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Dreister Leasing-Betrug – 76-Jähriger gilt als Drahtzieher
Die Masche ist so kompliziert, dass sie damit fast alle täuschen konnten. Beim Verkauf und Rückkauf eines Mercedes manipulierten die Betreiber eines Limousinenservices den Kilometerstand des Wagens. Die erschwindelte Wertsteigerung liessen sie sich durch die Leasing-Bank vergolden. Am Freitag standen sie als Beschuldigte vor Gericht.
Bei den Männern handelt es sich um einen 76-jährigen Schweizer und einen 41-jährigen Bosnier. Das Bezirksgericht Bülach verurteilte sie im April 2023 bereits in erster Instanz. Der Richter kam damals zum Schluss: Beide haben sich des Betrugs schuldig gemacht, allerdings sprach er sie in einem Punkt frei. Die Folge: Der Entscheid reduzierte das von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafmass deutlich. Die zog den Fall an die nächste Instanz weiter.
So kommt der dreiste Leasing-Betrug erneut vor Gericht. Und der hat es in sich: Der Fall ist so kompliziert aufgebaut, dass er sogar die Leasing-Prüfer bei der Bank täuschen konnte. Ein spannendes Betrugskonzept, das sich gemäss Experten in der Schweiz häufiger abspielt als bisher angenommen. Aber schön der Reihe nach.
65'700 statt 111'900 Kilometer
Im Fokus steht ein Transport- und Limousinenservice mit Sitz in Opfikon ZH. Seit 2016 führt das Unternehmen Fahrten von und zum Flughafen Zürich-Kloten durch. Bei der Firma handelt es sich um eine Aktiengesellschaft. Gemäss Handelsregister-Eintrag verfügte der heute 76-jährige D.* dort zeitweise über die Einzelprokura, der zweite Beschuldigte A.* war Mitglied des Verwaltungsrates. Zum Tatzeitpunkt waren beide Männer stark mit dem Unternehmen verbunden. Das war im Frühling 2019.
In den polizeilichen Einvernahmen geben die Männer an: Die Firma befand sich damals in finanzieller Schieflage. Es fehlte an liquiden Mitteln. Mit Hilfe einer teuren Luxuslimousine, einem Mercedes-Benz E220 CDI, wollten sie das schnell ändern.
Gemäss der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bülach und dem erstinstanzlichen Urteil – beide Dokumente liegen STREETLIFE vor – nimmt der Fall am 13. Mai 2019 Fahrt auf. An diesem Tag löst Verwaltungsratsmitglied A. den Mercedes aus der Firmenmasse und immatrikuliert den Wagen auf seinen Namen. Weil er kaum Deutsch spricht, lässt er sich dabei eng von D. beraten. D. ist es auch, der mit einem bekannten Garagisten Kontakt aufnimmt.
Das Ziel: Der Wagen soll über einen Leasingvertrag mit einer Bank wieder in die Firma zurückgeführt werden. Also verkaufen die Männer den Wagen an den Garagisten – und manipulieren den Kilometerstand des Wagens. Statt der eigentlichen 111'910 Kilometer auf dem Tacho, geben sie lediglich 65'700 an. Für überteuerte 32'500 Franken verkauft D. das Auto dem Garagisten.
Leasing-Bank wird um 30'000 Franken geprellt
Ein Bschiss, der mit dem Kaufvertrag zum Fakt wird. Der Mercedes wird von da an nur noch mit den 65'700 Kilometern geführt. Das gilt auch für den Leasing-Antrag, den der Garagist noch am gleichen Tag bei der Bank stellt. Bereits am nächsten Tag «kauft» die Firma das Auto zurück. Als Rückkaufpreis geben die Männer die Summe von 34'000 Franken an.
Die Bank prüft die Verkaufsunterlagen und geht gemäss Anklageschrift von diesem Fahrzeugwert aus. «Die Bank ging die vertragliche Verpflichtung ein und liess die Leasingsumme (34'000 Franken, Anm. d. Red.) auszahlen», wie es weiter heisst. «Dadurch entstand der Geschädigten ein Schaden in der Höhe von 29'168.50 Franken.» Wie die Ermittlungen zeigten, blieben 32'500 Franken des Geldes bei den Männern. Der Garagist erhielt eine Provision von 1500 Franken.
Doch damit endet der Fall noch nicht. Gemäss Staatsanwaltschaft versuchen die Männer einen weiteren Betrug.
Am 7. September 2019 sorgt der Mercedes-Benz E220 CDI erneut für Aufsehen. Verwaltungsratsmitglied A. meldet den Wagen bei der Polizei als gestohlen. Er sei in der Nacht vom Firmenparkplatz in Opfikon weggekommen. Von den Tätern fehle jede Spur, Hinweise gebe es keine, wie er aussagt. Kurz darauf stellt er bei der zuständigen Versicherung einen Antrag auf Entschädigung. Jetzt allerdings schöpft die Polizei Verdacht. Die Kantonspolizei Zürich informiert die Versicherung, die Zahlung wird gestoppt.
Im Untersuchungsverfahren beschuldigten sich die Männer gegenseitig. Verwaltungsratsmitglied A. gibt an, dass er aufgrund des Sprachdefizits vor allem nur ausgeführt habe. Den Deal eingefädelt habe aber der 76-jährige Kollege, er sei quasi der Kopf des Coups gewesen. Der wiederum streitet ab, in der Firma überhaupt noch eine Rolle gespielt zu haben. Er habe lediglich übersetzt.
Die Staatsanwaltschaft klagt die Männer im Fall des Leasings-Vertrags wegen Betrugs und im Fall des Diebstahls wegen versuchten Betrugs an. Ein weiterer Anklagepunkt: Sie liessen einen Mitarbeiter Fahrten ohne die dafür nötige Bewilligung durchführen. Die Anklagebehörde fordert deshalb für beide: Eine bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten sowie eine Busse von 1500 Franken.
Konkursverfahren abgeschlossen
Das Bezirksgericht Bülach hingegen sah beim versuchten Betrug den subjektiven Tatbestand als nicht erfüllt. Nicht die Beschuldigten hätten von der Zahlung der Versicherung profitiert, sondern die Leasing-Bank, womit die Bereicherungsabsicht wegfalle. Deshalb wurden die Männer in diesem Punkt erstinstanzlich freigesprochen. Ob das Zürcher Obergericht diesem Urteil folgt oder nicht, bleibt auch am Prozess am Freitag zunächst unklar. Das Gericht verzichtete auf eine mündliche Urteilsverkündung und verzwies auf den schriftlichen Weg.
Die betroffene Aktiengesellschaft existiert mittlerweile nicht mehr. Die Firma wurde liquidiert. Im Januar hat das zuständige Konkursgericht das Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt. Allerdings bietet ein neues Unternehmen unter ähnlichen Namen und gleichem Firmensitz weiterhin Limousinenfahrten an.
* Namen der Redaktion bekannt

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