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Schweizer Classic Car im Mittelpunkt von Fälscher-Krimi
Der Handel mit gefälschten Classic Cars nimmt weltweit zu. Das Beispiel eines vermeintlich gefälschten Mercedes-Benz 300 SL aus Schweizer Besitz zeigt: Die Hintergründe können spannend wie ein Krimi sein.
Alternative Wertanlagen erleben nicht erst im aktuellen Hochzins-Umfeld einen Aufschwung. Kunst, Uhren, Weine und ganz besonders auch Classic Cars sind zu beliebten Objekten für Investitionen (und Spekulationen) geworden.
Doch der Boom hat auch Schattenseiten. Betrügereien mit Oldtimern sind in einem ähnlichen Masse gestiegen. Im Jahr 2022 gab es eine deutliche Steigerung der Fälscher-Aktivitäten, vor allem auf Social-Media- und Online-Marktplätzen.
Fälschungen nehmen zu
Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der Fälschungen auf einschlägigen Plattformen um mehr als 23 Prozent angestiegen, vermeldete Mercedes-Benz unlängst. Allein 2022 seien insgesamt mehr als 1,6 Millionen Modelle bei über 620 Razzien beschlagnahmt worden.
Eine solche Razzia fand im Mai letzten Jahres auch im deutschen Ort Ditzingen statt. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft führte dort eine Durchsuchung bei der Kienle Automobiltechnik GmbH durch.
Grund für den Einsatz: Es gab Zweifel an der Echtheit eines begehrten Classic Cars, welchen das Unternehmen verkauft hatte. Tatsächlich war Kienle in den Fall von gefälschten Mercedes-Benz 300 SL Roadster – millionenteure, historische Classic Cars – involviert.
Neue Farbe als Gelegenheit für Fälscher
Der Verdacht: Kienles Mercedes 300 SL soll nachgebaut und mit der gleichen Fahrgestellnummer versehen worden sein. Denn das Original war im Ausland angemeldet. Doch die Frage war: Welcher der beiden Mercedes mit der gleichen Nummer ist echt?
Fest steht: Der originale Mercedes-Benz SL 300 war der Star am Hersteller-Stand während des Genfer Autosalons im Jahr 1961.
Gemäss dem Portal zwischengas.com kaufte der Zürcher Hans Ulrich Lenzlinger den eleganten Roadster. Von 1969 bis 2022 war das Auto im Besitz des im letzten Jahr verstorbenen Landwirts Heinrich Zollinger aus Schaffhausen, der den Roadster zwischenzeitlich rot umlackierte.
Weil der SL 300 nun nicht mehr wie ursprünglich phantasiegelb, sondern rot war, galt der Wagen lange Jahre als verschollen. Damit bot er Fälschern die Möglichkeit, die Fahrgestellnummer zu nutzen und eine Kopie herzustellen.
Böses Erwachen bei der Anmeldung
Doch wie flog die Oldtimer-Doublette überhaupt auf? Im Herbst 2022 kaufte Ralph Grieser, Inhaber des Oldtimergeschäfts Depot 3 in Deutschland, den Mercedes 300 SL Zollinger ab, wie zwischengas.com berichtet.
Als Grieser das Auto anmelden wollte, teilt ihm das Verkehrsministerium jedoch mit, dass es bereits einen anderen Mercedes 300 SL mit der Fahrgestellnummer-Endung 2786 gab: einen 300 SL-Roadster, der von der Firma Kienle 2019 zum Verkauf angeboten worden war.
Da Grieser von der Echtheit seines Kaufs überzeugt war, begann er zu recherchieren. Er wandte sich dabei auch an den Parlamentskreis Automobiles Kulturgut des Deutschen Bundestages, der selbst in Sachen illegale Nachbauten bedeutender Autos ermittelt.
Kienle bestreitet Fälscher-Vorwurf
Als Konsequenz fand im Mai 2023 schliesslich die erwähnte Razzia bei Kienle statt. Die Beamten beschlagnahmten dabei mehrere Mercedes-Benz 300 SL, «darunter zwei Flügeltürer-Coupés mit identischen Fahrgestellnummern», wie das deutsche Magazin «Oldtimer Markt» berichtete.
Die Ermittlungsbehörden vermuteten, dass Kienle professionelle Oldtimer-Repliken hergestellt und verkauft hatte.
Inzwischen ist die Firma laut «AutoBild» in Liquidation begriffen. Die Heritage-Abteilung von Mercedes-Benz hat Teile der Firma, den Ersatzteilbestand sowie einen Teil der Belegschaft übernommen. Wie die vermeintliche Oldtimer-Fälschung juristisch aufgearbeitet wird, ist offen.
Kienle bestreitet, das begehrte Classic Car kopiert zu haben. Seine Firma habe das Auto 2019 nur «im Auftrag des Vorbesitzers auf Provisionsbasis» vermittelt.
«Echte Fälschung» steht heute in Malaysia
Tatsächlich ist inzwischen klar, dass es sich beim Auto keineswegs um eine Nachbildung handelt. Der 300 SL ist echt, gleichzeitig aber auch illegal. Denn Kienles Roadster wurde 1983 in Frankfurt als gestohlen gemeldet. Die ursprüngliche Fahrgestellnummer des Fahrzeugs endete aber nicht mit 2786, sondern mit 2765. 1992 tauchte dieses Auto wieder auf, lackiert in Fantasiegelb und mit der Identität des 300 SL vom Genfer Salon.
Bemerkenswert ist, dass dabei nicht nur die Fahrgestellnummer mit jener des Schweizer Originals übereinstimmte. Auch Differential, Getriebe sowie die Lenkung und die Identifikationsnummern der Vorderachse waren nun mit dem Original identisch.
Der Käufer des Schweizer Wagens weiss inzwischen, dass sein Mercedes 300 SL echt ist. Und: Dank eingehender Recherchen ist es ihm sogar gelungen, die Kopie seines Roadsters zu identifizieren. Aktuell soll er sich in der Sammlung eines Sultans in Malaysia befinden. Ein echter Mercedes SL 300 – aber einer mit einer gefälschten Identität.
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