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Politik & Wirtschaft •
Jaguars schriller Imagewechsel

Flop oder genialer Marketing-Coup?

Die Autowelt dreht fast durch: Jaguars schriller, woker, autofreier Videoclip sorgt für weltweites Kopfschütteln. Aber Jaguar zeigt Mut: Der Imagewandel hin zur avantgardistischen Elektromarke kann nur durch den Bruch bestehender Konventionen gelingen.

Jaguar wagt die totale Neupositionierung und stellt dazu ein kurzes Imagevideo ins Netz, welches durch schrille Farben und maximale Wokeness besticht. Androgyne, ethnologisch diverse Menschen transportieren Jaguars neues Image: Gewöhnliches löschen, bestehende Formen brechen. Jaguars bisheriges Zielpublikum, der ältere, solvente, weisse Mann taucht im Video nicht mehr auf. Auch ein Auto ist nirgends zu sehen. Die entsetzten Kommentare auf X oder TikTok lassen nicht lange auf sich warten. Einer schreibt: «Go woke. Go broke.»

Go woke. Go broke?

Bei aller Kritik an Jaguars gewagtem Imagewechsel: Ich finde, die indischen Besitzer der britischen Oberklassenmarke schlagen den richtigen Weg ein. Jaguars aktuellen Modelle wirken angestaubt und lassen sich kaum mehr verkaufen. Jaguar wagt die mutige Flucht nach vorne und wird zur trendigen, hochklassigen Elektromarke. Das erste Modell wird in Miami am 2. Dezember vorgestellt. Bilder lassen erahnen, das Jaguar bestehende Konventionen bricht – vielleicht ähnlich wie Teslas Cybertruck. Der günstigste Jaguar soll neu über 150'000 Franken kosten. Ob sich die jungen, diversen, androgynen Menschen aus dem Videoclip das neue Luxusbatterieauto leisten können, bleibt offen.

Die potenzielle Käuferschicht

Autos der gehobenen Preisklasse werden hauptsächlich von Männern gekauft, welche im Zeitalter der Wokeness als alt, weiss und toxisch eingestuft werden. Das junge Model im knallroten Haute Couture Dress, welches im Videoclip voranschreitet, würde zwar bestens ans Steuer des neuen Elektrojaguars passen. Aber in der Realität wird Jaguar auch in Zukunft von älteren Männern gefahren. Generell geht es bei einer erfolgreichen Autowerbung nicht darum, die potenzielle Käuferschicht im tristen Alltag zu widerspiegeln, sondern es geht um das Erleben einer mutigen, visionären Markenwelt.

Jaguars Überlebenskampf

Das Zielpublikum von Porsche will keine Werbung sehen, welche einen 70-jährigen Herrn zeigt, der vorsichtig einen Porsche 911 aus der Tiefgarage seiner Privatbank manövriert. Neue und bestehende Porschefahrer wollen Werbung sehen, welche einen jungen, gutaussehenden Autorennfahrer zeigt, der bei Sonnenaufgang einen 911 über eine verlassene Passstrasse jagt. Die britische Marke Jaguar geht hier weiter und präsentiert sich ultramodern und einzigartig. Diese Neupositionierung ist riskant, könnte sich aber als visionäre und nachhaltige Strategie herausstellen.

Elektrojaguar als Extravaganz

Die moderne, woke Gesellschaft befindet sich in der Zwickmühle. Einerseits will man alte, weisse Männer loswerden. Andererseits ist man auf deren Finanzkraft angewiesen. Auf die stereotype Kritik am alten weissen Mann reagieren viele Betroffene locker. Manche befinden sich bereits in der Third Age Crisis und leisten sich aus Trotz besondere Extravaganzen. Mit einer neuen Harley-Davidson durchquert man Amerika. Mit Hilfe eines Sherpa-Teams reiht man sich in die Warteschlange unterhalb des Everest-Gipfels ein. Mit dem Kauf eines Porsche 911 GT3 RS hakt man einen weiteren Punkt auf seiner Bucket List ab. Und alternativ kann man demnächst mit dem Kauf eines schrillen, avantgardistischen Elektrojaguar den Nachbarn in die Rolle eines mutlosen Langweilers drängen.


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

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