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«Der Faktor Mensch verliert nicht an Wert – er wird immer wichtiger»
Thomas Schmutz, Leiter Einzelhandel der Emil Frey AG, spricht im STREETLIFE-Interview über die aktuellen Herausforderungen in der Branche, die Folgen der Digitalisierung – und die Wichtigkeit, auch in einem schwierigen Marktumfeld optimistisch zu bleiben.
Thomas Schmutz, Sie sind einer der obersten Dienstleister bei der Emil Frey AG. Was bedeutet für Sie guter Service?
Guter Service bedeutet für mich, dass ich als Kunde verstanden werde – sowohl physisch, wenn ich persönlich vor Ort bin, als auch digital. Es sollte alles so einfach wie möglich sein. In beiden Welten, also online und offline, müssen wir den Kunden dort abholen, wo er ist, und ihm ein möglichst reibungsloses Erlebnis bieten.
Der digitale Kontakt wird immer wichtiger. Wie passen Sie sich dieser Entwicklung an?
Wir haben kürzlich unsere Website mit einem WhatsApp-Chatbot ausgestattet. Das ist in unserer Branche noch relativ neu, aber es bietet den Kunden eine einfache Möglichkeit, schnell Antworten zu erhalten und erste Schritte digital zu erledigen. Wir gehen davon aus, dass diese digitalen Tools immer stärker genutzt werden. Trotzdem: Der Autokauf bleibt etwas Emotionales, das sich nicht komplett digital abwickeln lässt. Der physische Kontakt, ob per Handschlag oder am Telefon, ist und bleibt sehr wichtig.
Der Faktor Mensch wird also allen Unkenrufen zum Trotz nicht weniger wichtig.
Absolut, er wird sogar noch wichtiger. Der Autokauf ist immer noch eine grosse Investition. Kunden möchten sich online informieren, aber die endgültige Entscheidung treffen sie in der Regel vor Ort. Letzten Endes kommt es auf die sogenannte «Omni-Channel-Experience» an – das Zusammenspiel von digitalen und physischen Kontaktpunkten. Dabei wird es immer wichtiger, dass wir uns auf die Interaktion mit den Kunden konzentrieren. Unser Gründer Emil Frey hat 1935 festgelegt, dass wir unsere Kunden prompt, fachmännisch und zu fairen Preisen bedienen. Daran halten wir fest, das ist auch heute noch unser Anspruch.
Wie wirkt sich der digitale Wandel auf Ihre Mitarbeiter aus?
Jeder Mitarbeiter ist auf seine Weise Teil dieses Wandels. Die Digitalisierung hat das Geschäft komplexer gemacht, und das verlangt von unseren Mitarbeitern eine stärkere Sensibilisierung und ein besseres Verständnis für die neuen Anforderungen. Umschulungen sind nicht unbedingt notwendig. Aber es braucht mehr Bewusstsein dafür, dass der Verkaufsprozess heute oft digital startet.
Welche Neuerungen gab es in den letzten Jahren, die den Service anspruchsvoller gemacht haben?
Die vier Mauern unserer Garagen stehen zwar noch, aber vieles hat sich verändert. Heute geht es darum, den Kundenkontakt so zu gestalten, dass wir uns voll auf das Gespräch konzentrieren können, während im Hintergrund digitale Prozesse ablaufen. In diesem Rahmen haben wir auch schon mit Duftmarketing experimentiert, um das Erlebnis für den Kunden noch angenehmer zu gestalten.
Emotionen als Schlüssel zum Erfolg?
Das würde ich so unterschreiben, ja. Besonders die Fahrzeugübergabe ist ein emotionaler Höhepunkt. Der Kunde hat in der Regel noch nicht genau das Auto vor Augen, das er bekommt. Deshalb ist die Übergabe oft der Moment, in dem die grösste Freude entsteht. Wir legen Wert darauf, diese Momente besonders zu gestalten.
Aktuell jagen sich negative Meldungen in der Branche. Wie spüren Sie die aktuelle Krise?
Nach der Pandemie war der Rückgang stark spürbar. Der Markt für Neuzulassungen ist um etwa 20 Prozent geschrumpft, und auch aktuell befinden wir uns in einem herausfordernden Marktumfeld. Unsere Strategie ist es, ein grösseres Stück von einem kleiner werdenden Kuchen zu bekommen. Dazu müssen wir besser sein als der Rest, und das erfordert tägliche harte Arbeit.
Wo kann noch optimiert werden?
Das Optimierungspotenzial ist gross, besser werden kann man immer. Die Automobilbranche ist sehr vielfältig und komplex. Es gibt ständig neue Möglichkeiten, um Prozesse zu verbessern, sei es in der Werkstatt oder im Verkauf.
Haben sich die Anforderungen an den Reparaturservice verändert?
Ja, die Anforderungen haben sich stark verändert, besonders bei modernen Fahrzeugen, wie batterieelektrischen Autos. Diese sind technologisch komplett anders als herkömmliche Fahrzeuge, und das erfordert auch in der Werkstatt eine angepasste Ausstattung und spezielle Schulungen.
Können Ihre Mitarbeiter bei dieser rasanten Entwicklung mithalten?
Ja, ich denke schon. Wir investieren kontinuierlich in die Schulung unserer Mitarbeiter und haben zudem ein starkes Ausbildungsprogramm mit über 400 Lehrlingen, die jedes Jahr frischen Wind in unser Unternehmen bringen. Das Zusammenspiel von erfahrenen Mitarbeitern und jungen Talenten sorgt für den nötigen Wissenstransfer.
Tradition und Moderne zu vereinen ist eine Stärke von Emil Frey. Wie wichtig ist Tradition für das Unternehmen?
Tradition ist gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Sie gibt uns Stabilität und Sicherheit, sowohl für unsere Mitarbeiter als auch für unsere Kunden. Gleichzeitig ist es wichtig, die modernen Anforderungen im Blick zu behalten und entsprechend zu handeln. Die Balance zwischen Tradition und Moderne sehe ich als Erfolgsrezept der Emil Frey AG.
Wie nehmen Sie die aktuelle Stimmung im Unternehmen wahr?
Auf der einen Seite sind wir stolz, in diesem Jahr unser 100-jähriges Jubiläum zu feiern. Das zeigt, dass wir über die Jahrzehnte vieles richtig gemacht haben. Auf der anderen Seite stehen wir vor grossen Herausforderungen, wie wir sie in den letzten 20 Jahren nicht mehr erlebt haben. Aber solche Krisen bieten auch Chancen, Innovationen voranzutreiben und stärker aus der Situation hervorzugehen.
Sie bleiben also optimistisch?
Ja, ich bin ein Optimist. (lacht) Herausforderungen wie die Elektromobilität, die langsamer anzieht als erwartet, stellen uns zwar vor Probleme. Aber sie bieten auch die Möglichkeit, sich durch eine hervorragende Beratung und Anpassungsfähigkeit vom Wettbewerb abzuheben.
Sind Sie persönlich ein Autofan oder kommen Sie eher vom Verkauf her?
Als jemand, der von Kindheit an eine Leidenschaft für Autos hatte, sehe ich mich sowohl als Autofan als auch als Verkäufer. Der Verkauf basiert auf der Begeisterung für das Produkt. Es ist wichtig, das Produkt zu verstehen und zu schätzen, um es überzeugend verkaufen zu können. Aber natürlich habe ich auch grosse Freude und ein grosses Interesse an Autos.
Können Sie sich noch an Ihr erstes eigenes Auto erinnern?
Selbstverständlich. Das war ein Citroen AX mit viel weniger Funktionen als heutige Autos – und natürlich handgeschaltet. An ihn habe ich nur gute Erinnerungen.
Sie haben lange im Welschland gewirkt. Spüren Sie einen Unterschied im Autokaufverhalten zwischen der West- und Deutschschweiz?
Es gibt tatsächlich gewisse Unterschiede. Kunden in der Westschweiz neigen dazu, emotionaler zu kaufen und geben tendenziell etwas mehr für zusätzliche Optionen oder Luxusmerkmale aus. In der Deutschschweiz sind die Kunden oft etwas rationaler und wägen Kosten und Nutzen stärker ab. Etwas salopp könnte man sagen: Der Latino-Schweizer ist beim Auto etwas ausgabefreudiger. (lacht)
Welche Trends sehen Sie in Bezug auf die Preissensibilität der Kunden?
Preisverhandlungen sind im Automobilgeschäft nach wie vor sehr präsent. Viele Kunden kommen mit der Erwartung in die Autohäuser, Rabatte aushandeln zu können. Dies ist in keiner anderen Branche so stark verankert wie im Automobilhandel. Allerdings wird der Spielraum für Rabatte zunehmend kleiner, da die Marge beispielsweise bei Elektrofahrzeugen deutlich geringer ist als bei herkömmlichen Verbrennern.
Sie haben die Wichtigkeit von Emotionen betont. Welche Werte halten Sie für besonders wichtig?
Zuverlässigkeit ist ein nie zu unterschätzender Schweizer Wert, auch in unserer Branche. Schweizerinnen und Schweizer schätzen gut gepflegte, verlässliche Autos, die im Alltag keine Sorgen bereiten. Das ist auch unser Rezept für den rauher werdenden Konkurrenzkampf: Wir sind der Fachmann, wir sind prompt, fair, zuvorkommend und vor allem – wir sind zuverlässig. Ich denke, diese Werte werden in Zukunft noch wichtiger, als sie heute schon sind.
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