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22-Jähriger landet mit Auto in Haus
Überholen ist auf Schweizer Strassen erlaubt – wenn man niemanden dabei gefährdet. Gegen diesen Grundsatz hat ein 22-jähriger Thurgauer verstossen. Oder doch nicht? Sein Fall landete am Mittwoch erneut vor Gericht.
Den Führerschein hat er seit knapp zwei Monaten, das Auto gehört nicht ihm und seine Freundin sitzt auf dem Beifahrersitz. Der damals 22-jährige Thurgauer hätte im August 2020 jeden Grund gehabt, vernünftig und mit Bedacht zu fahren, als er im Kanton Thurgau auf der Hauptstrasse Hauptwil nach Bischofszell unterwegs ist.
Trotzdem überholt er den weissen BMW vor sich, wirft ihm die Staatsanwaltschaft Bischofszell vor und klagt ihn wegen qualifizierter Verletzung der Verkehrsregeln an. So steht es in der Anklageschrift, die STREETLIFE vorliegt. Die Stelle des Überholmanövers sei aber wegen einer Linkskurve und der Landschaft unübersichtlich gewesen, weshalb der Angeklagt nicht gesehen habe, ob andere Fahrzeuge entgegenkommen. Zudem sei er viel zu schnell gefahren und habe auf 143 statt der erlaubten 80 Kilometern pro Stunde beschleunigt.
Die Katastrophe nimmt ihren Lauf
Durch diese Ausgangslage habe der Junglenker gemäss Staatsanwaltschaft schliesslich die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Die Anklage beschreibt den weiteren Vorfall wie folgt: In der Kurve kommen dem 22-Jährigen plötzlich andere Autos entgegen. Der junge Mann kann gerade noch auf die rechte Strassenseite zurückkehren. Aber nur weil die entgegenkommenden Fahrer stark abbremsen, lässt sich eine Kollision verhindern.
Daraufhin gerät der 22-Jährige auf seiner Seite der Strasse ins Schlingern, kommt in der Kurve von der Strasse ab und verliert die Kontrolle über die Sportversion der Mercedes A-Klasse. Das Fahrzeug rutscht über eine Wiese und überquert eine weitere Strasse. Auch dort muss ein anderer Autofahrer abrupt bremsen, um eine Kollision zu verhindern. Erst ein Haus und ein parkiertes Auto stoppen den Mercedes.
Überholen ist gesetzlich geregelt
Damit habe der damals 22-Jährige mehrere grobe Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz begangen. Darunter gegen Artikel 35 SVG, der regelt, unter welchen Umständen in der Schweiz Überholen erlaubt ist. So muss die Strecke übersichtlich sein, der Gegenverkehr darf nicht behindert werden, und vor unübersichtlichen Kurven ist überholen verboten. Diese Voraussetzungen waren beim Überholvorgang des Angeklagten nicht gegeben. Wegen der hohen Geschwindigkeit spricht die Anklageschrift von einem «waghalsigen Überholmanöver».
Berufung eingelegt
Der Beschuldigte hingegen bestreitet den Vorwurf, an dieser Stelle ein waghalsiges Überholmanöver vorgenommen zu haben, vehement. Das sahen die Richter am Bezirksgericht Weinfelden Anfang 2024 allerdings anders und sprachen ihn schuldig. Sie verurteilten ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten sowie ein Busse von 2000 Franken, wie es die Staatsanwaltschaft Bischofszell gefordert hatte.
Dieses Urteil hat der heute 26-Jährige gestern am Thurgauer Obergericht angefochten. Er verweigerte grossmehrheitlich die Aussage und liess seine Verteidigerin für sich sprechen. Diese machte unter anderem Verfahrensfehler geltend und will das Gutachten abweisen, welches die mutmassliche Geschwindigkeit des Angeklagten beim Überholmanöver ermittelte. Mit 143 Kilometern pro Stunde liegt das Tempo drei km/h über dem Grenzwert für ein Raserdelikt auf einer Ausserortsstrecke. Das nicht zulässige Gutachten belaste ihren Mandaten fälschlicherweise als Raser. Weiter bestreite der Angeklagte, überholt zu haben. Die Verteidigung forderte deshalb einen Freispruch.
Der Staatsanwalt erwiderte, die Verteidigung suche zwar nach Verfahrensfehler, habe aber keine inhaltliche Kritik am Sachverhalt. Er hielt an seinem Antrag fest und forderte, die Berufung abzuweisen und das Urteil des Bezirksgericht Weinfelden zu bestätigen. Das Obergericht zog sich am späteren Nachmittag zur Beratung zurück und wies die Berufung des Angeklagten schliesslich ab. Die drei Richter bestätigten das Urteil des Bezirksgericht von einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten sowie einer Busse von 2000 Franken. Weiter muss der Beschuldigte auch die Verfahrenskosten von über 30'000 Franken bezahlen.

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