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Das Auto dem Vater geklaut

21-Jähriger rast mit 170 km/h auf Überlandstrasse

Die lange Liste an Verfehlungen macht diesen Fall fast schon einzigartig. Im Mittelpunkt steht ein 21-jähriger Schweizer. Mit nur einer Autofahrt soll er im Juni 2023 gleich sechs Straftaten begangen haben. Am Donnerstag stand er dafür vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte eine dreijährige Freiheitsstrafe gefordert.

Diese Fahrt hätte ganz anders enden können. Der Blick in die Anklageschrift zeigt: Millisekunden haben über ein glimpfliches oder vielleicht tödliches Ende entschieden. Für den Jugendlichen, der am Steuer sass, hat sein Handeln jetzt Konsequenzen. Am Donnerstag musste er sich vor Gericht verantworten. 

Es geht um eine Autofahrt im Juni 2023. Noch bevor sich der damals 20-jährige P.* hinters Steuer setzt, trifft er einige fatale Entscheidungen. Es ist Freitagabend, der Jugendliche aus dem Zürcher Oberland sucht den Spass. Die Untersuchungsbehörden gehen später davon aus, dass er kurz vor der Fahrt Alkohol, Kokain und Marihuana konsumierte. Wie viel er davon genau intus hatte, lässt sich heute nicht mehr abschliessend sagen, der Beschuldige vereitelte die Kontrolle – aber später mehr dazu. 

Es ist kurz nach 20 Uhr, als sich P. schliesslich zu einer Autofahrt entscheidet. Der Haken daran: Der 20-Jährige ist nicht im Besitz eines gültigen Fahrausweises und er hat auch kein eigenes Fahrzeug. Er verschafft sich deshalb kurzerhand Zugang zum Tesla Model 3 seines Vaters und braust davon.

 

Er fährt auf der Seestrasse dem Greifensee entlang. Auf der Überlandstrasse beschleunigt er massiv. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See / Oberland heisst es dazu: «In Fahrtrichtung Uster überschritt er bei der Einmündung des Zilacherwegs die ausserorts maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um netto ca. 99 km/h.» P. fuhr auf der Strecke also zeitweise satte 179 Stundenkilometer. 

Nur wenige hundert Meter weiter vorne will ein Ehepaar zur gleichen Zeit in einem Audi TT links von der Seestrasse abbiegen. Sie stehen auf der Fahrbahn und merken nicht, wie sich P. von hinten mit massiver Geschwindigkeit nähert.

Aufprall mit 118 km/h

Praktisch in letzter Sekunde tritt der 20-Jährige auf die Bremse. Er schafft es nicht mehr rechtzeitig, sein Fahrzeug zum Stehen zu bringen. Gemäss Anklageschrift knallt er mit 118 Stundenkilometern in den Audi TT. «Die Beifahrerin erlitt durch den Unfall ein Schleudertrauma an der Halswirbelsäule und eine Prellung des rechten Ellenbogens, was in einer notfallmässigen Einweisung ins Spital und Schmerzen am Kopf, Rücken, Nacken sowie am Ellenbogen resultierte», führt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage aus. Sicher ist: Die Unfallbeteiligten hatten Angesicht der hohen Geschwindigkeit unglaubliches Glück, dass nicht noch Schlimmeres passiert ist. 

Dann geht alles ganz schnell und P. trifft erneut eine falsche Entscheidung. Er steigt aus dem Tesla aus – und flieht. Er kümmert sich weder um die verletzte Beifahrerin noch um den Fahrer des Audi TT, stattdessen entfernt er sich zu Fuss vom Unfallort und lässt den Wagen stehen. Er bleibt während längerer Zeit unauffindbar – auch für die Polizei. Aufgrund der Autonummer am Tesla ist seine Identität allerdings schnell geklärt. 

Die Staatsanwaltschaft See / Oberland klagte den 21-Jährigen wegen sechs Delikten an: Einfache Körperverletzung, qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln, Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, pflichtwidriges Verhalten bei Unfall, Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch und Fahren ohne Berechtigung. 

Beschuldigter ist vorbestraft

Während der Untersuchung stellt sich zudem heraus: P. ist kein unbeschriebenes Blatt. Erst im April 2023 wurde er zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Er hatte bereits schon einmal das Auto seines Vaters geklaut und damit eine verbotene Fahrt vollzogen. Erstaunlich: Der 20-Jährige hat bis heute lediglich den Nothelferkurs absolviert. Zur Autoprüfung ist er nie angetreten. Von einer Bewährung will die Anklagebehörde für den unbelehrbaren Beschuldigten deshalb nichts mehr wissen. Sie beantragt eine Freiheitsstrafe von 34 Monaten – also knapp drei Jahre – die P. absitzen soll. Zugunsten einer stationären Massnahme, einer Suchtbehandlung, soll die Freiheitsstrafe aufgeschoben werden. 

Vor Gericht zeigte sich der Beschuldigte reumütig und geständig. Zudem räumte er ein, dass er ein schwerwiegendes Alkoholproblem habe. «Ich habe mir alles komplett kaputt gemacht», klagte er vor dem Richter. Das Gericht war davon allerdings nur wenig beeindruckt. Er habe sich ja nach dem ersten Urteil unbelehrbar gezeigt. «Damals sagten Sie, sie hätte alles verstanden, was das Urteil und die Probezeit anbelangt. Wollten Sie uns für dumm verkaufen», fragte der Richter.

Eine gewisse Härte sei in diesem Fall deshalb angebracht. Das Gericht folgte der Anklagebehörde in allen Punkten und verurteilte den 21-Jährigen zu einer Freiheitstrafe von 34 Monaten und orndete die stationäre Massnahme an. Der Beschuldigte brach beim Urteilsspruch in Tränen aus, sagte dann aber: «Ich bin zu 100 Prozent bereit, einen stationären Entzug zu machen.»

* Name der Redaktion bekannt.

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