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Eine Staatskarosse für Macron – oder doch nicht?
Der DS 9 soll das Zeug zur französischen Staats-Limousine von Präsident Emmanuel Macron haben. Dafür setzt die Citroën-Tochter DS nicht nur auf opulenten Luxus, sondern auch auf Leistung, Allrad sowie Nachhaltigkeit. Alle drei Punkte kombiniert der 360 PS starke Plug-in-Hybrid-Antrieb. Das Resultat sorgt im Autochecker-Duell für hitzige Diskussionen zwischen den STREETLIFE-Testern Aellig und Bartholdi.
Unscheinbare Grösse
Bartholdi: Ist ja süss, die kleine Limousine! Ich gebe zu, ich habe den DS 9 zuerst etwas unterschätzt und für zu unscheinbar gehalten. Aber da haben mich wohl die vielen SUVs auf den Schweizer Strassen in die Irre geführt, die Limousinen einfach nicht mehr gross und stattlich aussehen lassen. Dabei ist der DS 9 alles andere als klein. Mit einer Länge von 4,93 Meter kratzt er an der Grenze von fünf Metern. Ich muss mich selbst an der Nase nehmen, weil mir die lange Motorhaube nicht gleich ins Auge gestochen ist. Von vorne fällt es nicht so auf, weil die Haube leicht abfällt und in den grossen schwarzen Kühlergrill übergeht. Sehr hübsch ist die silberne Zierleiste auf der Haube. Eine schöne Hommage an die grossen Strassenkreuzer der 1950er Jahre. Das ist ein Auto für einen Präsidenten, nicht Pentti?
Kaum präsidial
Aellig: Für eine Fahrt durch die Banlieues würde ich dem Präsidenten vom DS 9 E-Tense 360 abraten. Auf Protz gestylte Autos gehen in Frankreich gerne in Flammen auf. Aus Sicherheitsgründen wird Macron aktuell sein Volk wohl eher im Helikopter überfliegen. Ob der DS 9 E-Tense 360 stilmässig zu Macron passt, wage ich ebenfalls zu bezweifeln. Der Präsident erscheint in seinen blauen, perfekt sitzenden Anzügen immer sehr stilsicher – ob der DS 9 E-Tense 360 mit seinem Mix aus Art Déco, deutsch-französischem Design und Kunststoff-Royalität genügend präsidiale Klasse besitzt, wird sich herausstellen. Die Karosserie mit seinen an Edelsteineinfassungen erinnernden Chromdetails liegt optisch etwas verloren zwischen Audi und Peugeot. Innen lässt einem die Lederausstattung Opera im Auberginen-Farbton leicht ratlos zurück. Die Verarbeitung des gesamten Autos liegt auf gutem Niveau. Beim Starten dreht sich ein verchromtes Plastikgehäuse und präsentiert einen Chronographen eines Uhrmachers mit dem Namen Bernard Richards. Richards? Noch nie gehört. Das Zifferblatt im imitierten Art-Déco-Stil wirkt alles andere als präsidial.

Durchdachte Strategie
Bartholdi: Ja… die Plastik-Verkleidung der Uhr wirkt etwas billig bei einem Preis von 94'700 Franken. Da hast du recht, lieber Pentti, aber die Kritik am Design von Uhr und Limousine kann ich nicht stehen lassen. Es mag nicht jedermanns Geschmack sein, aber es sieht erfrischend anders aus und dürfte die richtige Strategie sein. DS versucht gar nicht erst, die deutsche Konkurrenz Audi A8, BMW 7er oder Mercedes S-Klasse anzuvisieren. Deren nüchternes Design hat seine Kundinnen und Kunden gefunden und DS wird mit seiner Design-Lücke nun die seinen finden. Gut, das rote Leder der Opera-Ausstattung (6550 Fr.) mag etwas gewagt sein, aber DS zieht es konsequent durch. Nichts von einem wilden Materialmix wie bei anderen Fahrzeugen. Das ist ein einheitlich durchgestylter Innenraum. Sogar die Haltegriffe über der Tür sind mit Leder überzogen. Und es stehen ja auch noch schwarz oder grau zur Auswahl.

Kein Erfolgspotenzial
Aellig: Lieber Martin, ich gebe zu, dass viele deutsche Limousinen der Oberklasse mit ihrem teutonisch kühlen Design etwas einheitlich wirken. Ob der DS 9 E-Tense 360 mit seiner anderen Optik bei den Käufern der Oberklasse ankommt, wird sich zeigen. In der Preisklasse um die 100’000 Franken spielt das Markenimage eine grosse Rolle. Da bietet DS vermutlich zu wenig Prestige. Kein einziger Oligarch oder Ölscheich wird in diesem Auto durch Monaco oder Dubai kurven. Vermutlich findet sich das Zielpublikum des DS 9 E-Tense 360 eher unter pensionierten Architekten oder Buchhändlern, welche sich von der Masse abzuheben versuchen. Ein Erfolg wird der DS 9 kaum. Hauptsache, der französische Präsident lässt sich darin einige Kilometer herumfahren.

Pentti Aellig
Schon als Kind begeisterte ich mich für Autos. Mit 12 fuhr ich (unerlaubterweise) bereits mit dem elterlichen Citroën 2CV herum. Mit 15 reiste ich alleine an ein Formel-1-Rennen in Monza. Und mit 22 kaufte ich mir einen Peugeot 205 GTI. Die Liebe zu dynamischen Hot Hatches ist geblieben: Als jahrelanger Porsche 911-Fahrer bin ich im Zeitalter der Klimaproteste auf einen unauffälligen Toyota GR Yaris umgestiegen. Die vielen neu erscheinenden Steckerautos verfolge ich neugierig, aber die Entwicklung ökologisch verbesserter Verbrennermotoren schreibe ich noch nicht ab.
Abstimmung nicht perfekt
Bartholdi: Vom fehlenden Fahrkomfort bin ich enttäuscht, Pentti. Da müssen die DS-Ingenieure die Abstimmung ihrer aktiven Aufhängung nochmals nachjustieren. Das hat mir zu oft gerumpelt für eine solche Luxuslimousine. Vielleicht wäre es ohne Niederquerschnittreifen besser, aber wenn DS diese schon anbietet, muss das Fahrwerk entsprechend abgestimmt sein. Es ist vor allem schade, weil abgesehen davon die Voraussetzungen für eine komfortable Reise gegeben sind. Die Sitze sind bequem und die Geräuschdämmung tadellos. Ich höre den Benzinmotor fast nicht und im Elektro-Modus ist es sowieso sehr still. Nur die Reichweite könnte etwas besser sein. Statt der 47 Kilometer laut DS schafften wir maximal 39 Kilometer – knapp genug, um den Schweizer Alltag elektrisch zu bewältigen.
Abstimmung lässt mich Strasse spüren
Aellig: Ich bin familiär vorbelastet. Meine Eltern sind ausschliesslich Citroën gefahren. Beispielsweise einen GS. Die hydropneumatische Federung mit seinem sanft schaukelnden Fahrkomfort wirkte zwar meditativ. Aber mit solchen Citroëns spürte man kaum die Strassen. Deshalb bin ich vom Fahrwerk des DS 9 positiv überrascht, welches auch von leichten Strassenfugen Rückmeldung gibt und fast sportliche Gefühle aufkommen lässt. Wenigstens in einem Punkt sind wir uns einig, lieber Martin: Im gut gedämmten DS 9 E-Tense 360 lässt es sich herrlich ruhig und relaxt herumfahren.

Martin A. Bartholdi
Mit dem Autofieber haben mich die Kult-TV-Serie «Knight Rider» und das Formel-1-Rennen in den Strassenschluchten von Monte Carlo infiziert. Noch heute zaubern mir US-Sportwagen mit langen Motorhauben wie der Ford Mustang und wendige Kurvenkratzer wie der Mazda MX-5 ein Lächeln ins Gesicht. Mit Kombis und vor allem SUVs kann ich allerdings nur wenig anfangen, dann doch lieber echte Geländewagen. Wohl die Schuld des Computerautos K.I.T.T. ist auch, dass ich gerne neue technische Spielereien ausprobiere, seien es Assistenten, Infotainment oder Vernetzung.
Fazit Bartholdi
Erfrischend anders kommt für mich der DS 9 daher. Mit ihm hat Citroëns Luxustochter eine stattliche Limousine auf die Strasse gestellt. Technisch gibt es noch etwas Luft nach oben, sei es bei der Abstimmung des Fahrwerks oder dem etwas antiquiert wirkenden Navis. Doch der durchdachte Innenraum bietet genau das Luxus-Ambiente, welches ich mir von einem solchen Auto erwarte.
Fazit Aellig
Ich wette mit Bartholdi eine Flasche Cru Bourgeois, dass der DS 9 keinen breiten Markterfolg einfahren wird. Immer wieder versuchen mutige Hersteller von Klein- und Mittelklasseautos, in die geschlossenen Schlachtreihen der etablierten Oberklassen-Hersteller eine Schneise zu schlagen. Für Hersteller wie BMW, Mercedes oder Audi bleibt der Angriffsversuch des DS 9 E-Tense 360 nichts anderes als eine Anekdote.
DS 9 E-Tense 360 4x4 Opera: Facts
- Benzinmotor: 1,6-Liter-R4-Turbo, 200 PS (147 kW) und 300 Nm@3000/min
- Elektromotor vorne/hinten: 110 PS (81 kW) / 113 PS (83 kW), 320 / 166 Nm@1/min
- Systemleistung: 360 PS (265 kW), 520 Nm
- Antrieb: 8-Stufen-Automatik, 4x4
- Batterie: 15,6 kWh = 47 km Reichweite
- Fahrleistung: 0-100 km/h in 5,6 s, Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
- Verbrauch: 2,1 l/100 km + 17,5 kWh/100 km = 49 g CO₂/km
- Länge/Breite/Höhe: 4,93 m / 1,93 m / 1,46 m
- Laderaum: 473 Liter
- Leergewicht: 1909 Kilogramm
- Preis: ab 83'300 Fr, Testfahrzeug mit Ausstattung: 94'700 Fr.
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