Zum Hauptinhalt springen

Werbung

Politik & Wirtschaft •
Polit- und Medienspektakel vor 40 Jahren

Als das Auto der Sündenbock fürs Waldsterben war

Vor 40 Jahren hielt das Thema Waldsterben die Schweiz in Atem. Die Zeitungen waren voll und Bundesbern debattierte in einer Sondersession über vermeintliche Rettungsmassnahmen. Mittlerweile ist die Angst vor dem sauren Regen und um unsere Wälder längst verflogen.

1985 herrschte in der Schweiz Endzeitstimmung. In der Bevölkerung breitete sich eine kollektive Panik vor dem Waldsterben aus. Angeheizt wurde die Angst vor dem Ökosystemkollaps unseres Waldes von den Medien und den Umweltpolitikern. Die Berichte der Fernsehstationen über unseren Forst wirkten wie Liveschaltungen aus der Intensivstation.

Auch die Politik in Bundesbern forcierte das nationale Entsetzen. Zwei Jahre bevor Adolf Ogi in den Bundesrat gewählt wurde, warnte er im Nationalrat eindringlich vor den infernalen Folgen des Waldsterbens: Ohne schützende Wälder würden Lawinen unkontrolliert in die Dörfer niedergehen. Begraben in einer Lawine spiele die Parteizugehörigkeit keine Rolle mehr.

Idealer Prügelknabe Auto

Katastrophenszenarien werden von Politik und Verwaltung gerne genutzt, um ihren Einfluss auszuweiten. Auch das damals drohende Ende des Waldes wollte man durch rigorose, staatliche Interventionen abwenden. Und ob beim Waldsterben, bei Corona oder beim Klimakollaps: Sündenböcke helfen, die Gefahr besser zu vermitteln. Das Auto, Symbol für die bürgerliche Freiheit, eignet sich jeweils ideal als Prügelknabe. Auch 1985 wurde das Auto als Sicherheitsrisiko für unserer Wälder gebrandmarkt. Bleifreies Benzin und Katalysatoren waren zwei Notmassnahmen zur Rettung der Bäume. Zwar setzte sich bald die Erkenntnis durch, dass speziell Wälder in der Nähe von Kohlekraftwerken unter erhöhtem Schwefeldioxid leiden. Aber Politik und Medien hatten sich auf das Auto als wichtigen Sündenbock eingeschossen.

Sprengstoffanschläge auf Emil Frey Garagen

Manche Unternehmer oder Politiker versuchten bereits vor 40 Jahren, die Ursachen des Waldsterbens differenziert zu betrachten. Autoimporteur Walter Frey, er sass damals für die SVP im Nationalrat, ärgerte sich über die stereotype Vorverurteilung des Autos als Waldsterbeverursacher. Geduldig versuchte er im öffentlichen Diskurs, den schlechten Zustand der Wälder zu relativieren. Frey wehrte sich gegen die rotgrüne Medienthese, das Auto trage eine relevante Mitschuld am Waldsterben. Vergebens. Auf die Garagen der Emil Frey AG wurden sogar Sprengstoffanschläge verübt. Autos wurden angezündet. Es wurde öffentlich aufgerufen, keine Autos «beim Umweltverpester Frey» zu kaufen.

Heute: Klimafitte Wälder

Letzte Woche sendete SRF zum 40-jährigen Jubiläum des Waldsterbens eine Treffpunkt-Sondersendung. Den SRF-Journalisten gelang eine interessante Auslegeordnung des aktuellen Zustandes der Schweizer Wälder. Max Brenner, ein Thurgauer Revierförster, blickt heute optimistisch in die Zukunft. Sein Forst sei klimafit, sagt er zu SRF. Der Forstprofi beurteilt die aktuellen Schäden an riesigen Fichtenflächen wegen der zunehmenden Trockenheit und dem Borkenkäfer pragmatisch auch als Folge der profitorientierten Monokultur. Jetzt sorge in der ganzen Schweiz die Naturverjüngung für hitzeresistentere Baumarten und mehr Biodiversität. Über die Waldsterbe-Hysterie vor 40 Jahren kann der Ostschweizer Förster heute nur lachen.

Bis zur nächsten Katastrophe

Das mediale Heraufbeschwören von Katastrophen ist mittlerweile zum Normalfall geworden. Nach dem Waldsterben kam die Bedrohung durch das Ozonloch. Später fürchtete sich die Menschheit vor dem Untergang durch das Coronavirus. Aktuell steht unser Planet vor dem Klimakollaps. An Schulen und Universitäten werden die jungen Menschen auf die Optimierung ihres ökologischen Fussabdrucks gedrillt. Durch veganes Essen und Fahrradfahren soll der CO2-Ausstoss reduziert werden. Fliegen ja, aber CO2-kompensiert. Autofahren ja, aber mit Tesla. Falls sich das Klima im Jahre 2065 wieder abkühlt, werden Medien und Politik bereits mit der Bewirtschaftung der übernächsten Krise beschäftigt sein.


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

Werbung