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Bauer fährt betrunken Böschung hinunter – und flieht
Die Buchenegg-Passstrasse im Kanton Zürich ist eng und kurvenreich. Wer mit dem Auto hier hoch- und runterfährt, braucht volle Konzentration. Das hinderte einen Bauer aber nicht daran, sich betrunken ans Steuer zu setzen, wie ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. Heute steht er dafür vor Gericht.
Es war ein lauer Sommerabend an diesem Samstag, den 9. Juli 2022. Kurz vor 22 Uhr macht sich Paul R.* auf den Nachhauseweg. Er setzt sich ans Steuer seines Toyotas und fährt los. «Nach dem Konsum von alkoholischen Getränken», wird ihm die Untersuchungsbehörden später vorwerfen. So steht es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, die STREETLIFE vorliegt. Dafür muss sich der Landwirt heute vor dem Bezirksgericht Horgen verantworten. Und es droht ihm eine harte Strafe. Die Anklage will ihn für 10 Monate ins Gefängnis schicken. Ohne Bewährung und obwohl sie ihm die vermeintliche Blaufahrt gar nicht mehr im Detail nachweisen kann.
Doch der Reihe nach. Paul R. ist an diesem Samstag von Langnau am Albis her auf der Bucheneggstrasse unterwegs. Die Strasse ist kurvenreich und eng. Eine anspruchsvolle Passstrasse im Kanton Zürich. Auf einer Länge von wenigen Kilometern überwindet man schnell 300 Höhenmeter. 2003 fand hier das legendäre Albis Bergrennen statt.
Mit Platten weitergefahren
Unter Alkoholeinfluss erhöht sich der Schwierigkeitsgrad der Strecke enorm. An diesem Abend ist die Strasse für den 37-jährigen Landwirt offensichtlich zu anspruchsvoll. Er kollidiert kurz vor der Passhöhe mit einer Stützmauer. Dabei wird sein rechter Vorderreifen aufgeschlitzt, Fahrzeugteile werden abgerissen. Das habe er bemerkt, hält die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift fest. Doch das habe ihn nicht davon abgehalten, die Fahrt fortzusetzen. So habe er zurückgesetzt und sei mit dem Platten weitergefahren.
Weit kommt der Landwirt aber nicht mehr. In einer folgenden Kurve verliert er erneut die Kontrolle über das Fahrzeug, kommt von der Strasse ab, fährt eine Böschung hinunter und kollidiert dort mit einem Gebüsch und Bäumen, bis das Auto steht.
Doch der 37-Jährige holt keine Hilfe und alarmiert auch nicht die Polizei. Er entscheidet sich für eine andere Lösung: Er flieht und lässt das Auto zurück. «Der Beschuldigte lief an seinen Wohnort, ohne sich um den entstandenen Sach- und Drittschaden zu kümmern», hält die Anklage fest. Und weiter: «Dadurch, dass der Beschuldigte sich von der Unfallstelle entfernte, verhinderte er, dass die in diesem Fall zu orientierende Polizei unverzüglich einen aufgrund des Unfallhergangs und der späten Abendstunde mit hoher Wahrscheinlichkeit durchzuführenden Atemalkoholtest machen und so die Fahrunfähigkeit hätte feststellen können.»
Verhaftung nach Mitternacht
Anhand der registrierten Autonummer ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis die Polizei an seiner Haustüre klingelt. Der Landwirt wird noch in derselben Nacht gegen 1.30 Uhr verhaftet und zur Befragung auf den Polizeiposten gebracht. Und auch jetzt vereitelt der Beschuldigte ein sicheres Test-Ergebnis. Er gibt an: Aus lauter Schock über den Unfall habe er zuhause noch Alkohol getrunken. Gemäss Staatsanwaltschaft habe so der Alkoholwert während der Tatzeit nicht mehr erstellt werden können.
Auch wenn eine Blaufahrt nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, ist die Liste der Anklagepunkte lang. So wird der 37-Jährige des vorsätzlichen Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges, der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall und der mehrfachen Verletzung der Verkehrsregeln beschuldigt.
«Ich habe Mist gebaut. Es tut mir leid»
Vor dem Richter zeigt sich der beschuldigte Paul R. am Mittwochmorgen reflektiert und reumütig. «Ich habe das Trinken stark reduziert», meint der dreifache Vater gegenüber dem Richter des Einzelgerichts Horgen ZH. Er fügt an: «Ich denke jetzt vorher darüber nach, wie ich nach Hause komme und trinke nur noch am Wochenende zwei, drei Bier.»
Tatsächlich stand der 37-Jährige Zürcher nicht zum ersten Mal vor Gericht. Bereits in der Vergangenheit wurde er mehrfach wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt und stottert noch heute Bussgelder ab. Ein forensisch-psychologisches Gutachten, welches dem Richter vorliegt, macht zudem klar: Das Wiederholungsrisiko sei gross und der Beschuldigte sei sich der schwere seines mutmasslichen Alkoholproblems nicht bewusst. Die Empfehlung der Gutachterin: Komplette Alkoholabstinenz und ein Besuch einer Suchtentzugsmassnahme.
Der Verteidiger stimmt der Empfehlung zu. Dennoch solle auf eine Haft verzichtet werden, wie er geltend macht. «Mein Mandant ist bereits proaktiv dran, an seinem Suchtproblem zu arbeiten.» Und auch Paul R. beteuert: «Ich habe Mist gebaut und es tut mir sehr leid. Ich tue alles, um es wieder gut zu machen.»
Um 10.15 Uhr dann das Urteil: Paul R. wird zu einer unbedingten Haftstrafe von 10 Monaten und einer Busse von 300 Franken verurteilt. Die Haftstrafe wird zugunsten einer Massnahme aufgeschoben
* Name der Redaktion bekannt
Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit
Das sagt das Strassenverkehrsgesetz unter Art. 91a Abs. 1:
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer sich als Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Blutprobe, einer Atemalkoholprobe oder einer anderen vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung, die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung gerechnet werden musste, oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzogen hat oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt hat.
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