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Hier kannst du ein Solarauto für 560 Franken kaufen – aber…
Die Insolvenz von Sono Motors bringt kuriose Schnäppchen ans Licht: In einer Online-Auktion werden Reste des gescheiterten Solarautos Sion versteigert – vom E-Motor bis zum fast fertigen Van. Ab rund 600 Euro (etwa 560 Franken) kann man mitbieten. Ein genialer Deal? Die Realität ist kompliziert – und Experten mahnen zur Vorsicht.
Als Sono Motors 2016 in München gegründet wurde, klang die Vision wie aus einem Sci-Fi-Film: Ein familientaugliches Elektroauto, dessen Karosserie komplett mit Solarzellen verkleidet ist. Der Sion sollte sich im Alltag selbst aufladen, Reichweitenangst reduzieren und bezahlbar bleiben. Tausende Vorbesteller investierten – doch Anfang 2023 platzte der Traum: Das Start-up stoppte die Fahrzeugentwicklung, beantragte Insolvenz und sattelte später komplett auf Solartechnik für andere Hersteller um.
Jetzt wird das letzte Kapitel geschrieben – mit einem Auktionskatalog, der Auto- und Technikfans ins Staunen versetzt. Über 250 Positionen werden versteigert: E-Motoren, Batteriemodule, Spezialwerkzeuge, Sitze und mehrere fast fertige Sion-Prototypen. Das Startgebot: ab 600 Euro für ein komplettes Solar-Auto, knapp 50 Euro für einen Motor. Für Schweizer Verhältnisse klingt das wie ein Lottogewinn.
Hohe Hürden bis zur Strassentauglichkeit
Allerdings: Wer sich nun vorstellt, den Solarvan für einen Spottpreis zu ersteigern und kurz darauf über den Gotthardpass zu cruisen, wird schnell auf den Boden der Realität zurückgeholt. Denn die angebotenen Sions sind Prototypen. Sie haben keine europäische Typengenehmigung, kein Homologationszertifikat und keine vollständige Dokumentation nach heutigen Sicherheitsstandards. In der Schweiz bedeutet das: Ohne aufwendige Einzelabnahme gibt es keine Immatrikulation.
«Grundsätzlich würde es sich um eine Einzelzulassung handeln, für welche der jeweilige Kanton zuständig ist», erklärt Marius Bloch, Bereichsleiter Aktive Sicherheit beim DTC Dynamic Test Center AG auf Anfrage von STREETLIFE. «Die Realisierbarkeit hängt unter anderem davon ab, ob und welches Fahrzeug als Basis gedient hat. Bei einem Umbau auf Basis eines homologierten Fahrzeuges sind die Chancen besser. Bei einem komplett neuen Fahrzeug wäre der Aufwand wesentlich höher.»
Teure und komplexe Prüfungen
Ein solches Zulassungsverfahren ist kein Spaziergang. «Bei E-Fahrzeugen müssen zum Beispiel die Anforderungen an das Energiespeichersystem und die elektromagnetische Verträglichkeit erfüllt sein», so Bloch. Gemeint sind etwa ECE-R 100 und ECE-R 10 – Prüfungen, die normalerweise Hersteller in der Serienentwicklung absolvieren. Hinzu kommen Brems- und Lenkprüfungen, Tests zum Fussgänger- und Insassenschutz, Geräuschemissionen (AVAS) sowie Betriebsfestigkeit. Welche Nachweise im Detail nötig sind, müsse vorab mit der Zulassungsstelle geklärt werden.
«Erfahrungsgemäss muss sicher mit Kosten ab einem fünfstelligen Bereich gerechnet werden», sagt Bloch. Aufwände von bis zu 20'000 Franken kämen also zu den 600 Euro Kaufpreis dazu. Und der Zeitaufwand? Je nach Prüfumfang und Basis: Wochen bis Monate. Und – nicht selten endet der Versuch vorzeitig. Bloch: «Falls das Fahrzeug nicht grundlegend nach den heutigen Regelungen entwickelt wurde und keine geprüften Komponenten verwendet, erscheint eine Zulassung eher unrealistisch.»
Was also tun mit einem Sion aus der Auktion? Für die Strassen scheint der Weg zu lang und zu teuer. Aber immerhin, es gibt auch andere Möglichkeiten. Als:
Sammlerstück: Ideal für eine private Sammlung, als Blickfang in der Garage oder im Showroom.
Technikspender: Motor, Batterie und Steuergeräte lassen sich in andere Projekte einbauen – sofern diese Fahrzeuge schon zugelassen sind.
Test- oder Offroadfahrzeug: Auf abgesperrten Geländen, Rennstrecken oder für Forschungszwecke einsetzbar.
Ausstellungsfahrzeug: Für Messen oder Events kann der Import ohne Strassenzulassung erfolgen.
Dennoch: Die Sono-Auktion ist eher eine Gelegenheit, sich ein Stück Automobilgeschichte zu sichern, und sei es nur als Gesprächsanlass beim nächsten Grillabend. Wer aber den Traum hat, mit einem dieser Solarautos legal durch die Schweiz zu fahren, muss wissen: Die Sonne mag gratis scheinen – der Weg eines Prototyps auf Schweizer Strassen ist alles andere als kostenlos.

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