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«Das zieht eine Schneise durch die Schweizer Garagenlandschaft»
Der Bundesrat hat gestern die neue CO2-Verordnung verabschiedet und teilweise rückwirkend auf Anfang 2025 in Kraft gesetzt. Für die Schweizer Autobranche bedeutet dies Strafzahlungen, wenn zu wenig Elektroautos verkauft werden. STREETLIFE hat mit Auto-Schweiz-Direktor Thomas Rücker über die Folgen gesprochen.
Welche Konsequenzen hat die neue CO₂-Verordnung für die Schweizer Autobranche?
Thomas Rücker: Der Elektromobilität fehlt aktuell die stetig zunehmende Akzeptanz im Markt. In den letzten Monaten ist der Marktanteil von E-Fahrzeugen nicht markant gestiegen und nach drei Monaten liegt der Marktanteil bei 20,4 Prozent. Sprich: Die Kundschaft kauft immer noch in der Mehrheit Benzin- und Dieselfahrzeuge. Aus diesem Grund rechnen wir mit hohen Strafzahlungen im dreistelligen Millionenbereich. Diese Sanktionslast wird sich auf die Profitabilität der ganzen Branche auswirken. Das hat Sparprogramme zur Folge, Arbeitsplätze werden abgebaut, Garagen bangen um ihre Existenz und die Sanktionen werden sukzessive an die Kundschaft weitergegeben.
Wieso gehen Sie davon aus, dass die CO₂-Strafen auf die Kundschaft abgewälzt werden?
Die Importeure und Händler müssen mehr Elektroautos verkaufen, um Sanktionen zu verhindern. Aber ich erwarte keine grosse Rabattschlacht auf Elektroautos. Das hätte einen Wertverlust im Lagerbestand und Restwertkorrekturen zur Folge, womit Realverluste entstehen würden. Abgesehen davon gab es in den letzten Monaten schon grosse Anstrengungen, die E-Fahrzeuge günstiger zu machen. Die einzige Möglichkeit, den Absatz in die gewünschte Richtung zu lenken, ist eine Preiserhöhung für Verbrennerfahrzeuge.
Der Bund kommt der Autobranche auch entgegen. Für Importeure, die mindestens 23 Prozent Elektroautos verkaufen, können von Erleichterungen profitieren. Wie hilfreich ist dieses Entgegenkommen?
Das ist keine wirkliche Lösung. Wir müssen die Zielwerte bis 2030 erreichen, aber die Erleichterungen gelten nur drei Jahre. Wir sehen nicht, dass der Elektro-Absatz für alle unsere Mitglieder ausgeglichen stattfinden kann. Zweitens hilft diese Erleichterung nur jenen Importeuren, die schon heute um die 20 Prozent E-Fahrzeuge verkaufen. Drei Prozent mehr zu verkaufen, liegt im Bereich des Möglichen. Aber es gibt auch Importeure, die bei unter fünf Prozent Elektro-Anteil liegen, und für diese ist es faktisch unmöglich, von der Erleichterung zu profitieren, geschweige denn den Zielwert zu erreichen. In der Folge könnten Hersteller entscheiden, sich aus dem Schweizer Markt zurückzuziehen, was die Existenz von Händlern und Garagisten bedroht. Diese Verordnung wird eine Schneise durch die Schweizer Garagenlandschaft ziehen.
Es wurde Kritik laut, dass sich die Autobranche zu wenig vorberietet hat. Schliesslich ist die Verordnung seit letztem Sommer bekannt.
Es stimmt nicht, dass zu wenig passiert ist. Schon im Verlauf des letzten Jahres hat ein Teil unserer Mitglieder die Preise angepasst und das Elektrosortiment ausgebaut. Bestes Beispiel hierfür sind die leichten Nutzfahrzeuge. Lieferwagen mit Benzin- oder Dieselmotor sind massiv teurer geworden. Damit trifft die Verordnung nicht nur unsere Branche, sondern auch das Gewerbe und die gesamte Wirtschaft. Ohne, dass der Umwelt damit geholfen wäre, denn wenn die Verbrennerfahrzeuge nicht mehr angeboten werden oder zu teuer sind, holt sich die Kundschaft diese anderweitig, beispielsweise als Gebrauchtwagen aus dem Ausland.
Auto-Schweiz zieht rechtliche Schritte in Erwägung. Wie konkret sind diese Pläne bereits fortgeschritten?
Das hängt von den Sanktionen ab, die der Bund nächstes Jahr über unsere Mitglieder verhängt. Wir prüfen aktuell, welche rechtlichen Möglichkeiten unsere Mitglieder haben, um allfällige Verfügungen anzufechten. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die rückwirkende Inkraftsetzung der Verordnung rechtswidrig ist. Diese Ansicht unterstützt auch das Rechtsgutachten, welches Professor Peter Hettich von der Hochschule St. Gallen in unserem Auftrag erstellt hat. Für Direkt-Importe gelten die neuen CO₂-Zielwerte der Verordnung erst ab dem 1. Mai, während unsere Importeure, sie bereits seit dem 1. Januar einhalten müssen. Das ist ungerecht.

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