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Kosovare klaut Auto von Ex-Chef – und legt dann erst richtig los
Die Anklageschrift ist 20 Seiten dick, nicht weniger als 15 Delikte werden dem Beschuldigten vorgeworfen. Am Donnerstag steht ein 44-jähriger Kosovare vor Gericht, der schon länger nicht mehr am Steuer eines Autos hätte sitzen dürfen. Und doch sorgte er mit einer gefährlichen Raserfahrt für Aufsehen.
Diese Fahrt hat für den Mann aus Wil SG nun drastische Folgen: Seit August 2024 sitzt der 44-Jährige in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies im vorzeitigen Strafvollzug. Wie lange er noch im Gefängnis bleiben muss, entscheidet sich am Donnerstag am Prozess vor dem Bezirksgericht in Uster ZH. 15 Delikte werden dem Mann vorgeworfen, die Rede ist von einem mutmasslichen Vielfachtäter im Strassenverkehr.
Die Hauptanklagepunkte gehen auf die Ereignisse an einem Samstag im Februar 2024 zurück. An diesem Tag dringt der Beschuldigte in die Tiefgarage seines ehemaligen Arbeitgebers in Zürich ein, schreibt die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis in ihrer Anklageschrift.
Kokain im Blut
Mit dabei hat der 44-Jährige den Zweitschlüssel für den VW Caddy seines Ex-Chefs, denn auf diesen Lieferwagen hat er es abgesehen. Der Beschuldigte klaut in der Tiefgarage von einem Fiat Panda die Kontrollschilder und bringt sie am VW an. Dann fährt er los und stiehlt kurzerhand den ganzen Wagen. Der 44-Jährige braucht den Caddy für einen geplanten Umzug vom Zürcher Oberland nach Wil SG.
Bleibt die Frage: Warum hat der Kosovare seinen Ex-Chef nicht einfach um Erlaubnis gebeten? Der Grund ist einfach: Er hätte den Schlüssel nicht bekommen. Der Mann darf schon länger nicht mehr am Steuer eines Autos sitzen. Bereits 2022 wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen – wegen mehrfachen Drogenkonsums. Doch das kümmert den Beschuldigten nur wenig. Auch an diesem Samstag sitzt er berauscht hinter dem Steuer. Vor und während der Autofahrt kokst er mehrfach. Wie sich später herausstellt, hat er 61 Mikrogramm pro Liter Blut im Körper, seine Fahrfähigkeit ist damit massiv eingeschränkt, sein Urteilsvermögen getrübt.
So bringt er nach dem Zügeln den VW Caddy nicht etwa wieder zurück in die Tiefgarage. Vielmehr fährt er an die Zürcher Langstrasse. Dort hält er sich mehrere Stunden im Rotlichtmilieu auf. Erst am frühen Morgen bricht er wieder in Richtung Ostschweiz auf. Es ist kurz vor sechs Uhr am Sonntagmorgen, als der VW Caddy einer Patrouille der Kantonspolizei Zürich in Winterthur-Ohringen auffällt.
Die Polizei will den Wagen und den Fahrer für eine Kontrolle stoppen, doch der nimmt Reissaus. Der Beschuldigte brettert mit 140 km/h auf die A4 in Richtung Schaffhausen. Damit überschreitet er die erlaubten 80 Stundenkilometer deutlich. Er flieht über Henggart, Oberwil, Dägerlen, Dinhard und Rickenbach in den Kanton Thurgau. Auf dieser Raserfahrt begeht er diverse Verkehrsdelikte. Er missachtet Stoppschilder, überschreitet die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten wiederholt und stellt damit laut Anklageschrift eine enorme Gefahr für Dritte dar. So heisst es: «Durch die rücksichtslose Fahrweise nahm er wissentlich in waghalsiger Art und Weise einen Unfall mit Schwerverletzten oder Todesopfern – insbesondere der ihm folgenden Polizisten – in Kauf.»
Flucht zu Fuss – Hund zurückgelassen
In Uesslingen TG schliesslich schiesst der VW Caddy mit über 100 km/h – anstelle der erlaubten 50 – in eine Linkskurve. Zu schnell für diese Stelle. Der Beschuldigte verliert die Kontrolle über das Fahrzeug. Der Wagen schleudert über ein Trottoir, prallt in einen Kandelaber und einen Hydranten und überschlägt sich. Damit ist die Flucht für den Beschuldigten aber noch nicht zu Ende: Er klettert aus dem Fahrzeug und rennt zu Fuss weiter. Nur wenige Minuten später kann er allerdings von der Polizei geschnappt werden. Auf seiner Flucht zu Fuss lässt der Beschuldigte seinen Hund im Autowrack zurück. Die Polizei entdeckte das Tier wenig später. Es hatte sich zum Zeitpunkt des Unfalls ungesichert im Wagen aufgehalten und wurde durch die Kollision leicht verletzt, heisst es in der Anklageschrift. So habe der Hund bei der Einlieferung ins Tierheim leicht gehinkt.
Am Prozess am Donnerstag vor Bezirksgericht geht es in erster Linie um die Raserfahrt im Februar 2024. Darüber hinaus werden dem Beschuldigten aber noch weitere Straftaten vorgeworfen. So soll er knapp zwei Wochen zuvor in Wetzikon ein Fahrrad geklaut und bei einer späteren Polizeibefragung einen Kollegen dafür beschuldigt haben. Ebenfalls vorgeworfen wird dem Beschuldigten der Handel mit Betäubungsmitteln. So soll er in einer stationären Sozial- und Suchttherapie Mitklienten mit Kokain versorgt haben.
Anklagebehörde fordert Landesverweis
Die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis hat den 44-Jährigen wegen qualifiziert grober Verletzung der Verkehrsregeln, Missbrauchs von Schildern, Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch, Fahrens ohne Berechtigung, Fahrens in fahrunfähigem Zustand sowie wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit angeklagt. Zudem muss er sich wegen des Vorwurfs des mehrfachen Diebstahls, der mehrfachen Sachbeschädigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs, des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz, des Fahrraddiebstahls, der falschen Anschuldigung und der Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz vor Gericht verantworten.
Gleich zu Beginn des Prozesses am Donnerstagmorgen äusserte sich die Staatsanwaltschaft zu dem von ihr geforderten Strafmass. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren sowie einen Landesverweis von 10 Jahren. So sei der Beschuldigte ein Wiederholungstäter, der sich unverbesserlich zeige. Er sass bereits mehrfach im Gefängnis und stehe nun zum dritten Mal vor Gericht. Ein vorgelegtes Gutachten attestiere zudem eine hohe Rückfallgefahr.
Deshalb sei auch der Landesverweis unumgänglich. «Der Beschuldigte ist in der Schweiz gescheitert. Warum soll er im Kosovo nicht neu anfangen können? Er sitzt hierzulande den Steuerzahlern auf der Tasche und hat sie wohl schon eine Million Franken gekostet.»
Der 44-jährige Vater zweier Kinder zeigte sich vor dem Richter reumütig und in allen Punkten geständig. «Ich wünsche mir, dass ich meine Drogensucht in den Griff bekomme und nie wieder in den Knast muss», sagte er zum Richter. Und er ergänzt: «Diese Haft ist für mich die bisher härteste. Ich bin auf Entzug und überall riecht es nach Drogen.» Und er wolle sehr gerne in der Schweiz bleiben, wie er unter Tränen ergänzt: «Für mich ist die Schweiz meine Heimat. Den Kosovo kenne ich nur aus den Ferien. Ich habe niemanden da unten. Ich wäre dort verloren.»
«Irgendwann ist es einfach genug»
Um 16.25 ist schliesslich das Urteil da. Der Beschuldigte Kosovare wird in Anwesenheit seiner Geschwister und Eltern, in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu 42 Monaten Gefängnis und sieben Jahren Landesverweis verurteilt.
Der Richter erläutert das Urteil: «Sie haben ihr ganzes Leben in der Schweiz verbracht. Darum wurde der Landesverweis im letzten Verfahren nicht ausgesprochen. Doch noch während der letzten Verhandlung wurden sie wieder kriminell und trotz laufender Entzugsmassnahme rückfällig.»
Der Richter ergänzt: «Darum haben wir den Landesverweis dieses Mal ausgesprochen. Irgendwann ist es einfach genug und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger wichtiger als ihr persönliches Wohlergehen.»

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