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Besitzerin gegen Werkstatt

Der irre Streit um ein Auto

Das Auto in der Garage abgeben, reparieren lassen und wieder abholen. So einfach sollte es sein. Ist es aber nicht immer! Das zeigt der irre Streit um ein Auto im Mittelland. Seit November liefern sich Besitzerin und Mechaniker ein Seilziehen um den Wagen.

Im Zentrum des Interesses steht ein roter Volvo 850 R. Die schwedische Automarke baute den Kombi von 1991 bis 1996. In der Schweiz gibt es nicht mehr viele davon und entsprechend gibt es auch nicht mehr viele Mechaniker, die sich mit dem Auto auskennen.

Diese Erfahrung musste eine junge Frau aus dem Schweizer Mittelland machen, die 2023 einen Volvo 850 gekauft und seither grossmehrheitlich selbständig instandgesetzt hatte. Die Suche nach einer Werkstatt für die weiteren Arbeiten stellte sich als schwierig heraus, wie sie gegenüber STREETLIFE erzählte.

Wie sie sich kennenlernten

An der Auto Zürich sowie der Swiss Classic World traf sie einen leidenschaftlichen jungen Schrauber, der hatte eine Ausbildung im Bereich Oldtimer abgeschlossen und sich auf schwedische Modelle spezialisiert.  Der Nachteil: Seine Werkstatt lag über 130 Kilometer entfernt. Doch sein Enthusiasmus und der Mangel an Alternativen sorgten schliesslich dafür, dass er den Zuschlag erhielt. Der Auftrag lautete: Die Zylinderkopfdichtung ersetzen und weitere kleinere Arbeiten. Zeitaufwand: 2 Tage. Kostenvoranschlag: 4000 Franken.

Am 1. November 2024 tätigte die junge Frau eine Anzahlung von 1400 Franken und drei Tage später stellte sie ihr Auto bei der Werkstatt ab. «Der Mechaniker war nicht wie verabredet da. Ich fand das seltsam, aber kann ja passieren», erzählt sie STREETLIFE. Es ist der Anfang eines langwierigen Streites.

Die zwei Tage veranschlagte Reparaturdauer ergehen und keine Rückmeldung vom Mechaniker. Er ist mit Nachrichten und Anrufen nicht zu erreichen, wie die Besitzerin berichtet. Deshalb habe sie nie gewusst, was der Stand der Arbeiten an ihrem Auto war.

Die junge Frau stellt STREETLIFE Auszüge aus dem WhatsApp-Verlauf mit dem Mechaniker zur Verfügung. Diese Nachrichten lassen darauf schliessen, dass der Mann im November krank war und deshalb bis Mitte Monat nicht gearbeitet hatte.

Social-Media-Ärger

Zu dem Zeitpunkt zeigte sich die Frau noch geduldig. Ihr war es wichtig, dass die Arbeiten korrekt durchgeführt. Doch die Kommunikation blieb schwierig. «Immer wieder fragte ich nach einem Zwischenbericht», erzählt die Frau. «Aber er antwortete nur sporadisch.» Es wurde Dezember, Weihnachten ging vorüber und das neue Jahr begann. Der Mechaniker bot einen Wandkalender 2025 mit Bildern seiner Werkstatt auf seinem Instagram-Profil zum Kauf an, was die Besitzerin verärgerte. Sie kommentierte den Post: «Nein, ich möchte keinen Kalender, lieber meinen Wagen fertiggestellt. Über zwei Monate, statt wie vereinbart zwei Tage, ist schon speziell.»

Damit schien sie seine Aufmerksamkeit gewonnen zu haben. Nach fast einem Monat Funkstille habe er sich am 5. Januar 2025 wieder gemeldet. Dabei begründete er die Pause gemäss WhatsApp-Verlauf mit Betriebsferien und dass er an einem Burnout gelitten habe und in einer Klinik behandelt worden sei. «Darüber wurde ich aber nie informiert», ärgert sich die Frau. «Am Auto wurde in dieser Zeit einfach nichts gemacht.»

Mechaniker ist Konkurs

Ende Januar fand die junge Frau per Zufall heraus, dass die Firma des Mechanikers Konkurs gegangen war. Das bestätigt der Blick ins Handelsregister: Das zuständige Konkursamt eröffnete das Verfahren im August 2024. Bereits im September wurde es aber mangels Aktiven wieder eingestellt. Das bedeutet: Weil die Vermögenswerte der Einzelfirma nicht ausreichten, um Verfahrenskosten zu decken, besteht das Unternehmen bis heute.

Die rechtliche Situation

Rechtlich besteht die Möglichkeit, dass eine Werkstatt ein Fahrzeug einbehalten kann. Das nennt sich Retentionsrecht, und wird im Zivilgesetzbuch unter Artikel 895 und folgenden geregelt. Demnach kann ein Mechaniker ein Auto behalten, bis die Rechnung für seine Arbeit beglichen wurde. Sind die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, kann das Zurückbehalten des Autos aber auch strafbar sein, sofern Artikel 141 des Strafgesetzesbuches zur Sachentziehung zum Zug kommt. Hierbei handelt es sich um Antragsdelikt, welches nur auf Anzeige verfolgt wird. Es wird mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Bisher hat sich allerdings noch kein Gericht mit dem Fall befasst. Juristisch ist also nicht geklärt, welche der beiden Parteien im Recht ist.

Die junge Frau schaltete ihren Rechtsschutz ein: «Ich hatte Angst, dass mein Auto in die Konkursmasse kommt.» Ihr vom Rechtsschutz gestellte Anwalt forderte zuerst die Fertigstellung und später die Herausgabe des Fahrzeuges. Beides geschah nicht und gemäss der Besitzerin, reagierte der Mechaniker auch nicht auf eingeschriebene Briefe.

Vom Schlichtungsverfahren zur Polizei

Zusammen mit dem Rechtsschutz leitete die Autobesitzerin die nächsten Schritte ein. Am 8. Mai 2025 kam zu einer Schlichtungsverhandlung, bei der beide Parteien anwesend waren. Das geht aus dem Verhandlungsprotokoll hervor, welches STREETLIFE schriftlich vorliegt. Der Mechaniker soll an diesem Tag erstmals eineschriftliche Rechnung vorgelegt haben. Er hielt daran fest, das Auto reparieren zu wollen. Die Reparaturen sollten bis zum 31. Mai abgeschlossen sein, damit das Fahrzeug am 2. Juni abgeholt werden konnte. So wurde es Verhandlungsprotokoll festgehalten.

Doch auch diese Einigung scheiterte: Am 2. Juni war das Fahrzeug noch immer nicht fertiggestellt. Damit wurde für den Mechaniker gemäss Schlichtungsverhandlung eine Konventionalstrafe von 50 Franken pro Tag Verzögerung fällig. 
 

Am 7. Juli schliesslich hatte die Besitzerin genug. «Ich ging zur Polizei», wie sie erzählt. Die Frau erstattete Anzeige, nahm aber von ihrem Recht gebraucht, diese noch nicht sofort auszulösen. Bei einem Antragsdelikt hat man in der Schweiz drei Monate Zeit, um die Angelegenheit definitiv ins Rollen zu bringen.

Doch die Frau informierte den Mechaniker darüber, dass sie die Polizei eingeschaltet hatte. Und sie informierte ihre Follower auf Social Media immer über den aktuellen Stand des Autostreits. Auch STREETLIFE hatte weiterhin erfolglos versucht, den Mechaniker für eine Stellungnahme zu erreiche.

Offenes Ende trotz Überraschung

Dieser Druck scheint schliesslich Wirkung gezeigt zu haben. Letzte Woche kam es zur grossen Überraschung. «Ich konnte mein Auto endlich abholen», freute sie sich – aber nur kurz: «Der Zustand meines Babies ist enttäuschend. Der Luftfilter fehlte, viel zu wenig Kühlmittel war aufgefüllt und es tauchten weitere erhebliche Mängel auf, die in einer fähigen Werkstatt geprüft werden.»

Der Mechaniker hat seine Arbeit in Rechnung gestellt. Das Dokument liegt STREETLIFE ebenfalls vor. Gemäss dieser hat er die Domlager links und rechts sowie die Zylinderkopfdichtungen ersetzt. Eine neue Zündspule, ein neuer Thermostat und einen Schaden an der Stossstange, die neu lackiert werden musste, nimmt er auf eigene Rechnung. Nach Abzug der Anzahlung und der Konventionalstrafe bleibt ein Restbetrag offen. Die Besitzerin hat nicht vor diesen zu begleichen. Im Gegenteil: «Wegen der festgestellten Mängel und weil die Konventionalstrafe falsch berechnet ist, überlege ich mir eine Gegenrechnung, die seine Forderung übersteigen wird», erzählt die Frau. Allerdings bezweifelt sie, dass er in der Lage ist ihr diesen Betrag, die Anzahlung oder einen Schadenersatz zu bezahlen.

Ob der Mechaniker auf der Zahlung besteht oder die Gegenrechnung akzeptiert, wird die Zukunft zeigen. STREETLIFE hat mehrfach versucht den ihn per Telefon und E-Mail zu erreichen, damit er seine Version des Streits erzählen kann. Es ging immer nur der Anrufbeantworter ran und die Mails blieben unbeantwortet.

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