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Swissdrive-Fachmann über falsche Begriffe

«Was diese Jungen machen, hat nichts mit Driften zu tun»

Die STREETLIFE-News über das Driftmanöver vor dem Gubristtunnel hat für Aufsehen gesorgt. Auch Daniel Menzi hat sie gelesen – und sich geärgert. Der Leiter Kommunikation von Swissdrive sagt: «Das hat mit echtem Driften nichts zu tun». Er fordert eine fundieren Fahrausbildung, um Unfälle zu vermeiden.

Herr Menzi, die Zürcher Staatsanwaltschaft hat letzte Woche einen Jugendlichen des Driften vor dem Gubrist bezichtigt. Diese Bezeichnung ist für Sie aber nicht richtig?

Genau, und ich dachte zuerst nur – «nicht schon wieder!» Einmal mehr wurde ein gefährliches Manöver als Driften bezeichnet, das wenig bis gar nichts mit echtem Driften zu tun. Oft rutschen bei diesen Aktionen zwar eine oder beide Achsen des Autos, aber das Auto wird dabei nur selten wirklich kontrolliert. Was diese in der Regel jungen Leute machen, hat in den allermeisten Fällen nichts mit der gleichnamigen Sportart zu tun. Bei dieser geht es darum, ein Fahrzeug in einen kontrollierten, instabilen Zustand zu bringen. 

Können Sie das genauer erklären? Was bedeutet es wirklich, zu driften? 

Beim Driften wird die Hinterachse eines Fahrzeugs bewusst ins Rutschen gebracht, während man gleichzeitig kontrolliert, dass das Fahrzeug in einer Kurve quer bleibt, ohne dass es sich dreht. Es erfordert präzises Gasgeben und Lenken, um das Fahrzeug in diesem kontrollierten Zustand zu halten.

Ist das nicht das, was bei einem sogenannten Donut gemacht wird? 

Nicht wirklich. Wenn jemand einen Donut fährt, bei dem sich die Hinterachse um die Vorderachse dreht, dann ist das alles andere als kontrolliertes Driften. Es wird quasi Gas gegeben – und dann schaut man mal, was passiert. Was passiert, ist purer Zufall.

Ärgert es Sie, dass der Begriff «Driften» im Alltag so oft falsch verwendet wird? 

Ja, das ist für uns sehr ärgerlich. Erstens wird dadurch der Ruf des Driftens als Sportart geschädigt. Und zweitens impliziert der Begriff, dass die Fahrer Kontrolle über das Fahrzeug hätten. Diese Unfälle, die oft fälschlicherweise als «Driftunfälle» bezeichnet werden, zeigen jedoch, dass die Fahrer ihr Fahrzeug ganz offensichtlich nicht im Griff haben. Sonst würden diese Unfälle nicht passieren. 

Was will Swissdrive genau? Setzen Sie sich auch für Schulungen in diesem Bereich ein? 

Swissdrive ist eine nationale Vereinigung von Verkehrssicherheitsfachleuten, die in der Ausbildung tätig sind. Dazu gehören Fahrlehrer, Moderatoren für Neulenkerkurse und Verkehrssicherheitsinstruktoren. Unser Ziel ist es, die Verkehrsteilnehmer bestmöglich auszubilden. 

Wird innerhalb Ihres Verbandes diskutiert, ob man Driften gezielt schulen sollte? 

Man muss hier vorsichtig sein. Bei sogenannten Drift-Trainings geht es nicht primär darum, das Driften zu lehren, sondern vielmehr darum, den Teilnehmern die physikalischen Grenzen ihres Fahrzeugs und vor allem die Grenzen des eigenen Könnens aufzuzeigen. Denn das wird sehr oft stark überschätzt. Die meisten Menschen sind bereits bei niedrigen Geschwindigkeiten überfordert, ihr Fahrzeug zu kontrollieren. Deshalb ist es wichtig, ihnen in einer sicheren Umgebung zu zeigen, wie schwierig es tatsächlich ist, das Fahrzeug im Grenzbereich zu beherrschen – und vor allem, wie schnell dieser Grenzbereich erreicht wird. Das ist viel früher, als die meisten Fahrerinnen und Fahrer glauben.

Haben Sie eine Erklärung für die aktuelle Häufung solcher Unfälle?

Die Erklärung ist komplex, aber man kann sie relativ einfach herunterbrechen: Die Fahrausbildung in der Schweiz ist nicht ausreichend, um junge Fahrerinnen und Fahrer auf die Herausforderungen im Strassenverkehr vorzubereiten. Nach 15 bis 20 Fahrstunden glauben viele, dass sie alles über Fahrtechnik und Fahrphysik wissen. Das ist leider nicht der Fall, denn: Das wird auch nicht ausgebildet. Junge Menschen probieren dann Dinge aus, die sie nicht kontrollieren können, oft mit sehr leistungsstarken Fahrzeugen. Das Ergebnis sind die Unfälle, die wir aktuell sehen. Die Autos wurden in den letzten 40 Jahren rund zehnmal stärker, der Verkehr um ein mehrfaches dichter und komplexer. An der Ausbildung hat man jedoch kaum etwas verändert.

Was fordert Swissdrive für die Prävention? 

Es geht letztlich um eine fundierte Ausbildung. Wir müssen mehr Zeit und Ressourcen in die Fahrausbildung investieren, um die Fahrfähigkeiten der Menschen nachhaltig zu verbessern. Es ist wichtig, dass Fahrerinnen und Fahrer ihre eigenen Grenzen und diejenigen ihres Fahrzeugs kennen und verstehen. 

Sie plädieren also eher für eine Verbesserung der Ausbildung als für Massnahmen wie PS-Beschränkungen, wie sie gewisse politische Kreise fordern

Genau. PS-Beschränkungen sind eine schnelle, aber nicht unbedingt nachhaltige Lösung. Es ist im Grunde genommen reine Symptombekämpfung. Wie wenn ich einem Coiffeur sage: «Du darfst in den ersten zwei Jahren nach deiner Lehre nur mit maximal fünf Zentimeter langen Scheren schneiden, damit du niemanden verletzt.» Das macht aber natürlich niemand bei den Coiffeuren, und auch bei allen anderen Berufsgattungen hat man sich dazu entschieden, die Leute stattdessen richtig auszubildenden. Nachhaltiger wäre es deshalb, junge Fahrerinnen und Fahrer so auszubilden, dass sie die Kontrolle über leistungsstarke Fahrzeuge haben und die Konsequenzen ihres Handelns verstehen. 

Ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass die Leute die Fähigkeit haben, ein Auto auch im Grenzbereich zu kontrollieren? 

Nein, gar nicht. Sie müssen vor allem wissen, wie schnell der Grenzbereich erreicht ist, wie schnell die Grenzen des eigenen Könnens erreicht sind – und dass sie vieles nicht beherrschen. Es muss ihnen klar sein, dass solche Manöver niemals auf der öffentlichen Strasse stattfinden dürfen. Wer ausgebildet ist, weiss, wie schwierig es ist, ein Fahrzeug zu kontrollieren. Er oder sie käme nie auf die Idee, das auf öffentlichen Strassen zu versuchen. 

Gibt es Möglichkeiten für Fahrer, solche Fähigkeiten in sicherer Umgebung zu üben? Brauchen wir mehr Teststrecken für riskante Manöver? 

Es gibt in der Schweiz genügend Angebote und Strecken, auf denen man das machen könnte. Das Problem liegt im mangelnden politischen Willen, eine umfassende fahrerische Ausbildung zu unterstützen. Solange Autofahren als etwas betrachtet wird, das man «einfach so» können sollte, wird sich daran leider auch wenig ändern. Eines der ersten Argumente, wenn über die Fahrausbildung diskutiert wird, ist jeweils, dass die Ausbildung nicht teurer werden dürfe. Sie müsse eher günstiger werden. Wenn das der wichtigste Masstsab ist, dann werden wir es in der Verkehrssicherheit nicht über Symptombekämpfung hinaus bringen. Und die schweren Unfällen werden auch nicht massiv abnehmen.

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