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Gesetzesänderung gefordert

Mit 16 Jahren zur Töffprüfung: Unfallzahlen steigen deutlich an

Seit 2021 ist es 16-Jährigen erlaubt, die Prüfung für Motorräder bis 125 ccm abzulegen. Konkret heisst das: 16-Jährige können mit einem L am Töff unbegleitet und ohne Fahrpraxis auf die Autobahn. «Ein grosser Fehler», kritisiert der Schweizer Fahrlehrerverband L-drive – und fordert die Anhebung des Alters auf 18 Jahre.

Zwei Motorräder liegen stark beschädigt am Boden, ihre Trümmerteile sind über mehrere Meter auf der Strasse verteilt. Diese Aufnahme der Kantonspolizei St. Gallen zeigt die Unfallstelle auf dem Rickenpass. Am letzten Dienstag sind hier auf der Verbindungsstrasse von Uznach nach Wattwil zwei Töffs frontal ineinandergeprallt. Ein Lenker, seine Beifahrerin und ein weiterer Motorradfahrer werden schwer verletzt und müssen mit der Rega ins Spital gebracht werden. Der genaue Unfallhergang wird derzeit von der Polizei abgeklärt. Wer den Zusammenstoss ausgelöst hat, ist noch unklar.

Wer die Polizeimeldung liest, dem sticht aber noch ein weiterer Punkt ins Auge. Es ist das junge Alter des Motorradlenkers, der alleine unterwegs war. Dabei handelt es sich um einen erst 17-jährigen Neulenker. Seit 2021 dürfen in der Schweiz bereits 16-Jährige eine Töffprüfung für Motorräder bis 125 ccm ablegen. Ein Neueinsteiger braucht dafür lediglich einen 12-stündigen Grundkurs und eine Prüfung. 

 

«Im Klartext heisst das: Ein 16-Jähriger kann heute den Lernfahrausweis lösen, auf die Maschine steigen und dann ganz ohne Begleitung und bei Prüfungsreife völlig legal auf die Autobahn. Das ist doch einfach nur gefährlich», sagt Willi Wismer, Fahrlehrer und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Fahrlehrerverbandes L-drive Schweiz. 

 

Zunahme der Unfälle um 60 Prozent in der Alterskategorie

Die Altersherabsetzung ist für Wismer und seine Kollegen ein grosser «Fehler». Schon vor der Einführung des neuen Gesetzes warnte der Verband: «In der Ausbildung stellt die Fahrlehrerschaft fest, dass 16-Jährige einfach risikofreudiger sind. Sie kennen keine Angst. Gerade bei Zweirädern sind Fehlentscheidungen oder der Einsatz eines zu hohen Risikos aber verheerend.» 

Es sind die Unfallbilder wie jene vom Ricken, die den Verband nun zusätzlich alarmieren. Und der Blick in die aktuelle Unfallstatistik des Bundesamts für Strassen (Astra) zeigt, dass die Sorge nicht unbegründet ist. Seit der Einführung der Alterslimite steigen die Unfallzahlen in der Alterskategorie deutlich an. 

Motorradlenker bis 19 Jahre
2020536 Unfälle
2021798 Unfälle
2022896 Unfälle

Quelle: Bundesamt für Strassen

Beim Astra heisst es auf Anfrage von STREETLIFE: «Die Entwicklungen bei den Unfallzahlen werden genau beobachtet. Eine detaillierte Evaluation der Auswirkungen wird im Jahr 2024 möglich sein und in Abhängigkeit der Ergebnisse werden Massnahmen diskutiert», erklärt Astra-Kommunikationsverantwortlicher Lorenzo Quolantoni.

Es komme derzeit zwar zu einem Anstieg der Unfallzahlen, aber die genauen Ursachen seien noch nicht abschliessend geklärt. Quolantoni: «Beobachtet werden kann, dass seit der Neuregelung sowohl der Bestand an Motorrädern der Kat. A1 als auch die Zahl der ausgestellten (Lern-)Fahrausweise Kat. A1 bei 15- bis 17-Jährigen zugenommen hat. Dies deutet auf einen Anstieg der Exposition hin, was eine Erklärung für die steigenden Unfallzahlen sein könnte. Das Astra wird nach Vorliegen der Resultate mögliche Massnahmen prüfen.»

Soziale Medien als zusätzlicher Risikofaktor

Aufgrund der aktuellen Entwicklung hat die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) die Präventionskampagne «don’t mess it up» gestartet. Davon alleine ist Fahrlehrer Wismer nicht überzeugt. «Nach meiner Überzeugung hilft das nur begrenzt. Wer rasen will, den erreicht man mit diesen Kampagnen nur schwer», sagt er. Denn eine zusätzliche Gefahr sieht der Fahrlehrer in der Nutzung der sozialen Medien. Diese hätten heute einen viel grösseren Einfluss auf jugendliche Motorradlenker, als sich viele bewusst seien. «Zum einen sehen sie Videos, die sie animieren, selber auch so schnell zu fahren. Zum anderen wollen sie zeigen, was sie können. Und das fördert leider die Risikobereitschaft zusätzlich.»

Dass mit weiteren Massnahmen zugewartet wird, kann Wismer nicht nachvollziehen. «Wir fordern, dass diese Gesetzesänderung rückgängig gemacht wird. Wir befürchten aufgrund der in dieser Alterskategorie steigenden Unfallzahlen, dass die Senkung der Alterslimite ein entscheidender Faktor ist», sagt er. Und er ergänzt: «Wir verstehen nicht, was sich der Gesetzgeber 2021 bei dieser Änderung überhaupt gedacht hatte.»

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