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Bagatelle landet vor Gericht

Fahrer oder Halter – wer muss die Busse bezahlen?

Im Strassenverkehr kommt es schnell zu kleineren Gesetzesverstössen. Mit der Bezahlung einer kleinen Busse sind sie auch ebenso schnell erledigt – meistens. Eine Firma aus Deutschland musste sich am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Frauenfeld verantworten, weil die Busse für ein Firmenfahrzeug nicht bezahlt wurde.

Zu schnell gefahren. Zu lange oder falsch parkiert. Ein Rotlicht überfahren. Das sind alles Vergehen gegen das Strassenverkehrsgesetz. Sie haben im Normalfall aber keine schwerwiegenden Konsequenzen, weil sie im sogenannten Ordnungsbussenverfahren anonym erledigt werden können. Dieses Verfahren kommt bei Bussen bis 300 Franken zum Zug. Wird die Busse innert 30 Tagen bezahlt, ist die Sache erledigt. 

Täterkreis ist die ganze Belegschaft

Dem Gesetzgeber ist dabei egal, wer die Busse bezahlt. Sie wird grundsätzlich dem Fahrzeughalter zugestellt. Im Normalfall ist die im Fahrzeug eingetragene Person das Auto auch gefahren – aber nicht immer. 

In Familien kann es vorkommen, dass die Frau, der Nachwuchs oder andere Verwandte am Steuer sassen. Und wenn das Auto auf eine Firma zugelassen ist, umfasst der Täterkreis die gesamte Belegschaft. Ob Familie oder Unternehmen, der im Fahrzeugausweis eingetragene Halter muss sich darum kümmern, dass diejenige Person die Busse bezahlt, die den entsprechenden Verstoss begangen hat.

Was kann der Halter tun, wenn er nicht selbst am Steuer sass?

  1. Die Busse an die lenkende Person weiterreichen und sie auffordern zu zahlen.
  2. Den Betrag begleichen und die Summe bei der lenkenden Person einfordern.
  3. Die Person bei der Polizei mit vollständigen Namen und Adresse melden.

Familie schützen

Aber muss ich mein Familienmitglied oder Arbeitskollegen wirklich anschwärzen? Das  Schweizer Recht kennt das sogenannte Zeugnisverweigerungsrecht. Artikel 168 fortfolgende der Strafprozessordnung regeln, dass Ehe- und Lebenspartner sowie in direkter Linie verwandte Personen die Aussage verweigern können, um einander nicht zu belasten.

Der deutsche Maschineningenieur Franz-Josef Schulte-Wermeling hat diese Regelung in Zürich über Jahre ausgenutzt. Zusammen mit seiner Familie soll er sich um die Bezahlung von rund 800 Bussen gedrückt haben. Er argumentierte immer, er könne aufgrund des Zeugnisverweigerungsrechtes nicht sagen, wer aus der Familie gefahren sei. Geht man pro Busse von 40 Franken aus, dann brachte Schulte-Wermeling die Zürcher Behörden um mindestens 32’000 Franken. 

Die Halterhaftung für Bussen

Im Jahr 2005 macht der Tages-Anzeiger den Fall bekannt gemacht. Das rief sofort die Politik auf den Plan, die verlangte, diese Gesetzeslücke zu schliessen. 

Rund acht Jahre später trat am 1. Januar 2014 mit Artikel 7 des Ordnungsbussengesetzes die Halterhaftung in Kraft. Seither gilt schweizweit: Lässt sich eine Park- oder Geschwindigkeitsbusse keiner Person zuordnen, muss immer der Fahrzeughalter die Busse bezahlen.

Das gilt explizit auch, wenn ein Familienmitglied gefahren sein soll. Wer das Familienmitglied nicht mit Namen und Adresse nennt, muss die Busse selbst bezahlen. Die einzige Ausnahme ist, wenn jemand das Auto gegen den Willen des Halters nutzt, wenn es also gestohlen wurde. Seit dem 1. Oktober 2023 gilt diese Halterhaftung auch für juristische Personen, sprich Unternehmen.

Deutsche Firma drückt sich vor Busse

Deshalb musste sich diese Woche ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland vor dem Bezirksgericht Frauenfeld verantworten. Ein Fahrzeug der Firma war im Mai 2024 auf der Autobahn A7 bei Frauenfeld mit 145 statt der erlaubten 120 km/h geblitzt worden. Kostenpunkt gemäss Anhang der Ordnungsbussenverordnung: 260 Franken.

Die Firma soll angegeben haben, dass eine Person aus Nordmazedonien das Fahrzeug gefahren sei und nannte Namen sowie Wohnort. Die Ordnungsbussenzentrale informierte das Unternehmen darüber, dass die Informationen nicht ausreichten, um von der Halterhaftung befreit zu werden. Die Busse blieb unbezahlt, die Ordnungsbussenzentrale erstattete Anzeige und die Staatsanwaltschaft Frauenfeld erliess einen Strafbefehl, der STREETLIFE vorliegt. Damit kommen zur Busse von 260 Franken noch Verfahrensgebühren von 200 Franken. Das deutsche Unternehmen weigerte sich weiterhin, die Kosten zu begleichen und reichte Einsprache gegen den Strafbefehl ein.

Kurzer Prozess

Im Einspracheverfahren soll die Firma erneut eine Person aus Nordmazedonien mit Namen und Wohnort als Fahrzeuglenker genannt haben. Allerdings soll es ein anderer Name und ein anderer Wohnort gewesen sein als zuvor bei der Ordnungsbussenzentrale. Da sich der eigentliche Fahrzeuglenker damit immer noch nicht mit verhältnismässigem Aufwand feststellen liess, überwies die Staatsanwaltschaft den Fall an das zuständige Bezirksgericht Frauenfeld. Die Staatsanwaltschaft hält am Strafbefehl fest und fordert, die Firma habe die Busse sowie die Verfahrenskosten zu bezahlen. In der Überweisung, argumentiert die Anklagebehörde, dass die Angaben der deutschen Firma als Halterin nicht plausibel seien, weil sie unterschiedliche Namen zum Lenker angegeben habe.

Das Unternehmen mit Sitz in Deutschland konnte vorerst nicht erklären, wer im Mai 2024 das Fahrzeug auf der Autobahn A7 bei Frauenfeld gefahren ist. Dazu hätte die Firma gestern, Donnerstag, vor Gericht die Gelegenheit gehabt. Doch das Verfahren wurde kurzfristig verschoben. Ein Nachholtermin ist noch nicht bekannt. So lange bleibt die Schuldfrage offen und die Busse unbezahlt.

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