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Verkehr •
Einfach liegengelassen

Jeder Fünfte begeht Fahrerflucht – ein Betroffener erzählt

Wenn ein Unfall passiert und der oder die Beteiligte einfach weiterfährt, bleibt nicht nur ein Schaden zurück, sondern auch Ohnmacht und oft lange Ermittlungen. Für Polizei und Betroffene stellt sich die Frage: Wie findet man jemanden, der spurlos verschwunden ist – und welche Mittel stehen zur Verfügung, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen?

Es ist ein Mittwochabend im September, kurz nach halb neun. Auf dem Zebrastreifen bei der Tramhaltestelle «Novartis Campus» in Basel wird ein 31-jähriger Fussgänger von einem Auto erfasst und mehrere Meter weggeschleudert. Der Fahrer hält nicht an. Er flüchtet mit überhöhter Geschwindigkeit über die Dreirosenbrücke in Richtung Kleinbasel. 

Das Opfer Matthias H. (richtiger Name der Red. bekannt) wird schwer verletzt ins Spital gebracht. Heute, Wochen später, kann er wieder gehen; aber eine Frage lässt ihn dennoch nicht los, wie er im Gespräch mit STREETLIFE erzählt: «Unfälle passieren. Aber wie man mich einfach liegen lassen kann und davonfahren – das begreife ich nicht.» 

Was ist Fahrerflucht? 

Juristisch spricht man nur dann von Fahrerflucht, wenn bei einem Unfall Personenschaden entsteht. Wer bloss einen Sachschaden verursacht, etwa einen Seitenspiegel streift oder eine Parkschramme hinterlässt, und sich davonstiehlt, verletzt die Meldepflicht bei Verkehrsunfällen. Das wird in der Regel mit einer Busse geahndet. 

Verantwortung, die verschwindet

Tatsächlich ist Fahrerflucht keine Seltenheit, und Matthias H. ist mit seinem Fall nicht allein. Statistisch betrachtet flüchtet bei rund jedem fünften Unfall jemand vom Tatort – unabhängig davon, ob nur ein Seitenspiegel zu Bruch ging oder ein Mensch verletzt wurde. Für letzteres wurden im Jahr 2024 laut Zahlen des ASTRA in der Schweiz 1053 Fälle registriert, in denen Menschen nach einem Unfall verletzt zurückgelassen wurden.  

Das ist kein Kavaliersdelikt. Wer sich nach einem Unfall entfernt, ohne die Polizei zu informieren, macht sich strafbar und riskiert eine Geldstrafe oder sogar bis zu drei Jahre Freiheitsentzug, vor allem, wenn er verletzte Menschen allein zurücklässt. Das Strafgesetz greift hier wegen unterlassener Hilfeleistung. 

Doch auch wer zunächst anhält und sich dann vor dem Eintreffen der Polizei vom Unfallort entfernt, macht sich strafbar. Entscheidend ist nicht, ob jemand kurz bleibt – sondern dass er die Verantwortung bis zum Schluss wahrnimmt. 

Für Betroffene wie Matthias H. bedeutet das nicht nur körperliche Verletzungen, sondern auch ein Gefühl der Ohnmacht und der Wut: «Der Fahrer hätte es verdient, bestraft zu werden», sagt er.  

Schwierige Ermittlungen

Doch die Aufklärung eines Falls von Fahrerflucht ist oft mühsam und langwierig. Wenn niemand den Unfall beobachtet oder den Vorfall meldet, fehlen der Polizei wichtige Anhaltspunkte. Bei einem Personenschaden gibt es in der Regel wenigstens Hinweise, Spuren am Fahrzeug, Kleidungsfasern, Lackreste oder Aussagen von Passanten. 

Im schlimmsten Fall aber gibt es gar nichts: kein Kennzeichen, kein Zeuge, kein klares Bild vom Fahrzeug. Dann bleibt nur die Videoüberwachung. Doch auch hier gilt: Die Polizei kann nicht einfach jedes Video auswerten. Die Einsicht in private oder betriebliche Kameras, wie etwa jene auf dem Novartis-Campus am Voltaplatz, ist rechtlich genau geregelt. In Fällen mit Personenschaden besteht ein grösserer Handlungsspielraum. Doch auch hier braucht es meist einen richterlichen Beschluss, und das innerhalb kurzer Fristen. 

Im Fall von Matthias H. blieb die Spur bislang vage: «Soweit ich weiss, ist die Videoaufnahme vom Unfall zu unscharf, um das Kennzeichen zu erkennen», erzählt er. An den Unfall selbst kann er sich nicht mehr erinnern. Die Polizei habe bereits am Unfallabend Kontrollen durchgeführt – allerdings ohne Erfolg. Zeugen, die den Unfallvorhergang beobachtet haben, werden nach wie vor gesucht.

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