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Dacia Jogger im Duell Aellig gegen Bartholdi

Billiges Plastik-Auto oder preiswerter Familien-Kombi?

Für Familien gibt es kaum noch geräumige und preiswerte Autos. Die praktischen Vans mussten Lifestyle-SUV mit entsprechenden Preisen weichen. Dacia füllt diese Lücke mit dem Jogger. Er bietet bis zu sieben Plätze und Hybridantrieb. Aber bei den Auto-Checkern von STREETLIFE ist es ein schmaler Grat zwischen preiswert und billig.

Bartholdi: Geiz ist geil! Kaum eine Automarke zelebriert diese Mentalität mehr als Dacia. Als Tochter von Renault kann der rumänische Autobauer auf die französische Technik zurückgreifen. Das spart Geld für die Entwicklung und Dacia kann seine Modelle preiswerter anbieten. Zu Beginn sparten die Rumänen auch beim Design, aber aktuellen Dacias ist der günstige Preis weniger anzusehen. Das gilt selbst für den praktischen Familien-Van Jogger. Er löst den Dokker ab und bekommt nicht nur einen frischen Namen, sondern auch einen coolen Look. Wobei ich vermute, dass der Jogger für meinen Kollegen Aellig zu klassisch und wenig modern aussieht.

Aellig: Nicht immer liegt Bartholdi falsch. Tatsächlich hat die Designabteilung von Dacia mächtig Gas gegeben. Bestes Beispiel dafür ist der neue Duster, welcher rundum gelungen ist. Ob der Jogger designmässig mit dem neuen Duster mithalten kann, werde ich erst beurteilen, wenn ich ihn gesehen habe. Bis jetzt war das ja nicht der Fall.

Bartholdi: Da verdrängst du aber etwas gehörig. Du hast den Jogger nicht nur schon gesehen. Du bist ihn auch schon gefahren. Mein lieber Kollege scheint vergessen zu haben, wie er sich lautstark über den Plastik im Innenraum echauffiert hatte. Erstaunlich, da er sonst keine Probleme mit der Erinnerung hat. Es kann also kaum am Alter liegen. Ist es am Ende vielleicht Eitelkeit? Ist ein Dacia unter der Würde des Herrn Aellig und er blendet die Tatsache aus, dass er den Wagen getestet hat? Dann habe ich schlechte Neuigkeiten: Es gibt ein Beweisfoto:

Bleibt nicht in Erinnerung

Aellig: Bartholdi wird mir langsam unheimlich. Bereits zum zweiten Mal liegt er nicht falsch. Jetzt erinnere ich mich wieder. Tatsächlich bin ich den Dacia Jogger zwei Tage lang gefahren und habe danach das 0815-Gefährt in meinem Gedächtnis aus dem Zwischenspeicher gelöscht. Der Familienkombi mit dem freudlosen Plastik-Interieur hat bei mir offensichtlich keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Im Gegensatz zum Duster würde ich dem Jogger keinen Designpreis verleihen. Der Kombi aus der Heimat von Graf Dracula kann sich auch bei Tageslicht auf die Strasse wagen, ohne gleich in Asche zu verfallen. Aber innen erinnern mich die Plastikverkleidungen ein wenig an die freudlose Zeit des rumänischen Sozialismus. Das muss auch Bartholdi stören, der bei anderen Modellen Plastik-Cockpits ebenfalls kritisierte.

Pentti Aellig

Schon als Kind begeisterte ich mich für Autos. Mit 12 fuhr ich (unerlaubterweise) bereits mit dem elterlichen Citroën 2CV herum. Mit 15 reiste ich alleine an ein Formel-1-Rennen in Monza. Und mit 22 kaufte ich mir einen Peugeot 205 GTI. Die Liebe zu dynamischen Hot Hatches ist geblieben: Als jahrelanger Porsche 911-Fahrer bin ich im Zeitalter der Klimaproteste auf einen unauffälligen Toyota GR Yaris umgestiegen. Die vielen neu erscheinenden Steckerautos verfolge ich neugierig, aber die Entwicklung ökologisch verbesserter Verbrennermotoren schreibe ich noch nicht ab.

Von wegen wohliges Ambiente

Bartholdi: Ja, Kollege Aellig. Ich habe mich auch schon über Plastik im Innenraum beklagt. Aber das war auch bei Autos, bei denen die Extras schon mehr gekostet haben als die 27'000 Franken für den Jogger. In dieser Preisklasse darf es Plastik im Innenraum haben – auch die billige Variante, die hart ist und hohl klingt. Schon aufgeschäumter Plastik wie in einem VW treibt den Preis wieder in die Höhe. Da lobe ich mir mehr die Stoff-Applikationen im Armaturenbrett des Joggers, die für ein wohliges Ambiente sorgen. Das bietet ein teurerer Golf nicht.

Aellig: Wohliges Ambiente im Jogger? Bewundernswert an Bartholdi finde ich, wie schnell er sich jeweils begeistern lässt. Aber schon klar, im hart umkämpften Markt der automobilen Preisbrecher haben teure Lederapplikationen keinen Platz. Viel hartes Plastik und ein wenig aufgeklebten Stoff erlauben eine besonders kostengünstige Produktion. Aber auch wenn ein Auto als Schnäppchen gilt, sollte es doch ein Mindestmass an Freude bereiten – beim Jogger fehlt mir das. Es wurde mir zu viel gespart und vieles wirkt billig.

Einigkeit beim Platzangebot

Bartholdi: Geräumige Autos sind heute eine Seltenheit – oder sie kosten ein Vermögen, womit sie für Familien kaum noch erschwinglich sind. Aelligs beliebte SUVs haben fast alle bezahlbaren Vans vom Markt verdrängt. Übrig bleiben Minibusse wie der VW T7 oder ein Toyota Proace Verso. Die sind neben dem Preisnachteil deutlich grösser und weniger handlich. Beim Parkieren muss man mehr manövrieren und sie passen nicht in alle Parkplätze. Der Jogger hingegen bleibt mit sieben Plätzen kompakt und handlich.

Und für abenteuerlustige Familien gibt es für 1590 Franken eine Camping-Ausrüstung dazu, inklusive Matratze, um im Jogger zu schlafen. Zugegeben, im Gegensatz zu einem California oder Fiat-Ducato-Umbau ist das eher eine Lösung für eine Nacht – eben die preiswerte Camper-Lösung. Aber es würde mich nicht wundern, wenn Aellig auch am Platzangebot etwas zu kritisieren fände.

Aellig: Solange die Kundschaft nach immer noch mehr SUVs lechzt, werden die Autohersteller ihre beliebten, robusten Pseudo-Offroader anbieten. Dacias Duster verkauft sich schliesslich bestens. Am Platzangebot im neuen Rumänen-Kombi lässt sich wenig aussetzen. Als gemütlichen Schlafplatz würde ich aber den Rumänenkombi nie gegen meinen privaten Fiat Ducato Campervan eintauschen.

Martin A. Bartholdi

Mit dem Autofieber haben mich die Kult-TV-Serie «Knight Rider» und das Formel-1-Rennen in den Strassenschluchten von Monte Carlo infiziert. Noch heute zaubern mir US-Sportwagen mit langen Motorhauben wie der Ford Mustang und wendige Kurvenkratzer wie der Mazda MX-5 ein Lächeln ins Gesicht. Mit Kombis und vor allem SUVs kann ich allerdings nur wenig anfangen, dann doch lieber echte Geländewagen. Wohl die Schuld des Computerautos K.I.T.T. ist auch, dass ich gerne neue technische Spielereien ausprobiere, seien es Assistenten, Infotainment oder Vernetzung.

Bemühtes, aber sparsames Motörchen

Bartholdi: Lange Zeit musste sich Dacia mit alter Renault-Technik begnügen. Doch den Jogger gibt es auch mit dem aktuellen Hybridantrieb aus dem Kleinwagen Clio. Für Familien hat das den Vorteil, dass der Siebenplätzer nicht nur in der Anschaffung günstig ist, sondern auch im Unterhalt. Im Auto-Check gönnt sich der Jogger 5,8 Liter, was 0,8 Liter mehr ist als die Werksangabe.

Bei einem Ausflug nach München stieg sein Durst auf der deutschen Autobahn auf 6,8 Liter, aber auch das ist in Ordnung. Ja, es war während der Fahrt etwas laut, wegen der Wind- und Rollgeräusche. Hier bieten andere Autos sicher mehr Komfort, aber diese kosten dann auch schnell mindestens doppelt so viel. Und auch wenn der Jogger mit 140 PS nicht untermotorisiert ist, blieben wir nie länger als nötig auf der Überholspur. Das dürfte Wasser auf Aelligs Kritik-Mühlen sein.

Aellig: Als dynamischer Kombi ist mir der Jogger nicht in Erinnerung geblieben. Der eher träge Antrieb verlangt vom Fahrer eine Menge Geduld und tut seine Bemühung auch lautstark kund. Aber solange die Besitzer des rumänischen Schnäppchens auf der Autobahn nicht die Überholspur blockieren, stört der bescheidene Benzin-Hybrid-Antrieb niemanden. Wobei sich die 140 PS eher wie 100 PS anfühlen. Mehr gestört hat mich die zu schwammige Lenkung. Das Fahrwerk ist auf einen guten Mix zwischen Arbeitstier und Reisekombi abgestimmt.

Unser Schlusswort

Bartholdi: Ja, der Dacia Jogger ist nicht perfekt, und viele Dinge können andere Autos besser. Aber die Rumänen werben auch nicht mit der Ansage «Das Beste oder Nichts», wie eine deutsche Luxusmarke. In Anbetracht des Preises erscheint mir der Jogger als ein sehr gelungenes Auto. Es kann mehr als genug, bietet sogar Android Auto und Apple Carplay, und kombiniert dies sogar mit einem nachhaltigen Hybrid-Antrieb. Mehr Auto gibt es kaum fürs Geld.

Aellig: Meine Familienphase mit Kindern, Hund und ausgiebigem Freizeitequipment ist voraussichtlich abgeschlossen. Zudem hat bei mir innovatives Autodesign einen sehr hohen Stellenwert. Demzufolge ist der Dacia Jogger weniger mein Ding. Mir wirkt der Familienkombi ein wenig zu billig. Bartholdi kann ich mir sehr gut vorstellen im Jogger. Bartholdi befindet sich in der Phase der Familienplanung und ist der Schnäppchenjägerei weniger abgeneigt.

Dacia Jogger 7-Plätzer «Extreme»: Fakten

  • Motor: 1,6-R4-Benzin-Hybrid mit zwei Elektromotoren
  • Systemleistung: 140 PS (104 kW) und 205 Nm@1/min
  • Antrieb: Automatik, Frontantrieb
  • Fahrleistung: 0-100 km/h in 10.0s, Höchstgeschwindigkeit 167 km/h
  • Verbrauch: Werk / Test 5,0 / 5,8 l/100 km = 112 / 130 g CO₂/km
  • Länge/Breite/Höhe: 4,55 m / 1,78 m / 1,69 m
  • Laderaum: Kofferraum 212 bis 2085 Liter
  • Leergewicht: 1481 Kilogramm
  • Preis: ab 26’990 Fr. + 1590 Fr für Campingausrüstung «Pack Sleep» (Basis, 5-Plätzer, 110 PS, Benzin, «Expression»: 20’090 Fr.)

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