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Die französische Krawallschwester
Die 1085 Kilo leichte Alpine A110R inszeniert die Gangwechsel mit lautem Knattern und Ballern. Ab 6000 Umdrehungen erfüllt metallisches Kreischen den Motorraum des ultraleichten Sportwagens. Die Fahrdynamik der Alpine begeistert viele Motorsportfreunde.
Die Alpine A110R erinnert stark an eine jugendliche, französische Krawallschwester, welche ihrem Umfeld durch ihr lautes, aufmüpfiges Verhalten mächtig auf den Wecker geht. Unterwegs in der Alpine spürt man genervte Blicke von Mitmenschen, welche kreischenden und knatternden Motorengeräuschen nur eingeschränkte Begeisterung entgegenbringen können.
Kopfschütteln
Als die Alpine A110R in einem abgelegenen Luftkurort oberhalb des Wehratals das Herunterschalten mit einem vierfachen Knattern akustisch dramatisiert, schütteln die Teilnehmer einer Wandergruppe mit ihren Köpfen. Aber die französische Krawallschwester sorgt auch für Bewunderung. Velofahrer heben ihre Daumen hoch. Bei der Vorfahrt zum AlpenGold-Hotel in Davos gibt es vom Empfangspersonal, von anderen Gästen und von einer Kinderschar viel Wohlwollen. Die kompakte, muskulöse Rennflunder in der legendären Lackierung Bleu Racing Mat zieht die Blicke auf sich.
Vierfaches Knattern
Die französischen Ingenieure haben dafür gesorgt, dass der turbogeladene 1,8 Liter Mittelmotor im Zusammenspiel mit dem 7-stufigen DKG-Getriebe das Herunterschalten sehr oft mit einem vierfachen Knattern inszeniert. Ratatatam. Ratatatam. Manchmal klingt das fast zu monoton. Mehr akustische Abwechslung hätte nicht geschadet. Ein Wechsel zwischen einer fünffachen Ballerorgie oder einem markanten Doppelknall hätten dem Hörgenuss nicht geschadet. Wenn aber die französische Krawallschwester bei 6'000 Umdrehungen mit metallischem Kreischen eine provokante Geräuschkulisse in die Landschaft zieht, wird Motorsportlern warm ums Herz.
Karbonfetischisten
Die Alpine A110R ist ein wunderschön gestalteter, ultrakompakter Sportwagen, welcher die legendäre Rally-Montecarlo-Siegerin Alpine A110 aus den 1970er Jahren designmässig zitiert. Die Alpine gehört zu den coolen Trendsettern, welche motorenmässig nicht auf brutale Leistung setzen, sondern ihre Fahrdynamik durch Leichtgewicht erreichen. Karbonfetischisten kommen bei der Alpine voll auf ihre Rechnung. Frontschürze, Motorhaube, Seitenschweller, Spoiler und Dach bestehen aus der Karbonfaser. Sogar die Heckscheibe musste der französischen Diät weichen und wurde durch eine Karbonschale ersetzt. 41 Kilo leichter ist die A110R gegenüber dem Basismodell geworden, welches 47'000 Franken weniger kostet und 48 PS weniger leistet.
Festgezurrt im Wettkampfgurt
Hat man sich in den Sabelt Karbon-Schalensitz gezwängt und sich mit dem 6-Punkt-Wettkampfgurt festgezurrt, fühlt man sich mit der Krawallschwester eng verbunden. Zur Teststrecke habe ich die Wehraschlucht ausgewählt, welche in der Nähe von Rheinfelden nach Todtmoos im Schwarzwald hochführt. Die enge, kurvige, ruppige Strasse ist voll Alpine-Style. Die 300 PS, welche auf die Hecktrieblerin einwirken, flössen beim Herausbeschleunigen aus Kurven gehörig Respekt ein.
Hyperdynamisches Fahrwerk
Beherzt unterbindet die Elektronik die Nervosität im Heckbereich. Die 215er-Vorderreifen wirken ein wenig filigran. Aber nach dem Einbremsen in die Kurven, wenn die Last auf die Vorderachse gestiegen ist, zieht die A110R herrlich sicher in die Kurve. Oft markieren die strassennahen Felsen der Wehraschlucht die Scheitelpunkte der Kurven, bei denen man bereits wieder am Gas hängen darf. Das tiefgelegte, hyperdynamische und scharfe Fahrwerk verdient Höchstnoten.
Muskelkater im Nackenbereich
Beim Herausbeschleunigen aus weiten Kurven könnte die Alpine mehr Leistung vertragen. Der Motor, direkt hinter dem Rücksitz platziert, wirkt zwar agil aber löst beim Fahrer keinen Flash aus. Die flache Alpine A110R bereitet in kurvigen Gebieten oder auf Rundkursen sehr viel Spass. Die gewaltigen Bremsscheiben und die blaulackierten Brembo-Bremssättel sorgen für rabiate Verzögerungen. Unterwegs mit der A110R verliert man völlig das Zeitgefühl. Das Kurvenspektakel generiert einen so hohen Unterhaltungswert, dass man kaum realisiert, wie die Fliehkräfte auf die Muskeln einwirken. Nach der intensiven Testfahrt meldet sich im Nackenbereich ein gehöriger Muskelkater.
Himmelfahrtskommando
Gibt es auch Negativpunkte? Nur wenige. Die Verarbeitung einiger Kunststoffteile im Cockpit entspricht nicht dem Verkaufspreis von CHF 116'000. Die eckigen Plastikschalter wirken kostengünstig. Im Bereich der Karbon-Heckabdeckung nervt ein leichtes Scheppergeräusch. Und als ich mir in der Raststätte Grauholz ein Red Bull hole, parkieren ein Ducato von DHL und ein VW T6 direkt neben der winzig wirkenden Alpine. Die Sicht auf beide Seiten ist unmöglich. Weil zudem durch die Karbonabdeckung die Sicht nach hinten versperrt ist, wäre das Herausfahren rückwärts ohne die freundliche Mithilfe des winkenden DHL-Fahrers ein Himmelfahrtskommando gewesen.
Fazit
Die französische Krawallschwester lässt sich nur auf solvente Gönnerinnen und Gönner ein. Für einen Sportwagen mit einem 300 PS starken 4-Zyliner-Turbomotor sind CHF 116'000 ein stolzer Preis. Aber das Konzept des ultraleichten Karbon-Sportwagens im auffälligen Design besticht. Das Knattern beim Herunterschalten wirkt etwas monoton, aber der Sound aus dem Auspuffsystem mit zentralem Doppelrohr erfreut die Motorsportfreunde. Die Fahrdynamik der Alpine A110R verdient bei Freunden des anspruchsvollen Heckantriebs 9 von 10 Punkten.
Alpine A110R Fakten
Preis: CHF 116’000
Mittelmotor: 1,8 Liter, Vierzylinder-Turbobenziner
Leistung: 221 kW/300 PS
Max. Drehmoment: 340 Nm
Gewicht: 1085 Kilogramm
0-100 km/h: 3.9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 285 km/h
Verbrauch: 10.28 (7,0 Werkangabe)
Kofferraumvolumen in Liter: 100 vorne, 96 hinten
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