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Politik & Wirtschaft •
Autofahrer sollen mehr ÖV-Projekte zahlen

Kampf um Strassengelder spitzt sich zu

Autofahrende finanzieren mit ihren Abgaben zahlreiche ÖV-Projekte in Agglomerationen. Dabei würden oft die teuersten statt die effektivsten Lösungen gewählt, kritisiert SVP-Nationalrat Christian Imark. Die Grünen fordern währenddessen einen noch grösseren Anteil aus dem Strassen-Topf für den ÖV-Ausbau.

Viele Schweizer Städte machen deutlich klar, dass Autofahrende nicht erwünscht sind: Quartierparkplätze verschwinden zugunsten von Velorouten, Tempo 30 wird zum neuen Standard und wer günstig wohnen will, muss oft sogar vertraglich auf ein Auto verzichten.

Die Gelder der Autofahrer kassieren die Städte trotzdem ein – und zwar für den Ausbau ihrer ÖV-Strukturen. Denn ein Teil des Strassen-Topfs, den die Autofahrer mit ihren Abgaben für Vignette, Mineralöl- und Automobilsteuer füllen, wird für den Agglomerationsverkehr und dort mehrheitlich den ÖV und Langsamverkehr eingesetzt (siehe Box).

«Teuerste Lösungen sind in Strassen verbaute Schienen»

SVP-Nationalrat und Mitglied der Verkehrskommission VK Christian Imark stört dabei insbesondere ein Punkt: «Bei ÖV-Projekten werden oft nicht die effizientesten, sondern die teuersten Lösungen und Technologien umgesetzt. Die mit Abstand teuersten Lösungen sind solche, die in Strassen verbaute Schienen haben.» Sämtliche Technologien, welche mit Gummi auf Teer oder Beton verkehren, seien deutlich günstiger sowie flexibler im Betrieb.

Imark weist zudem auf die Unterschiede bei der Umsetzung von ÖV- und Strassenprojekten hin: «Während Engpassbeseitigungen bei Nationalstrassen zuerst die aufwändigsten Studien durchlaufen müssen, die Kosten, Nutzen und Alternativen abwägen und prüfen, werden beim ÖV oft die Regionalinteressen von Gemeinden und Kantonen vergoldet umgesetzt.» Dabei hätten Projekte des Nationalstrassenbaus meistens auch zahlreiche flankierende Massnahmen zur Folge, die ebenfalls dem Langsamverkehr und ÖV zugutekommen.

«Tram oder Metro macht manchmal mehr Sinn»

Grünen-Nationalrat Michael Töngi, ebenfalls Mitglied der Verkehrskommission, sieht darin kein Problem. Im Gegenteil: Töngi will noch mehr Gelder zur Stärkung der Agglomerationsprogramme einsetzen und hat dazu einen Vorstoss eingereicht. Dieser wurde am Montagnachmittag im Parlament besprochen. «Nach dem Nein zum Autobahn-Ausbau wurde klar, dass die grössten Verkehrsprobleme in den Agglomerationen bestehen. Hier lösen wir die Probleme nur, wenn wir mehr Leute in den ÖV bringen», so Töngi. Gerade in dicht bebauten Gebieten sei es illusorisch, dass man zusätzliche Strassen bauen könne.

Es brauche eine neue Auslegeordnung, da auch das herkömmliche Eisenbahnnetz bereits stark belastet sei. «Manchmal ist ein Tram, eine Metro oder eine Busspur die bessere Lösung», so Töngi. Die Mehrausgaben dafür sollen auf Kosten der Nationalstrassen gehen. «Die Frage ist nun, ob wir die heutigen 9-12 Prozent der NAF-Gelder für die Agglomerationsprogramme erhöhen.»

«Schadet dem Zusammenhalt und der Mobilität»

SVP-Nationalrätin und VK-Mitglied Sandra Sollberger ist damit nicht einverstanden: «Das Geld sollte vermehrt in die Nationalstrassen investiert werden. Wir vernachlässigen die Strasse sträflich.» Gewerbe, Mittelstand und der ländliche Raum seien von zukunftsfähigen Nationalstrassen abhängig. Sollberger: «Sie werden aktuell zu Gunsten der Zentren abgehängt. Das schadet dem Zusammenhalt und der Zukunft unserer Mobilität.»

Diese ÖV-Projekte haben Autofahrer finanziert

Mit einem Teil der Abgaben, die Autofahrer unter anderem mit Vignette, Mineralölsteuer, Automobilsteuer in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) einspeisen, werden auch ÖV-Projekte in den Agglomerationen finanziert. 2024 wurden 191 Mio. Franken in den Agglomerationsverkehr investiert. Verglichen mit den Ausgaben in den letzten vier Jahren entspricht dies dem höchsten Wert.

Dies sind ein paar Beispielprojekte gemäss Bundesamt für Strassen ASTRA, die 2024 in Agglomerationen finanziert wurden:

Schienen- und Bahninfrastrukturen:

  • Langenthal: Erweiterung der Personenunterführung zur Bahnhofspassage
  • Bern: Realisierung Publikumsanlagen SBB
  • Bern: Realisierung Bahnhof RBS
  • Bern: Umstellung Buslinie 10 nach Köniz/Schliern
  • Köniz: Verlängerung Tramlinie 9 nach Kleinwabern
  • Lausanne-Morges: t1/Tram Renens-Villars-Ste-Croix
  • Lausanne-Morges: Tramachse Renens-Lausanne
  • Grossraum Genf: Bau einer Strassenbahnachse zwischen Genf und St-Julien über die Rte de Base und Neugestaltung des Strassenraums
  • Grossraum Genf: Bau einer Strassenbahnachse zwischen der Place des Nations und der multimodalen Schnittstelle P47, einschliesslich der Gestaltung des öffentlichen Raums

Strassen- und Langsamverkehrs-Massnahmen:

  • Winterthur: Neue Querung und Aufwertung Umsteigepunkt Grüze
  • Zürich-Glatttal: Elektrifizierung Buslinien 69 und 80
  • Zug: Umfahrung Cham-Hünenberg, Kammern A, C
  • St. Gallen-Arbon/Rorschach: ÖV-Eigentrassierung Stadt St. Gallen A; Teil 1: Poststrasse
  • Lausanne-Morges: Axes forts trolleybus A
  • Grossraum Genf: Ausbau einer starken ÖPNV-Achse zwischen Genf und Vernier

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