen Ausfahrten mit gestohlenen Nummernschildern und ohne gültige Führerausweise gerieten sie in eine Polizeikontrolle. Ein anderes Mal wurden sie innerorts geblitzt. Mit dem Auto des Vaters des 25-jährigen Italieners begingen sie den Raubüberfall auf die Tankstelle in Arbon. Die Waffe stellte sich laut Anklageschrift als Imitat einer Beretta heraus – aber auch das ist ein Verstoss gegen das Waffengesetz.
Gefängnis und Landesverweis gefordert
Gestern mussten sich die beiden wegen dieser Verstösse vor dem Bezirksgericht Arbon TG verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert für den 25-jährigen Italiener eine Gefängnisstrafe von 22 Monaten sowie eine Busse von 360 Franken. Der 39-jährige Nordmazedonier soll 15 Monate ins Gefängnis und eine Busse von 400 Franken bezahlen. Schliesslich sollen beide für sieben Jahre des Landes verwiesen werden.
Die Sicht der Beschuldigten
Die Beschuldigten streiten die Fahrten ohne Führerschein und Zulassung nicht ab. Allerdings gab der Nordmazedonier an, nicht gewusst zu haben, dass der Italiener nur einen Lernfahrausweis habe. Weiter stritten beide ab, dass der Nordmazedonier am Raub beteiligt war und im Auto gewartet habe. Der Italiener habe seinen älteren Freund vorher im Fitnessstudio abgesetzt. Eine Zeugin hatte das wartende Auto allerdings gesehen – mit mehr als einem Insassen. Weiter stimmen die Bewegungen des Handys des Nordmazedoniers mit jenen des Fluchtwagens vor und nach dem Überfall überein.
Der 39-Jährige konnte sich im gestrigen Prozess nicht mehr zu den Vorwürfen äussern. Er war nicht anwesend, weil gegen ihn eine Einreisesperre in die Schweiz verhängt wurde. Sein Verteidiger forderte einen Freispruch wegen des Raubes und eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen an 30 Franken für das Fahren ohne Führerausweis.
Die Verteidigerin des Italieners forderte eine bedingte Gefängnisstrafe, damit ihr Mandant im Gefängnis nicht wieder an die falschen Menschen gerate. Vor allem aber versuchte sie, den Landesverweis abzuweisen. Der 25-Jährige könnte kein Italienisch, weshalb er in Italien nicht zurechtkommen würde, zudem habe er dort, wie auch in Deutschland, wo er geboren wurde, keine Verwandten. Dafür hätten seine Eltern in der Schweiz ihn untere ihre Fittiche genommen, damit er wieder auf den richtigen Weg zurückfindet.
Das Urteil
Das bezweifelten die drei Mitglieder des Bezirksgericht Arbon TG. Sie folgten in ihrem Urteilsspruch den Anträgen der Staatsanwaltschaft. «Vorstrafen und Untersuchungshaft zeigten bei beiden Beschuldigten bisher keine Wirkung», begründete der Vorsitzende das Urteil. «Deshalb gibt es keine Argumente für eine bedingte Gefängnisstrafe.» Dazu sei der 25-Jährige schon wieder am Steuer eines Autos erwischt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass er das Unrecht seines Handelns nicht eingesehen habe. Deshalb hielt das Gericht auch an der Landesverweisung fest. «Der Beschuldigte hat zwar die prägenden Jahre seines Lebens in der Schweiz verbracht, aber leider nur wenig daraus gemacht. Er hat keine Arbeit, kaum Freunde und ist nicht integriert.» Der Vorsitzende schloss die Verhandlung mit der Hoffnung, dass die Gefängnisstrafe Eindruck auf die Beschuldigten machen wird und sie dadurch auf den Weg der Rechtschaffenheit zurückkehren können.
Werbung