Zum Hauptinhalt springen

Werbung

Politik & Wirtschaft •
Abkommen Schweiz und Deutschland

2024 können sich Verkehrssünder nicht mehr vor Bussen drücken

Mit dem Auto auf der Durchreise in Deutschland und geblitzt worden? Die Busse der Behörden unseres Nachbarlandes konnte man bisher ignorieren, wenn man nicht mehr vorhatte, die Grenze zu überqueren. Mit dem neuen Polizeivertrag zwischen den beiden Ländern ist bald Schluss damit.

Flatterte in den vergangenen Jahren eine Busse aus Deutschland etwa wegen Zuschnellfahrens in einen Schweizer Briefkasten, konnte man diese getrost ignorieren. Wieso? Weil die deutschen Behörden kein Recht hatten, hierzulande Bussen einzutreiben. Dasselbe galt auch für die Schweiz im Umgang mit Verkehrssündern mit Wohnsitz ennet der Grenze. Doch das ändert sich jetzt – mit dem revidierten Polizeiabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland. 

«Neu wird unter Kapitel VI im Vertrag nun auch eine allfällige Vollstreckung der Bussen geregelt sein», erklärt das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Anfrage von STREETLIFE. «Auf Ersuchen leisten die Vertragsstaaten einander Vollstreckungshilfe bei Entscheidungen, mit denen das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde eines Vertragsstaates eine Zuwiderhandlung gegen Strassenverkehrsvorschriften feststellt und deswegen gegen eine natürliche oder eine juristische Person eine Sanktion verhängt», lautet der betroffene Artikel.

Schweizerisch-deuscher Polizeivertrag

Um den polizeilichen Informationsaustausch zu intensivieren, grenzüberschreitende Gefahren zu bannen und internationale Kriminalität zu bekämpfen, unterzeichneten die Schweiz und Deutschland vor bald 25 Jahren ein gemeinsames Abkommen, den Schweizerisch-deutschen Polizeivertrag. Der Beschluss vom Frühling 1999 ist seit März 2002 in Kraft. Nach zwei Jahrzehnten war es im vergangenen Jahr höchste Zeit für eine Auffrischung.

Aus diesem Grund setzte die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter in Berlin zusammen mit der deutschen Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, ihre Unterschrift unter das revidierte Polizeiabkommen. Dabei steht die Bekämpfung der transnationalen Schwerstkriminalität im Zentrum. Die Schweiz hat mit 16 europäischen Ländern solche bilateralen Abkommen abgeschlossen, unter anderem mit Frankreich, Italien, Österreich, dem Fürstentum Liechtenstein und dem Vereinigten Königreich.

Kein Verstecken mehr

Dadurch wird das Schlupfloch gefüllt, das bisher in der grenzübergreifenden polizeilichen Zusammenarbeit bestanden hatte. Über die Anzahl Delinquenter mit Wohnsitz in Deutschland, die ihre Bussen aus der Schweiz nicht bezahlen, ist nichts bekannt. «Wir verfügen über keine Daten, wie viele Bussen von deutschen Staatsangehörigen nicht bezahlt werden», heisst es vonseiten Fedpol. 

So oder so dürften in Zukunft solche Fälle dank des neuen binationalen Arrangements auf beiden Seiten der Landesgrenze der Vergangenheit angehören. Denn alles, was es dereinst noch brauchen wird, um gebüsste Zahlungsunwillige zur Kasse zu bitten, ist ein sogenanntes Vollstreckungshilfegesuch. Für dieses müssen jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. 

Unterschiedlich streng beim Büssen 

So muss es sich etwa bei einer Busse um einen Betrag von mindestens 80 Franken oder 70 Euro handeln. Da die Schweiz bekannt ist für ihre hohen Bussgelder und Deutschland vergleichsweise eher milde büsst, dürfte diese Bedingung hierzulande schneller erfüllt sein als bei unserem grossen Nachbarn. So liegt man in der Schweiz auf Innerorts- und Ausserorts-Strassen schon ab sechs km/h über dem erlaubten Maximaltempo nach Sicherheitsabzug über dieser Betragsgrenze, nämlich bei 100 bzw. 120 Franken. Auf der Autobahn muss man für diese Bussenhöhe mindestens 11 km/h zu schnell unterwegs gewesen sein. 

Der deutsche Bussgeldkatalog scheint im Vergleich geradezu harmlos. Innerorts muss man demnach zwischen 16 und 20 km/h zu viel auf dem Tacho haben, um mit einem Betrag von 70 Euro gebüsst zu werden. Ist man mit einem Schweizer Kennzeichen in Deutschland ausserorts mit mindestens 21 km/h zu schnell unterwegs, können die deutschen Polizeibehörden bei ausbleibender Bussenbegleichung ihre Schweizer Kollegen um Vollstreckung ersuchen. Denn erst ab dieser Tempodifferenz liegt man auf einer deutschen Landstrasse über der 70-Euro-Bussengrenze. Abgesehen von Stadtautobahnen gibt es auf den deutschen Autobahnen kein Tempolimit, nur eine Tempoempfehlung von 130 km/h. 

Was kostet die Vollstreckung? 

Muss das Geld für eine Busse tatsächlich mithilfe eines Vollstreckungsgesuchs beglichen werden, dürfte sich das finanziell vor allem für Deutschland lohnen. Denn gemäss Art. 51 des revidierten Vertrags verbleibt der Erlös aus der Vollstreckung der Geldforderung im ersuchten Vertragsstaat. Dafür werden vom ersuchenden Vertragsstaat die Vollstreckungsmassnahmen nicht verrechnet. Sprich: Wird eine Person mit deutschem Wohnsitz in der Schweiz gebüsst, ohne die Busse zu bezahlen, fliesst das Bussgeld nach erfolgreicher Vollstreckung auf das deutsche Staatskonto. 

Bis die Behörden dazu befugt sind, braucht es allerdings noch ein wenig Geduld. «In Deutschland tritt der neue Vertrag erst nach Verabschiedung eines Umsetzungsgesetzes in Kraft», weiss das Fedpol. In der Schweiz brauche es das hingegen nicht. «Stand jetzt sollte das interne Verfahren in Deutschland Ende dieses Jahres, Anfang 2024 abgeschlossen sein und der Vertrag somit im Verlauf von 2024 in Kraft treten», geht man bei der Bundespolizei aus.

Leserreporter

Hast du etwas beobachtet?

Schicke uns deine Bilder und Videos! Bei unseren Lesern ist immer etwas los, doch unsere Reporterinnen und Reporter können nicht überall sein. Und hier kommst du ins Spiel: Hast du etwas beobachtet oder möchtest du uns etwas mitteilen, das nur du weisst? Schicke uns deine Bilder und Videos per WhatsApp unter 077 279 72 56 direkt in unsere Redaktion.

Werbung