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Politik & Wirtschaft •
Deutsche Autohersteller ziehen weiter

Fast 10 Millionen «deutsche» Autos entstehen nicht in Deutschland

Über 70 Prozent der Autos deutscher Automarken laufen im Ausland vom Band. Tiefere Lohnkosten und industriefreundlichere Regierungen locken immer mehr deutsche Autohersteller in Länder wie China, die USA, Marokko oder Spanien. Davon profitieren schlussendlich die Autokäufer.

Wer sich ein deutsches Auto leistet, erwartet deutsche Wertarbeit. Setzt man sich hinter das Lenkrad eines BMWs oder eines Mercedes, geht man davon aus, das qualitätsbewusste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Bayern oder Baden-Württemberg das hochwertige Auto gewissenhaft zusammengebaut haben. Vielen Käufern ist allerdings kaum bewusst, wie wenige «deutsche» Autos auch tatsächlich in Deutschland gebaut werden. Mehr als 70 Prozent der Neuwagen deutscher Automarken laufen aktuell im Ausland vom Band. Die Erwartung, dass ein BMW deutsch ist, entspricht heutzutage einem antiquierten Weltbild. Komplexe Wertschöpfungsketten funktionieren nur noch global.

Höhere Löhne, vorgezogene Renten

Die schlechte Nachricht vorab: In Deutschland produzierte Autos werden immer seltener. Demzufolge fallen immer mehr klassische Arbeitsplätze in deutschen Autofabriken weg. Im Worstcase-Szenario laufen in zwanzig Jahren nur noch Porsche 911 von heimatlichen Bändern. Die gute Nachricht lautet: Marokkanische, spanische, chinesische oder amerikanische Wertarbeit erzielt das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis. Während in den Wolfsburger VW-Werken leidenschaftlich über erhöhte Lohnforderungen und vorgezogene Renten diskutiert wird, sind die Menschen im westmarokkanischen Kenitra dankbar, wenn sie für einen Bruchteil des deutschen Monatslohns an der Entstehung eines Opel Rocks mithelfen dürfen.

Klimapanik statt Kundenbedürfnisse

In Deutschland liessen sich die Automanager von der linksgrünen Regierung in eine überstürzte Elektrifizierung drängen. Vor lauter Klimapanik wurden die wahren Bedürfnisse der Autokunden leichtfertig in den Wind geschlagen. Die Chinesen liessen sich nicht zweimal bitten. Mit kostengünstigen und innovativen Elektroautos drängten sie in hohem Tempo nach Europa. Ergebnis: heute werden in China 32% aller «deutschen» Autos produziert – mehr als in Deutschland selbst. Im BMW-Werk Shenyang werden die SUVs X1 oder der iX3 produziert. Im Mercedes-Benz-Werk in Peking laufen E-Klasse, C-Klasse, und die GLC und EQE SUVs vom Band. Mittlerweile sind in den chinesischen Autofabriken die Löhne gesunken. Die harte Realität: Ein Monatslohn von 300 Franken gehört zum Normalfall.

Deutsche SUVs aus China für China

Als Alfa Romeo voller Stolz seinen neuen, kompakten Elektro-SUV «Milano» präsentierte, reagierte die italienische Regierung gnadenlos: Weil der Milano im polnischen Werk Tychy vom Band läuft, untersagte Minister Adolfo Urso dem Autobauer Alfa Romeo den Bezug zu Norditaliens Metropole. Bei Milano denke man an ein italienisches und nicht an ein polnisches Auto, so Politiker Urso. Nun heisst der kleine Alfa-SUV «Junior». Bei den Modellen deutscher Automarken wirken die Namen weniger irreführend. Bei VW ID.4, BMW iX3 oder Mercedes EQE denkt man sowieso nicht an deutsche Städte. In Audis soeben erbautem, hochmodernen Werk FAW NEV Company in Changchun ist die Produktion des Audi Q6L e-tron angelaufen. Dieser SUV ist sowieso für den chinesischen Markt konzipiert.

Weniger als 30% aus Deutschland

Aufschluss, wo überall die Modelle deutscher Autohersteller produziert werden, gibt die
2023er-Statistik des Verbands der Automobilindustrie VDA. Von den gesamthaft erbauten 14'107'270 «deutschen» Autos liefen gerade einmal 4'109’371 von einheimischen Bändern. Dass sind weniger als 30 Prozent. Die restlichen 9'997'899 Autos entstanden rund um den Globus. Zu den wichtigen Produktionsstandorten der deutschen Autohersteller gehören neben China (32%) auch Nordamerika (12%), wobei 900'000 Autos in den USA entstehen. Allein im weltweit grössten BMW-Werk in Spartanburg (South Carolina) laufen jährlich über 400'000 BMW-SUVs vom Band. Immerhin 23 Prozent der deutschen Autos werden in europäischen Ländern produziert. Beispielseise in Tschechien (865'000 Autos), Spanien (804'000 Autos) oder Ungarn (351'000 Autos). Dass «deutsche» Autos, welche in anderen Ländern produziert werden, weniger hochwertig einzuschätzen sind, ist längstens widerlegt. 


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

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