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Deutscher flüchtete mit 2 Promille vor Zoll- und Polizeipatrouillen
Nach einer Kneipentour in Deutschland fährt ein 39-jähriger Mann zurück in die Schweiz. Gleich nach der Grenze will ihn eine Patrouille des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit BAGZ kontrollieren. Es ist der Anfang einer wilden Verfolgungsjagd – die jetzt vor Gericht endet.
Da hat der gelernte Maler wohl etwas zu tief ins Glas geschaut. Für die Blaufahrt muss sich der 39-jährige Deutsche mit Wohnsitz im Tösstal am Mittwoch vor dem Bezirksgericht in Winterthur verantworten. Vergangenen Mai hatte er sich im Rausch mit gleich drei Patrouillenfahrzeugen eine wilde Verfolgungsjagd geliefert. Gestoppt werden konnte er nur, weil ihn ein Polizeifahrzeug rammte.
Es ist ein spektakuläres Ende einer turbulenten Nacht, die Stunden zuvor ziemlich feucht-fröhlich begann. Gemäss der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland trank der Mann im grenznahen Deutschland wild durcheinander und setzte sich danach ans Steuer seines Peugeot 208. «Dies tat er, obwohl er vor der fraglichen Fahrt eine solche Menge alkoholischer Getränke (Wein, Bier und Jack Daniel's-Cola-Mischung) wissentlich und willentlich konsumiert hatte», um einen Blutalkoholgehalt von mindestens 2,19 Promille zu erreichen. So heisst es in der Anklageschrift der Behörde, die STREETLIFE vorliegt.
Auf Schleichweg in Kontrolle geraten
Dass er so nicht mehr fahren durfte, sei auch dem Beschuldigten klargewesen, wie die Staatsanwaltschaft schreibt. Ein Indiz dafür ist: Für die Fahrt über die Grenze zurück in die Schweiz wählt der 39-Jährige einen bekannten Schleichweg ohne überwachten Übergang. Doch der Mann macht die Rechnung ohne das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAGZ. Rund 300 Meter nach dem Grenzübertritt trifft er auf eine Kontrolle der Zollbehörde.
Zwei Funktionäre mit Warnwesten führen die Überprüfungen von Fahrzeugen durch und fordern den Beschuldigten mit Stablampen auf, anzuhalten. Der denkt zuerst nicht daran. Erst als einer seine Stablampe gegen das Auto wirft, stoppt der Maler. Der Zoll- und Grenzssicherheits-Funktionär tritt zum Wagen, stellt ihn zur Rede und fordert ihn auf, rechts ranzufahren. Der 39-Jährige folgt zunächst dieser Anweisung – überlegt es sich dann aber doch anders. Er gibt Gas, beschleunigt und flieht auf die A4 in Richtung Winterthur. Die Funktionäre schlagen Alarm.
Rund 20 Minuten später entdeckt eine zivile Patrouille des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit den Peugeot bei Adlikon ZH, noch immer auf der Autobahn. Die Funktionäre folgen dem Wagen. Als dieser bei Winterthur-Ohringen die Ausfahrt nimmt, schalten sie Blaulicht- und Sirene ein. Mit der Matrix-Leuchte «STOP» fordern sie den Flüchtenden auf, anzuhalten. Ohne Erfolg. Beim Verkehrsstützpunkt Winterthur schliesslich nimmt auch noch ein Fahrzeug der Kantonspolizei Zürich die Verfolgung auf.
Der 39-Jährige rast von da an durch Winterthurs Strassen, auf Hauptstrassen, aber auch durch Tempo-30-Zonen. Zwei Mal fährt er auf der Gegenfahrbahn, riskiert schwere Kollisionen. Und das im Zentrum der Stadt, in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Dort, wo auch am Abend noch Verkehr unterwegs ist. «Dadurch ist er das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingegangen», schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift. Zudem überschreitet er wiederholt und deutlich die Höchstgeschwindigkeit.
Schliesslich fährt der Beschuldigte von der Hauptverkehrsachse Wülflingerstrasse in eine Quartierstrasse. Hier verliert er die Kontrolle über sein Fahrzeug und kommt von der Fahrbahn ab. Um die weitere Flucht zu verhindern, wird der Peugeot vom zivilen Fahrzeug der Kantonspolizei Zürich touchiert und gestoppt. Gemäss Staatsanwaltschaft leistete der Maler bei seiner Festnahme massiven Widerstand. «Die Einsatzkräfte mussten verhältnismässig Gewalt anwenden.»
Pistole im Auto – gefährliche Situation beim Zugriff
Bei der anschliessenden Durchsuchung des Wagens machten die Polizisten im Seitenfach der Fahrertüre noch diese Entdeckung: Dort hatte der Mann eine Schreckschusspistole der Marke Walther P22 9mm deponiert. An der Mündung der Pistole fehlte die rote Warnkappe. Damit wirkte die Schreckschusspistole wie eine echte Waffe.
In der Schweiz braucht es für das Mitführen von Schreckschusspistolen ebenfalls eine Waffentragbewilligung, über die der Beschuldigte nicht verfügte.
Die Staatsanwaltschaft hat den 39-jährigen Deutschen wegen der vorsätzlichen qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln, der Hinderung von Amtshandlungen, der mehrfachen vorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln, des vorsätzlichen Führens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration und des vorsätzlichen Vergehens gegen das Waffengesetz angeklagt. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten sowie eine Geldstrafe von 2400 Franken und eine Busse von deren 2000.
Am Prozess am Mittwoch vor dem Bezirksgericht in Winterthur sagte der Beschuldigte zu seiner halsbrecherischen Fahrt: «Die Flucht war eine Kurzschlussreaktion. Ich hatte Angst vor dem, was nach der Kontrolle passieren würde. Es war mir klar, dass ich zu viel getrunken hatte.» Und: «Ich bedauere mein Handeln sehr. Ich werde das nie wieder machen.» Das sei sehr sinnvoll, erwiderte darauf der Richter, der die Flucht des Beschuldigten als äusserst gefährlich und risikoreich bezeichnete. Dass er im Untersuchungsverfahren aber sehr früh sein Fehlverhalten eingeräumt habe, müsse strafmildern bewertet werden, wie er ausführt.
Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Mann zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten sowie einer Geldstrafe von 2400 Franken. Lässt sich der Mann während der zweijährigen Bewährungszeit nichts zu Schulden kommen, muss er die Strafe nicht absitzen und nicht bezahlen. Das gilt allerdings nicht für die Busse von 2000 Franken. Das Gericht verfügte darüber hinaus die Teilnahme an einem Lernprogramm des Justizvollzugs und der Wiedereingliederung.

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