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Aellig gegen Bartholdi aus der Messehalle

Die Tops und Flops von der Auto Zürich

Mit der Auto Zürich findet in Oerlikon gerade die grösste und wichtigste Automesse der Schweiz statt. Die STREETLIFE-Auto-Checker Pentti Aellig und Martin A. Bartholdi haben sich die neuen Modelle für das nächste Jahr angeschaut. Der neue Trend zu SUV Coupés sorgt für hitzige Diskussionen.

BMW X2

Aellig: BMW zieht mit dem neuen X2 seine SUV-Coupé-Strategie wieder konsequent durch. Während der alte X2 eher ein normaler, kleiner Kombi war, ist der neue X2, welcher an der Auto Zürich seine Europa-Premiere feiert, ein absoluter Wurf. Das kleinste BMW SUV-Coupé gibt es sowohl als Verbrenner als auch elektrisch als iX2. Mir gefallen seine sportive Silhouette und seine markante Front. Irgendwie erinnert mich der X2 an den chinesischen Aiways U6. Würde mich nicht wundern, wenn SUV-Kritiker Bartholdi am BMW X2 herumstänkert.

Bartholdi: Bei dem neuen Coupé-Trend der SUV kann man ja nur den Kopf schütteln. Mit der Neuauflage verliert der X2 das letzte Bisschen, was ihn noch halbwegs nützlich gemacht hat: seine kompakten Abmessungen. Um ihn mit einer Coupé-Linie in BMWs SUV-Ordnung zu zwängen, ohne Stauraum zu opfern, wird er zwanzig (!) Zentimeter länger. Und um den fehlenden Nutzen noch als sportlich zu verkaufen, setzt ihm BMW einen plump wirkenden Plastikspoiler ans Ende des abfallenden Heckdeckels.

Fakten: Antriebe: 1 Elektro (313 PS), 2 Benziner (170 o. 300 PS), 1 Diesel (150 PS); Marktstart: März 2024; Preis: ab 52'100 Fr.

Cupra Tavascan

Aellig: Mit dem Naming Cupra konzentriert sich die VW-Tochter nun voll auf iberische Sportlichkeit. Cupra nutzt die VW-Baukastensysteme und kombiniert sie mit extravagant gepressten Karosserieformen. Mit dem Cupra Tavascan werfen die Iberico-Germanen nach dem erfolgreichen Formentor bereits das zweite Modell in die grosse Schlacht um SUV-Coupé-Marktanteile. Am Tavascan gefällt mir seine hohe Gürtellinie, seine dynamische Frontpartie, sein Batman-Cockpit im Gotham-City-Style und beim VZ die 340 PS. Einzig die obligaten Cupra-Applikationen in Kupfer bleiben Geschmackssache.

Bartholdi: Okay, bei Cupra räume ich ein, wenn schon ein SUV, dann wenigstens ein sportliches SUV Coupé. Nur schade, scheinen die Designer nach der Front die Lust verloren zu haben. Sieht diese noch scharf und gelungen aus, finde ich das Heck eher unförmig. Gerade Aelligs gelobte hohe Gürtellinie ist in meinen Augen zu hoch, was die Heckpartie sehr schmal und hochbeinig wirken lässt. Aber ja, das Cockpit mit der kreativen, ansteigenden Mittelkonsole gefällt auch mir. Und ich begrüsse die Kupfer-Applikationen, die etwas Farbe in den sonst grauen Tavascan bringen.

Fakten: Antriebe: 2 Elektro (286 o. 340 PS); Markstart: 2. Jahreshälfte 2024; Preis: noch offen

Elaris Dyo

Bartholdi: Keine Sprüche über meine Grösse, Aellig! Auch zwei Meter grosse Menschen sitzen problemlos in dem Zweisitzer Dyo. Der kleine Chinese ist ein bezahlbares Elektroauto für die Stadt und macht die Elektromobilität auch für tiefere Einkommensschichten erschwinglich. Elaris sucht auf dem chinesischen Markt Elektroautos von verschiedenen Marken, die für die Schweiz und Europa geeignet sind und importiert sie hierher. Den Dyo sieht Elaris als günstigste und nachhaltige Alternative für Lieferdienste oder die Spitex.

Aellig: Der mächtige US-Pickup Ford F-150, welcher an der Auto Zürich zu sehen ist, versperrt dem spärlichen Publikum, welches sich für den winzigen Elaris-Stand interessiert, komplett die Sicht. Neben dem Monster-Pickup wirkt der chinesische Dyo wie ein Kabinenfahrzeug für führerscheinlose Senioren. Die 20'000 Franken finde ich viel Geld für wenig Auto. Das Handschuhfach fällt mir beim Öffnen gleich aus der Halterung. Die hinteren, matten Plastikfenster sollen für die Schweiz durch Glas ersetzt werden. Nicht mein Ding.

Fakten: Antrieb: Elektro (47,5 PS); Marktstart: 1. November 2023; Preis: ab 19'990 Fr.

Fisker Ocean

Aellig: Für mich gehört der Fisker Ocean zu den absoluten Lieblingen der Auto Zürich. Der von Magna in Österreich produzierte Elektro-Crossover-SUV hebt sich vom 0815-Look des SUV-Mainstreams erfrischend ab. Extrem wuchtig im Auftritt, steckt der Ocean voller überraschender Details: Ein Solardach fängt kostenlose Energie ein. Im California Mode öffnen sich selbst die kleinen, hinteren Doggie Windows und das Heckklappenfenster senkt sich ab. Weiter überzeugend: Hellblaue Bremssättel. Und bis zu 707 Kilometer Reichweite. Ein Hammer-Auto.

Bartholdi: Eine Beinauflage für die Person am Lenkrad? Bitte nicht! Die Menschen lassen sich doch sowieso schon immer vom Fahren ablenken. Jetzt sollen sie auch noch die Füsse hochlegen können? Damit sind weitere Träumer an der Ampel vorprogrammiert, die bei Grün noch eine Minute brauchen, bis sie losfahren. Wenigstens kann ich es mir für den Powernap gemütlich machen, wenn der Fisker an die Ladesäule muss. Am Schnelllader braucht der 113 kWh-Akku 34 Minuten, bis er wieder zu 80 Prozent voll ist.

Fakten: Antrieb: 3 Elektro (275, 540 u. 564 PS); Marktstart: November 2023; Preis: ab 45'900 Fr.

Hyundai Kona

Bartholdi: Nein, der Kona ist kein SUV, auch wenn ihn Hyundai als solchen anpreist. Er ist kürzer als ein VW Golf und nur acht Zentimeter höher. Davon gehen nur drei Zentimeter auf mehr Bodenfreiheit zurück. Der Kona ist also eigentlich ein Kompaktwagen, den es als Stromer mit über 500 Kilometer Reichweite, aber auch als Hybrid oder Turbobenziner mit Allrad gibt. Die LED-Leuchtbänder vorne sind sicher Geschmackssache, aber mir gefallen sie, wie auch das wenig verspielte Design und die lange Haube sowieso.

Aellig: Es würde mich nicht wundern, wenn das Designteam des neuen Kona aus Nordkorea rekrutiert wurde. Irgendwie wirkt das Auto bereits bei seiner Lancierung leicht veraltet. Die schräge Sicke, welche sich von der C-Säule quer über beide Türen zieht und welche beim Ioniq 5 cool wirkt, gefällt mir beim Kona überhaupt nicht. Irgendwie passt das Zusammenspiel zwischen kantigen und rundlich-knubbeligen Elementen nicht zusammen. Das Heck wirkt durch das hohe LED-Leuchtband und die viel zu tief platzierten Heckleuchten ziemlich buckelig.

Fakten: Antrieb: 2 Elektro (156 o. 217 PS) 1 Hybrid 141 PS, 1 Turbobenziner (198 PS); Markstart: schon erhältlich; Preis: ab 37'900 Fr.

Kia EV9

Aellig: Bartholdi lässt sich leider nur schwer von Pro-Argumenten für SUVs überzeugen. Aber wer vor dem neuen Elektro-Flaggschiff von Kia steht, der muss doch einfach begeistert sein: Was für ein imposanter, selbstbewusster und ultramoderner Mega-SUV. Zugegeben, mit über 5 Meter Länge kommt man mit dem EV9 nicht in jede Parknische. Dafür lassen sich beim siebensitzigen XXL-SUV die Fondsitze drehen. Für mich ist der extravagante, südkoreanische Kia EV9, der auf 800-Volt-Technik zurückgreift, eine rollende Skulptur. Bravo.

Bartholdi: Skulptur erscheint mir jetzt doch hochgegriffen. Die Proportionen sind stimmig, aber diese geschlossene Front und vor allem die Räder sind für mich gewöhnungsbedürftig.  Ich kann aber einräumen: Der EV9 ist geräumig. Vor allem Siebenplätzer sind heute Mangelware und Kia bietet dies nun erst noch elektrisch an. Als Familienauto taugt der EV9 trotzdem nur bedingt. Fast 76'000 Franken als Einstiegspreis ist eine ordentliche Hürde für Familien, die aufs Geld schauen müssen.

Fakten: Antrieb: 2 Elektro (203 o. 385 PS); Marktstart: schon erhältlich; Preis: ab 75'950 Fr.

Lamborghini Revuelto

Bartholdi: Der neue Revuelto macht mich schlicht sprachlos. Als Hybrid-Monster kommt der italienische Sportwagen auf 1015 PS (746 kW). Ein V12 und drei Elektromotoren machen ihn zum stärksten Lamborghini aller Zeiten. Ich bin überzeugt, die Ingenieure werden die vier Motoren für optimale und brachiale Performance aufeinander abgestimmt haben. Dazu passt das kraftvolle Design mit den typischen nach oben öffnenden Türen. Cooles Detail: der V12 hinter den Sitzen liegt frei. Nicht einmal eine Glasscheibe dämpft seinen unvergleichlichen Klang.

Aellig: Kollege Bartholdi war bei der Besichtigung des Revuelto hell begeistert und kaum mehr ansprechbar. Klar, Hypercars mit 12 Zylindern und über 1000 PS sorgen immer für Spektakel. Neben Bartholdi drängten sich auch einige lokale Rapper sowie unzählige Auto-Influencer um den neusten Lamborghini. Auf mich wirken die meisten italienischen Sportwagen zu protzig und neureich. Aber Bartholdi hat recht, der völlig frei liegende Motor wirkt cool, wobei der Motorraum so vermutlich relativ schnell verschmutz.

Fakten: Antrieb: Hybrid (1050 PS), Marktstart: Ende 2023; Preis: ab ca. 500'000 Fr.

Mini Cooper

Bartholdi: Ist der elektrisch? Ja! Mini wagt mit seinen E-Autos keine Design-Spielereien, die Kunden abschrecken könnte. Die vierte Generation des kleinen Engländers ist unverspielt und nimmt das Design der bisher unter BMW-Regie entwickelten Modelle auf. Wiedererkennung garantiert und eine Hommage an den Ur-Mini von 1959. Es gibt ihn jetzt aber nur noch elektrisch und mit bis zu 402 Kilometer Reichweite. Auch im Innenraum bleibt sich Mini treu. Es gibt einen kreisförmigen Touchscreen, Kippschalter und gemütliche Stoffapplikationen.

Aellig: Während Mini beim Countryman mit dem Redesign einen deutlichen Schritt in die Moderne wagt, wollen die Briten beim Mini Cooper keine Risiken eingehen. Mir gefällt die fünfte Generation weniger gut. Irgendwie wirkt die Karosserie zu geglättet und dadurch zu brav. Nach dem fünften Cooper werden sich keine Passanten umdrehen, keine Kinder werden ihm zuwinken und keine Fans werden ihn mit neidischen Blicken verfolgen. Die Rückleuchten in Trapezform und das kugelrunde Display sind besonders gewöhnungsbedürftig.

Fakten: Antrieb: 2 Elektro (184 o. 218 PS); Markstart: 2024; Preis: noch offen

Polestar 3

Aellig: In der STREETLIFE-Redaktion ist meine Sympathie für die chinesische Volvo-Tochter Polestar bekannt. Auf meine erste Begegnung mit dem Polestar 3 habe ich mich gefreut. Und tatsächlich: Der chinesische Luxus-SUV im nordischen, reduzierten Design überzeugt. Vielleicht liegen die 4,9 Meter Länge für die urbane Zielgruppe an der oberen Grenze, aber das Platzangebot überzeugt. Der relativ flache SUV zählt für mich zu den aktuell schönsten Autos auf dem Markt. Vielleicht wird Bartholdi beim Polestar 3 endlich zum SUV-Fan.

Bartholdi: Was der EV9 oder der Tiguan nicht schaffen, gelingt dem Polestar 3 erst recht nicht. Dieses Design erinnert mich an die ersten Autoversuche aus China. Damals wollten sie bemüht coole Autos zeichnen, was im besten Fall wie das Werk eines Kindes wirkte und im schlimmsten Fall peinlich war. Wegen der schnabelförmigen Front würde ich den Polestar 3 einem Donald-Duck-begeisterten Primarschüler zuschreiben. Dafür 100'000 Franken zu verlangen, grenzt an eine Frechheit, aber Aellig würde es wohl bezahlen...

Fakten: Antrieb: 2 Elektro (490 o. 517 PS), Markstart: schon erhältlich; Preis: ab 99'900 Fr.

VW Tiguan

Bartholdi: Entgegen dem aktuellen Coupé-Trend bei den SUV behält der Tiguan seine praktische Seite. Die Dachlinie bleibt oben und so bleibt der Kofferraum maximal nutzbar. Eine Hundebox oder andere hohe Gegenstände lassen sich problemlos unterbringen. Dazu besticht der Tiguan durch sein Design. Für einen VW tritt er sehr wuchtig, mutig und frisch auf, ohne aber seinen Charakter zu verstellen. Er bleibt ein Tiguan und dürfte auch alteingesessenen VW-Kunden nicht vergraulen. Top sind die bis zu 100 Kilometer Reichweite bei den Plug-ins.

Aellig: Als langjähriger VW-Tiguan-Fahrer weiss ich natürlich: Kein anderer SUV überzeugt besser das Schweizer Zielpublikum als der Tiguan. Er ist praktisch, komfortabel, auch ein wenig luxuriös, ausreichend motorisiert sowie aussen und innen sauber gestaltet. Zudem erweckt ein Tiguan beim Nachbarn nie grosse Neidgefühle. Aber gerade, weil der Tiguan der perfekte Kompromisskünstler ist, wirkt er halt auch sehr 0815.

Fakten: Antrieb: 4 Benziner (160 bis 265 PS), 2 Diesel (150 o. 193 PS), 2 PHEV (204 o. 272 PS; Markstart: 1. Quartal 2024; Preis: ab 40'500 Fr.

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