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Staatsanwältin fordert 15 Monate Gefängnis

22-Jähriger driftet vor dem Gubristtunnel

Es war eine reine Angeberfahrt. Ein 22-jähriger Schweizer wollte seinem Mitfahrer zeigen, wie er die Räder seines teuren BMWs durchdrehen lassen kann. Dumm nur: Der Junglenker wählte dafür einen der meistbefahrenen Streckenabschnitte der Schweiz.

Das ist definitiv kein Lausbubenstreich, so das Resultat der Untersuchungsbehörden. «Der Beschuldigte nahm das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern in Kauf», schreibt die Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland in ihrer Anklageschrift, die STREETLIFE vorliegt. Und weiter: «Das derart massive Beschleunigen zu Testzwecken auf einer öffentlichen und nicht abgesperrten Strasse» sei extrem gefährlich, auch deshalb, weil «andere Verkehrsteilnehmer nicht mit einer derartigen Fahrweise rechnen.»

Es sind deutliche Worte der Anklagebehörde, welche die Fahrt des Junglenkers in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 2023 beschreiben. Eine Fahrt, die für ihn jetzt Konsequenzen hat: Der 22-jährige Sachbearbeiter muss sich heute vor dem Bezirksgericht Dielsdorf ZH verantworten.

Räder durchdrehen lassen

Doch was wird dem Zürcher genau vorgeworfen? An diesem Sonntagabend im Winter 2023 ist er – mit einem Freund auf dem Beifahrersitz – im Auto unterwegs. Er sitzt am Steuer eines 510 PS starken BMW M3 Competition M xDrive. Die jungen Männer testen den Wagen auf Herz und Nieren. Sie suchen das Abenteuer und reizen die Möglichkeiten aus.

Dann werden sie übermütig und es scheint fast, als wollten sie den Stuntmen der Racing-Filmreihe «Fast & Furious» Konkurrenz machen. Dazu gehört auch, dass sie den Sicherheitsassistenten DSC (die Stabilitäts- und Traktionskontrolle, Anm. d. Red.) deaktivieren. Die Folge: Das Auto bewegt sich nur noch mit reinem Heckantrieb. 

Kurz nach 1 Uhr lenkt der 22-Jährige den Wagen bei Regensdorf ZH auf die Autobahnauffahrt in Fahrtrichtung Bern. Nur wenige hundert Meter vor dem Gubristtunnel beschleunigt er das Fahrzeug massiv. Er will «wissentlich und willentlicht», so die Staatsanwaltschaft, die hinteren Antriebsräder durchdrehen lassen und das Auto zum Driften bringen. «Das tat der Beschuldigte aus Spass und ohne Notwendigkeit, um vor seinem Mitfahrer zu prahlen.» Der junge Lenker hat das PS-starke Auto aber nicht unter Kontrolle. In einer Rechtskurve bricht das Heck aus, der Wagen dreht sich um die eigene Achse und kommt schliesslich entgegen der Fahrtrichtung – und auf der Leitplanke aufgebockt – zum Stillstand. 

Antrag liegt höher als Mindesstrafe

Was für den 22-Jährigen in dieser Nacht Spass war, findet die zuständige Staatsanwaltschaft alles andere als lustig. Sie klagt ihn wegen der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln, eines sogenannten Raserdelikts, an. Hier sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor. Die Anklagebehörde geht in diesem Fall höher: Sie fordert 15 Monate.

Ein wichtiger Faktor dürfte hier sicherlich der gewählte Ort der Raserfahrt sein. Die A1 vor dem Gubristtunnel passierten 2023 rund 120'000 Fahrzeuge pro Tag. Das ist der vierthöchste Wert auf einem Schweizer Strassenabschnitt. Mehr Verkehr gab es nur noch auf der A1 bei Wallisellen ZH und bei Neuenhof AG sowie auf der A2 bei Muttenz BL. Auch nachts sind vor dem Gubristtunnel in regelmässigen Abständen Fahrzeuge unterwegs, was das Risiko einer Kollision bei fehlbarer Fahrweise erhöht.

Die Staatsanwaltschaft will deshalb nicht bloss eine Strafe, sie will das Rückfallrisiko beim Beschuldigten reduzieren. Er soll ein psychologisches Lernprogramm absolvieren. Dabei handelt es sich um ein Programm (siehe Box), das extra für Personen, die mit einer risikoreichen Fahrweise aufgefallen sind, entwickelt wurde.

Während des Prozesses am Dienstag zeigte sich der Beschuldigte geständig: «Es war eine sehr dumme Aktion. Eine einmalige Sache, die ich bis heute sehr bereue.» Dem Richter verspricht er: «Ich werde in Zukunft meine Finger von Assistenzsystemen lassen.»

Seit dem Drift-Vorfall vor dem Gubristtunnel ist der Junglenker zu Fuss unterwegs. Der BMW stehe stillgelegt in der Garage, wie er vor Gericht erzählt. «Meine Schwester fährt in ab und zu, damit er nicht kaputt geht.» Er hoffe jetzt, sich bald wieder selbst ans Steuer setzen zu dürfen.

Tatsächlich dürfte das aber noch etwas dauern. Das Gericht verurteilt den 22-Jährigen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Die Strafe liegt damit etwas tiefer als die von der Staatsanwaltschaft geforderten 15 Monate. Zudem wird ihm eine Busse von 2000 Franken auferlegt und er ist verpflichtet am Lernprogramm teilzunehmen. «Driften gehört weder auf die Strasse, noch in den öffentlichen Verkehr. So etwas dulden wir nicht einmal von Profis», so der Richter abschliessend.

 

«START» soll das Rückfallrisiko minimieren

Der Justizvollzug und die Wiedereingliederung des Kantons Zürich bieten das Lernprogramm «START» an. Es wurde für Verkehrsteilnehmende entwickelt, die eine grobe Verkehrsregelverletzung begangen haben. Es hat zum Ziel, das Rückfallrisiko für ein Strassenverkehrsdelikt zu mindern. 

Das Lernprogramm findet in Gruppensitzungen mit total 12 Teilnehmenden statt. Und es besteht aus 12 Gruppensitzungen à 2 Stunden. Danach folgen drei Einzelsitzungen.

In den Therapiestunden lernt die verurteilte Person Strategien zu entwickelt, die dafür sorgen, dass es künftig nicht mehr zu solchen Fahrten kommt. Es wird eine aktive Teilnahme verlangt. Wer sich in den Sitzungen verweigert, bei dem wird die Massnahme in eine andere Sanktion umgewandelt.

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