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Abgebrannt, aufgebrochen oder angefahren

Autoversicherungen warnen – jede 10. Meldung ist Betrug

Parkschäden und Verkehrsunfälle – im Notfall springt die Versicherung ein. Doch immer häufiger ist der Notfall gar nicht echt. 10 Prozent der Schadensmeldungen haben eine betrügerische Absicht. STREETLIFE zeigt die dreisten Tricks.

Bei einem Parkmissgeschick habe er aus Versehen den Tankdeckel seines Wagens weggerissen. So lautete die Meldung eines Kunden, der sich bei der zuständigen Stelle der Baloise Versicherung meldete. Es ist eine Geschichte, die sich für Sandro Ernst, Leiter der Fachstelle für Bekämpfung von Versicherungsmissbrauch, von Anfang an merkwürdig anhörte. «Das Wegreissen eines Tankdeckels ist bei einem Parkschaden unüblich», erklärt der Baloise-Betrugsexperte sein Misstrauen.   

Und sein Bauchgefühl täuschte ihn nicht. Die Ermittlungen zeigten: Es war alles ganz anders. Der Versicherte verursachte nicht beim Parkieren, sondern beim Tanken einen Selbstunfall, Überwachungskameras der Tankstelle liessen ihn schliesslich auffliegen. «Auf den Videos ist zu sehen, wie der Kunde nach dem Tanken samt Tankvorrichtung weggefahren ist, sodass das Fahrzeug beschädigt und der Tankdeckel weggerissen wurde.»

Der Grund für die Falschmeldung: Der Baloise-Kunde wollte den Schaden gänzlich durch die Versicherung bezahlen lassen. Bei einem Parkschaden gibt es keinen Selbstbehalt, während bei einem Kollisionsereignis ein Selbstbehalt fällig wird. Sein Vorgehen: Ein klarer Fall von versuchtem Versicherungsbetrug.

Schaden von 45 Millionen Franken verhindert

Geschichten wie die des abgerissenen Tankdeckels sind längst kein Einzelfall. Gemäss dem schweizerischen Versicherungsverbands SVV sind rund zehn Prozent der gemeldeten Schadensfälle bei Autoversicherungen missbräuchlicher Natur.

«Versicherungsbetrug rund ums Auto kommt traurigerweise öfter vor, als man denkt», bestätigt Baloise-Experte Sandro Ernst. Er ergänzt: «Im Vergleich zum Vorjahr nehmen wir eine gefühlte Zunahme der Fälle wahr.» Allerdings sei es aufgrund der sich ständig verändernden Faktoren schwierig, diese Zunahme konkret in Zahlen zu fassen.

Gleich tönt es bei der AXA-Versicherung. Auch hier hält man sich zahlenmässig bedeckt. Sicher ist: «Die meisten missbräuchlichen Meldungen verzeichnen wir in den Branchen der Motorfahrzeuge-, Hausrat- und Privathaftpflichtversicherungen», sagt AXA-Versicherung Pressesprecherin Marion Fehr. «Über alle Branchen gesehen, erhielten wir 2023 in 7400 Fällen die Meldung eines Missbrauchsverdachts.» 40 Prozent davon betreffen allein die Motorfahrzeugversicherung – Umgerechnet also rund 3000 Fälle.

Und hier geht es um viel Geld. «Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Versicherungsmissbrauchs erzielten wir 2023 Einsparungen von gut 45 Millionen Franken», so Fehr weiter. Dabei handelt es sich um Fälle, die entdeckt wurden. Wie hoch die Dunkelziffer ist – also die Summe der Betrugsfälle, die unerkannt bezahlt wurde – sei nur schwer abzuschätzen.

Computerprogramme jagen Betrüger

Im Kampf gegen missbräuchliche Forderungen rüsten die Versicherer deshalb stark auf. «Wir setzen unter anderem auf Software zur Betrugserkennung», erklärt David Schaffner, Pressesprecher der Zurich Versicherung. «Diese meldet verdächtige Fälle automatisch, die dann vom Spezialdienst, einem Team aus Ermittlern, analysiert werden.» Dabei werde teilweise auch mit der Polizei zusammengearbeitet. «Es gibt kein klassisches Profil eines Versicherungsbetrügers», so Schaffner weiter. «Die Erfahrung zeigt, Betrügerinnen und Betrüger können aus allen möglichen sozialen Schichten stammen.»

So unterschiedlich die Tätergruppe, so kreativ seien auch die Geschichten, die man den Betrugsexperten auftische. Wie in diesem Fall, den Schaffner als Beispiel nennt: «Nachdem das Auto eines Versicherten vollständig ausgebrannt war, gab er bei der Meldung an, dass sich auch seine Snowboard-Ausrüstung im Auto befunden habe.» Doch auch hier kam die Wahrheit ans Licht. «Die Ermittlungen zum Brand ergaben, dass m Auto keine Ausrüstung lag.»

Bis zu fünf Jahre Gefängnis

Oft sind sich die Betroffenen über einen wesentlichen Punkt aber gar nicht im Klaren: Versicherungsbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Wird man erwischt, sind die Folgen einschneidend: «Beim kleinsten Betrugsversuch hat die Versicherung das Recht, den gesamten Schaden abzulehnen», erklärt Schaffner.  Zudem wird in der Regel der Vertrag aufgekündigt. Und das führt zu einem Eintrag im Hinweis- und Informationssystem HIS-Schweiz des Schweizer Schadenversicherer SVV.

Neben den zivilrechtlichen Schritten hat das Ganze auch strafrechtliche Konsequenzen. Betrug ist gemäss Art. 146 des Strafgesetzbuches ein Offizialdelikt. Das heisst, selbst wenn die Versicherung keine Anzeige einreicht, muss die Polizei handeln, wenn sie vom Fall Kenntnis hat. Im Falle einer Verteilung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

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