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Politik & Wirtschaft •
Nur noch 85 cm

Grüne gegen erhöhte Fahrzeugfronten

Entstehen irgendwo in Europa neue Gesetze, welche den Individualverkehr einschränken, verlangt die grüne Nationalrätin Marionna Schlatter medienwirksam die Übernahme für die Schweiz. Bei ihrer neusten Interpellation zum Thema zunehmende Höhe der Fahrzeugfronten liegt sie allerdings nicht völlig falsch.

Die Serie politischer Vorstösse des autofeindlichen Trios der Grünen reisst nicht ab. Marionna Schlatter, Delphine Klopfenstein Broggini sowie Michael Töngi suchen rund um die Uhr in europäischen Länder nach neuen, autokritischen Inputs, Gesetzen oder Strafsteuern, um ähnliche, medienwirksame Vorstösse einreichen zu können. Diesen Juni hat der Europäische Verband für Verkehr und Umwelt (T&E) eine Untersuchung veröffentlicht, welche aufzeigt, dass mit der zunehmenden Höhe der Fahrzeugfronten das Verletzungsrisiko bei Unfällen mit Fussgängern und Velofahrern deutlich ansteigt. Lange liess Marionna Schlatter nicht auf sich warten. Fast schon in Echtzeit hat sie diese neue T&E-Untersuchung zur Interpellation verwertet.

27 Prozent höheres Todesrisiko

Tatsächlich werden die Fahrzeugfronten immer höher – nicht zuletzt wegen dem Megatrend SUV. In der EU sind die durchschnittlichen Fronthöhen bei Neuwagen in den letzten 15 Jahren von 76,9 cm auf 83,8 cm angestiegen. Bei manchen SUVs wie beispielsweise beim Range Rover stieg die Fronthöhe auf über einen Meter an. Aus XXL-Autos wie ein Dodge RAM oder ein Land Rover Defender können kleine Kinder im toten Winkel leicht übersehen werden. Zudem: Hohe Motorhauben treffen häufig Oberkörper und Kopf. In Belgien hat eine Untersuchung gezeigt, dass bei 10 cm mehr Fronthöhe das Todesrisiko um 27 Prozent ansteigt. Drei Empfehlungen der T&E-Studie lauten: Die Beschränkung der Fronthöhe auf maximal 85 cm ab 2035. Die Einführung eines Kindersichtbarkeitstest. Und steuerliche Anreize auf städtischer Ebene wie beispielsweise Gewichtstaxen.

85 cm sind genug

Bei diesen drei Empfehlungen bekam die unermüdliche, grüne Nationalrätin Marionna Schlatter vermutlich glänzende Augen. Umgehend schrieb sie die Studie zur Interpellation um. Titel: «85 cm sind genug. Plant der Bundesrat, zur Verbesserung der Verkehrssicherheit die Front-Höhe von Autos zu begrenzen?» Angesichts des Zusammenhangs zwischen Fronthöhen bei Autos und Verletzungsrisiken bei Fussgängern will die Zürcher Nationalrätin vom Bundesrat wissen, ob ihm die erwähnte Studie bekannt sei und wie er deren Ergebnisse bewerte. Schlatter will vom Bundesrat wissen, «ob er mittel- bis langfristig Bedarf sehe, auch in der Schweiz eine Regulierung der maximalen Motorhauben- oder Frontpartiehöhe zu prüfen – etwa im Rahmen der Importzulassung?»

Immer grösser und höher

Selbstverständlich haben auch die Genferin Delphine Klopfenstein Broggini sowie der Luzerner Michael Töngi diese Interpellation mitunterzeichnet. Marionna Schlatter spricht ein nicht ganz unwichtiges Thema an. Die Grösse der Autos. Das erhöhte Verletzungsrisiko für Fussgänger bei einem Zusammenprall mit einem hohen Auto ist aber nur ein Aspekt. Im Zeitalter des explodierenden Bevölkerungswachstums muss man sich tatsächlich auch fragen, ob es in der sich abzeichnenden 12-Millionen Schweiz Sinn macht, die Autos bei jeder Modellerneuerung noch grösser zu produzieren. Zwar liegt ein Mercedes G-Klasse oder ein Land Rover Defender voll im Trend, aber solche Fahrzeuge machen in den Parkhäusern und Begegnungszonen unserer linksgrünen Metropolen nur wenig Spass und sind unpraktisch.

Warten auf den Bundesrat

Insofern ist der Wettbewerb der Autohersteller nach immer grösseren und höheren Autos tatsächlich fragwürdig. Für einen Gerüstbauer macht ein Dodge RAM weiterhin Sinn – ein Anhänger, beladen mit schweren Stahlgerüsten, lässt sich kaum mit dem Lastenrad zur Baustelle ziehen. Aber für die Fahrt mit den Kids zur Schule machen fast zwei Meter hohe SUVs wenig Sinn. Wobei sich erfolgreiche Menschen auch bei höheren Strafsteuern und strengeren Gesetzen teure und grosse Autos leisten werden. Zudem wird sich die Radar-Sicherheitstechnik für erhöhten Fussgängerschutz ohnehin schnell weiterentwickeln. Gespannt warten wir auf die bundesrätliche Antwort.


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

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