Zum Hauptinhalt springen

Werbung

Verkehr •
Wieso sind SUV so gefragt?

Die Mär vom bösen SUV

Kein Autosegment polarisiert so sehr: SUV gehen weg wie warme Weggli, aber Städte wie Paris wollen sie aussperren. Das wirft Fragen auf: Warum werden SUV gerne gekauft? Sind sie schlechter für die Umwelt und demontieren die E-Mobilität? Und wer hats erfunden? STREETLIFE auf der SUV-Spur.

Rumms! Manchmal kann man Autosegmente lautmalerisch zusammenfassen. Rumms macht es, wenn man sich im Familienkombi am Trottoir den Frontspoiler ruiniert – einer der Gründe, warum der Kombi heute oft vom SUV abgelöst wird. Rumms macht es, wenn man hoch oben sitzend einen Poller übersieht: Nicht alles an SUV ist besser. Und Rumms macht es auch oft in den Köpfen, wenn ein neues SUV-Modell erscheint. Dies auf beiden Seiten: Autokäuferinnen und -Käufer lieben sie, doch gerade Stadtbewohnende hassen sie oft.

Die SUV sind umstritten wie keine Autokategorie. Selbst Supersportwagen kassieren weniger böse Blicke. Die Folgen sind deftig: In Paris gab es eine Volksabstimmung, um SUV auszusperren. Hört man. Stimmt aber nur halb: Anwohner dürfen bleiben, nur steigt ab 1,6 (Elektroautos 2,0) Tonnen die Parkgebühr für Auswärtige aufs Dreifache. Auch in Deutschland wird derlei zum Thema. Hierzulande gab es die Anti-Offroader-Initiative (nach Gegenvorschlag vom Bund zurückgezogen). Aber: Auch bei uns werden weiter Anti-SUV-Pläne gehegt.

SUV sind einfach höher, nicht grösser

Eigentlich verrückt, denn sowohl global wie europaweit wie in der Schweiz sind die Hälfte aller Neuwagen-Verkäufe SUV. SUV heisst Sport Utility Vehicle, also Sportnutzfahrzeug – ein praktisches Freizeitauto. Doch wie man es definiert? Als Hauptmerkmal gelten: selbsttragende Karosserie (also kein Rahmen mit Karosserie wie bei «echten» Geländewagen). Und Höhe. Da gehts los: Ist ein Cupra Formentor mit 1,51 Meter Höhe ein SUV? Der E-Kompakte Cupra Born ist drei Zentimeter höher! Allradantrieb als Kriterium? Haben viele nicht.

Geht es gegen SUV, wird das oft an der benötigten Verkehrsfläche festgemacht. Nur ist auch das leider nicht sinnvoll: SUV sehen grösser aus, sind aber vor allem höher. Beispiele: Der neue 5er-BMW misst 5,06 Meter Länge, der X5 aber nur 4,94 Meter; ein Hyundai Kona 4,35 Meter, das «normale» Pendant i30 auch 4,34 Meter. Was stimmt: In den letzten 20 Jahren sind Neuwagen im Schnitt 20 Zentimeter länger, zehn Zentimeter breiter und sieben Zentimeter höher geworden – und 20 Prozent schwerer. Das liegt aber nicht nur an SUV.

Wieso kaufen wir gerne SUV?

Die Wissenschaft sagt nach allerlei Studien: Ein SUV gelte vor allem Männern als ein Erfolgssymbol. Frauen schätzen an SUV das Gefühl der Sicherheit. Geschlechtsunabhängig wird geschätzt, dass SUV einen aktiven Lebensstil ausstrahlen. Hinzu kommen praktische Gründe: SUV nehmen einen Feldweg nicht krumm, bieten viel Platz für Freizeit und Familie, und die Einstiegs- und Sitzhöhe – also auch die Übersicht – sind angenehm.

Fragt man Autohersteller, heisst es: Wir bauen SUV, weil die Kundschaft sie will. Allerdings ist das wie stets ein Henne-Ei-Effekt: Trends wie die SUV entstehen im Wechselspiel zwischen der Suche der Autobauer nach neuen Marktsegmenten und der dadurch ausgelösten Lust der Kundschaft auf etwas Neues. Bei SUV laut Studien wichtig: Sie vermitteln Abenteuergeist und Dynamik und wirken, da höher, schlicht eindrucksvoller.

Gewicht ist eher Challenge als Problem

Was stimmt: SUV sind tendenziell schwerer und weniger aerodynamisch. All dies erhöht den Verbrauch und senkt Reichweiten, was in Zeiten der CO2-Strafen und E-Mobilität heikel ist. Darum schrumpft der Abstand jüngst dank Leichtbau und Effizienzmassnahmen, und immer mehr neue SUV sind nun Crossover, also eher «normale» Autos im SUV-Look. Ein Beispiel: Toyota Yaris und SUV-Version Yaris Cross; ab 3,3 l/100 km für 1210 Kilo und ab 4,4 l/100 km für 1295 Kilo. Richtig, das ist mehr. Aber richtig ist auch: Sparsam sind beide. Der SUV wird wegen Optik und Platz gekauft. Gäbe es ihn nicht, würde eher ein noch grösseres Auto gekauft.

Vor allem aber sind SUV eben die automobilen Trendsetter, weshalb viele Autohersteller genau damit eben nennenswerte Stückzahlen bei der Elektromobilität erreichen wollen; erst langsam kommen nun vermehrt «normale» Limousinen und Kombis, die – Stichworte Raumausnutzung in Kombis, tiefer Schwerpunkt – ja weiter ihre Fans und Vorteile haben. Aber die Reichweite? Das «normale» Tesla Model 3 lief prima, bis das Model Y kam und ihn als Bestseller ablöste. Der SUV ist über 200 Kilo schwerer und geräumiger. Reichweite: 533 statt 629 Kilometer (WLTP). Das mag zwar ein Nachteil sein. Aber Kundinnen und Kunden ist es das wert.

Wer hat den SUV erfunden?

Wie fast jedes erfolgreiche Autosegment schreiben sich dessen Erfindung viele Automarken zu. Aber jeder Erfolg hat viele Eltern. Der Trend kam in den 1980er-Jahren gen USA auf, schwappte im Jahrzehnt darauf zu uns und verfestigte sich in den 2000er-Jahren zum Boom. In den 2010er-Jahren verdoppelte sich der SUV-Bestand! Heute geben erste Hersteller schon Nicht-SUV-Modelle auf – die lohnen sich schlicht nicht mehr.

Wer waren die Pioniere? Viele, und darüber könnte man lange debattieren. Geistige, wenngleich wegen der Konstruktion nicht technische Väter der SUV waren der Jeep Wagoneer (1963), der Range Rover (1970) und auch der Schweizer Monteverdi Safari (1976). Als jenes Auto, das den Trend in bürgerlichen Segmenten zur Normalität machte, gilt der Toyota RAV4 (seit 1994); in der Nobelliga war es die Mercedes M-Klasse von 1997.

Viele SUV-Pioniere dagegen blieben glücklos, weil sie ihrer Zeit zu weit vorausfuhren. Dies gilt etwa für den American Motors Corporation (AMC) Eagle (1979), der die bereits sterbende Marke nicht retten konnte. Oder in Europa einen Urahn der City-SUV (also Robustlook, aber kein Allrad), den französischen Matra-Simca bzw. Talbot-Matra Rancho ab 1977. Er sollte Simca-Talbot mit sanieren, aber floppte und läutete das Ende mit ein.

Leserreporter

Hast du etwas beobachtet?

Schicke uns deine Bilder und Videos! Bei unseren Lesern ist immer etwas los, doch unsere Reporterinnen und Reporter können nicht überall sein. Und hier kommst du ins Spiel: Hast du etwas beobachtet oder möchtest du uns etwas mitteilen, das nur du weisst? Schicke uns deine Bilder und Videos per WhatsApp unter 077 279 72 56 direkt in unsere Redaktion.

Werbung