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«Bundesrat betreibt bei E-Mobilität eine aktive Verhinderungspolitik»
Am Auto-Schweiz-Podium gab Verkehrsminister Albert Rösti zu: Die geplante Abgabe auf E-Autos ab 2030 könnte die E-Mobilität «abwürgen». Swiss eMobility legt nun im Gespräch mit STREETLIFE nach: Direktor Krispin Romang sieht den Bund generell im Schlingerkurs – ohne Plan, mit falschen Anreizen und einer Abgabe, die mehr Probleme schafft, als sie löst.
Herr Romang, der Bund plant ab 2030 eine Abgabe auf Elektroautos in Form von Fahrkilometerzählern oder Stromzuschlägen. Swiss eMobility hat dieses Vorhaben kritisiert. Was stört Sie am meisten an diesem Vorschlag?
Krispin Romang: Bei der Einführung von Abgaben sind wir Pioniere, beim Schaffen marktfreundlicher Rahmenbedingungen hingegen Schlusslicht. Deshalb zieht ganz Europa bei der Elektrifizierung an uns vorbei. Erst kürzlich wurde die Importsteuer auf Elektroautos eingeführt, nun folgt bereits die nächste Abgabe. Grundsätzlich ist das Anliegen zwar nachvollziehbar, doch kommt diese Ankündigung in einer Phase der Stagnation zur völlig falschen Zeit.
Was ist daran so schlimm?
Wir schaffen es nicht, die CO2-Ziele bei den Personenwagen zu erreichen. Der Bund gewährt deshalb seit Jahren Sanktionserleichterungen. Die Umsetzung der Emissionsvorgaben ist in der Schweiz ein Trauerspiel, das nächste Kapitel wird folgen. Deshalb stagniert bei uns die Entwicklung, während viele andere Länder massiv zulegen. Anstatt gegenzusteuern, kündigt der Bund nun eine weitere Abgabe an. Und dies genau zu jenem Zeitpunkt, an dem wir die CO₂-Emissionen massiv senken müssten und dafür auf eine deutliche Zunahme der Elektroautos angewiesen sind. Zudem ist die Praxistauglichkeit der vorgeschlagenen Umsetzungsvarianten stark zu bezweifeln.
Bundesrat Rösti klang am Podium von Auto-Schweiz nicht sehr erfreut ab der Steuer und liess auch eigene Zweifel durchblicken, was die Förderung der E-Mobilität anbelangt. Konkret sagte er, er hoffe, die Steuer werde die E-Mobilität nicht abwürgen – aber die Gefahr bestünde. Was sagen Sie zu dieser Aussage?
Wenn der Bundesrat selbst nicht überzeugt ist von einer neuen Steuer, sollte er sie gar nicht erst einführen. Die Elektromobilität wird sich durchsetzen, in zukunftsgerichteten Märkten viel früher als in rückständigen. Die Aussage des Bundesrates zeigt, wo er die Schweiz verortet. Wir haben eine aktive Verhinderungspolitik, wie wahrscheinlich sonst kein anderes Land Europas. Wir müssen uns nichts vormachen: würde der Bundesrat die Emissionsziele wirklich erreichen wollen, sähe das Vorgehen anders aus.
Rösti hofft auch, dass günstigere E-Autos, die jetzt kommen, die künftigen Mehrkosten für die Käuferinnen und Käufer abfedern. Sprich – die Autos werden günstiger, dafür zahlen die Käufer mehr an die Strasse. Wie sehen Sie das?
Elektroautos werden im Vergleich zu Verbrennern künftig noch wirtschaftlicher. Schon heute liegen sie in der Vollkostenrechnung vorne. Dennoch machen wir es uns zu einfach, nur auf diesen Effekt zu setzen. Das kann unmöglich die Grundlage unserer nationalen Elektromobilitätsstrategie sein. Es ist durchaus möglich, gleichzeitig die Emissionsziele zu erreichen und die Finanzierung der Infrastrukturen sicherzustellen. Andere Länder machen es uns längst vor.
Viele tun sich schwer damit, von einem Verbrenner auf einen Stromer umzusatteln, sie lehnen die E-Mobilität ab. Warum steht die Schweiz hier so auf der Bremse?
Grosse Ideen erfahren grossen Widerstand. Das war schon immer so und trifft besonders auf die Elektromobilität zu. Dem herkömmlichen Auto mit Verbrennungsmotor erging es vor über hundert Jahren nicht anders. Diesen Widerstand wird angereichert mit fehlendem und Unwissen. Viele haben immer noch das Gefühl, dass Elektromobilität mit Einschränkungen verbunden sei. Wer jedoch einmal elektrisch gefahren ist, weiss, dass genau das Gegenteil der Fall ist.
Was bräuchte es dafür, dass die Schweiz bei der E-Mobilität vorwärtskommt?
In dieser Reihenfolge: Erstens ein klares politisches Commitment zur Transformation, zweitens die Beseitigung administrativer Hürden bei der Einführung, drittens einen einfachen Zugang zu intelligenten Ladeinfrastrukturen und viertens eine bedachte Einführung von Abgaben, die den ökologischen und energieeffizienten Vorteilen der Elektromobilität Rechnung tragen. Konkret setzen wir uns derzeit – neben den genannten Themen – für die rasche Umsetzung des Rechts auf Laden und die Abschaffung der Benachteiligung bei der Dienstwagenbesteuerung* ein. Auch in diesen Punkten sind uns viele europäische Länder Jahre voraus.
*Siehe Boxen
Das tut sich beim Recht auf Laden
Am 11. Juni hat der Ständerat die Motion «Laden von Elektroautos im Mietverhältnis und Stockwerkeigentum» von Nationalrat Jürg Grossen (GLP/BE und Präsident Swiss eMobility) angenommen. Der Bundesrat hat nun zwei Jahre Zeit, um den Vorstoss umzusetzen. Seine Aufgabe besteht darin, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur an Wohngebäuden voranzutreiben.
Was ist gemeint mit der Dienstwagenbesteuerung?
Wer ein Firmenauto privat nutzt, zahlt Steuern auf den Neupreis des Fahrzeugs. Bei Elektrofahrzeugen besteht der Nachteil darin, dass sie oft noch teurer sind als Verbrenner. Damit werden Personen, die emissionsfrei fahren, benachteiligt.

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