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Verkehr •
Duell KGM Torres

Vorne Jeep – hinten Kinnhaken

Aus der koreanischen Allrad-Marke SsangYong wurde letztes Jahr KGM. Hoffnungsträger der krisengebeutelten Marke ist der Torres. Der Kompakt-SUV ist den Auto-Checkern von STREETLIFE an der letzten Auto Zürich durch sein freches, eigenständiges Design aufgefallen. Wie aber schlägt er sich im Alltags-Test?

Bartholdi: Neuer Name. Neues Modell. Neues Glück? Natürlich konnte ich den KGM-Stand an der Auto Zürich nicht links liegen lassen. Kollege Aellig wirkte zuerst wenig happy über meinen Vorschlag. Klar, wir hatten nicht viel Zeit, aber ich wusste sofort, dass unser knapper Zeitplan nur ein Vorwand Aelligs war, weil er kein grosser Fan unbekannter Marken ist. Seine Stimmung hellte sich aber auf, als er den Torres sah und selbst ich, der kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegenüber SUVs macht, fand den stattlichen Crossover cool. Er tritt selbstbewusst auf, erinnert mit den vertikalen Lamellen im Kühlergrill aber etwas an einen Jeep. Vielleicht war es genau diese Ähnlichkeit, die den Abenteurer in mir angesprochen hat. Während bei Aellig schon die Bezeichnung SUV reicht, damit er aus dem Häuschen ist.

Aellig: Bartholdi irrt sich. Gerade als SUV-Fan beurteile ich SUVs besonders kritisch. Dabei setze ich die Messlatte bei neuen SUVs weder an Offroad-Ikonen wie Bronco oder Land Cruiser noch an Publikumslieblingen wie den VW Tiguan an. Mir genügt es bereits, wenn ein neuer SUV Charakter zeigt. Mein erster Eindruck vom KGM Torres war positiv. Die Designsprache ist kantig, wuchtig und nur beschränkt kopierfreudig. Hauptmerkmal ist die dominante, silbrige C-Säule. Auch mit dem leichten Knick im Dach ist den koreanischen Designern ein Alleinstellungsmerkmal gelungen. Schön wirken auch die nischenartigen, schmalen Seitenfenster. Typisch asiatisch: Der Torres sucht den leicht protzigen Auftritt. Erster Eindruck: KGM bietet eine Menge SUV für weniger als 50’000 Franken.

Pentti Aellig

Schon als Kind begeisterte ich mich für Autos. Mit 12 fuhr ich (unerlaubterweise) bereits mit dem elterlichen Citroën 2CV herum. Mit 15 reiste ich alleine an ein Formel-1-Rennen in Monza. Und mit 22 kaufte ich mir einen Peugeot 205 GTI. Die Liebe zu dynamischen Hot Hatches ist geblieben: Als jahrelanger Porsche 911-Fahrer bin ich im Zeitalter der Klimaproteste auf einen unauffälligen Toyota GR Yaris umgestiegen. Die vielen neu erscheinenden Steckerautos verfolge ich neugierig, aber die Entwicklung ökologisch verbesserter Verbrennermotoren schreibe ich noch nicht ab.

Versteckt günstig?

Bartholdi: Ein dreiviertel Jahr ist seit der Zürcher Messe vergangen – und da steht der Torres abholbereit vor mir. Legen wir los mit STREETLIFE-Auto-Check. Meine anfängliche Begeisterung hält dem ersten Wiedersehen stand. Als ich die Fahrertür öffne und hineinschaue, gefällt mir der Innenraum. Ja, es ist ein einfacher Trick: Den Hartplastik braun färben und braunes Kunstleder für Lenkrad sowie Sitze und schon wirkt der Innenraum schicker und teurer als in anderen Autos, wo alles Schwarz in Schwarz ist. Ich weiss sofort, das gefällt Kollege Aellig nicht. Er fällt nicht gerne auf mit den Autos – zumindest nicht mit günstigen. Deshalb bevorzugt er aussen wie innen dezente Farben.

Aellig: Bartholdi irrt sich nicht. Habe ich dem Torres für die Aussenwirkung noch gute Noten verteilt, packt mich im Innenraum beim hellbraunen Kunstleder leichtes Grauen. Immerhin bleiben keine sichtbaren Flecken zurück, falls ein Caramelköpfli auf das Kunstleder runterfällt. Aber zugegeben: Farbe ist Geschmackssache. Bartholdi würde sich vermutlich sogar für mintgrünes Kunstleder begeistern. Höhepunkt der koreanischen Designkunst ist das ovale Lenkrad, welches Kunstleder, Klavierlack, grauen Kunststoff und chromfarbigen Plastik vereint. Da wäre weniger mehr gewesen. Positiv: Vorne wie hinten bietet der Torres viel Kopffreiheit.

Viele Screens und doch angestaubt

Bartholdi: Das Cockpit verfügt über einen zweiten Kniff, mit dem KGM den Torres teurer wirken lässt, als er effektiv ist. Ganze drei Bildschirme finden sich hier, zwei davon sind Touchscreens. Digitale Instrumente, ein Multimediasystem und darunter ein Touchscreen für die Klimaanlage. Von Audi kopiert? Stört mich nicht wirklich. Da die Klimaanlage nicht in einem Untermenü versteckt ist, kann darüber hinweggesehen werden, dass es keine echten Schalter sind. Und die Schaltflächen sind gross genug, um sie auch während der Fahrt ohne grössere Ablenkung bedienen zu können.

Aellig: Eine konservative, treue Käuferschicht schwört auf die koreanischen Allradler von KGM. Vermutlich würden manche Torres-Käufer mehr klassische Kipp- oder Drehschalter begrüssen, müssen sich aber an den drei Bildschirmen bedienen. Vorbildlich ist die ergonomische Orientierung zum Fahrer hin. Verglichen mit dem ultramodernen Interieur des koreanischen Kia EV9 wirkt der Torres irgendwie leicht angestaubt.

Martin A. Bartholdi

Mit dem Autofieber haben mich die Kult-TV-Serie «Knight Rider» und das Formel-1-Rennen in den Strassenschluchten von Monte Carlo infiziert. Noch heute zaubern mir US-Sportwagen mit langen Motorhauben wie der Ford Mustang und wendige Kurvenkratzer wie der Mazda MX-5 ein Lächeln ins Gesicht. Mit Kombis und vor allem SUVs kann ich allerdings nur wenig anfangen, dann doch lieber echte Geländewagen. Wohl die Schuld des Computerautos K.I.T.T. ist auch, dass ich gerne neue technische Spielereien ausprobiere, seien es Assistenten, Infotainment oder Vernetzung.

«Schlagende» Argumente

Bartholdi: Das dürfte nicht nur Aellig ein Lächeln ins Gesicht zaubern. KGM hat mich mit seinem coolen Look auch etwas hinters Licht geführt. Die Heckklappe des Torres macht mit der Andeutung eines Reserverades etwas auf Land Rover Defender. Dass es Fake ist, ist aber gut zu sehen. Doch der rechtsseitige Griff vermittelt den Eindruck, die Heckklappe würde zur linken Seite hin öffnen. Ich staune nicht schlecht, als die Klappe nach oben schwingt – und mein Kinn trifft… Der grosszügige Kofferraum von 703 Litern kann mich nach diesem Vorfall nur mässig besänftigen.

Aellig: Da haben sich die Koreaner in der Höhe wohl verrechnet – sie sind davon ausgegangen, dass sich die Heckklappe über Bartholdi hinweg öffnet. Beim Entwurf des nächsten Autos wird STREETLIFE mit dem 3D-Drucker einen Bartholdi in Originalgrösse erstellen und zu KGM schicken. Aber mein Auto-Checker-Kollege hat schon recht: Mit rechtem Heckklappengriff nach links antäuschen und dann nach oben öffnen ist gemein.

Gemächlicher Zeitgenosse

Bartholdi: Beim Fahren lässt sich der Preis dann nicht mehr kaschieren und die anfängliche Begeisterung gerät ins Wanken. Der 163 PS starke Turbobenziner ist ein gemächlicher Zeitgenosse, geht aber trotzdem sehr vernehmlich zu Werke. Weiter ist das Lenkgefühl etwas synthetisch, und ich wünsche mir etwas mehr Rückmeldung. Aber in Anbetracht eines 4,7 Meter langen Allrad-SUV für nicht einmal 50'000 Franken können wir darüber hinwegsehen. Wer den KGM Torres kauft, will ein einfaches und bezahlbares Fahrzeug. Und der Komfort geht für den Preis in Ordnung. Da sollte mir eigentlich auch Aellig nicht widersprechen können.

Aellig: Ich widerspreche Bartholdi nicht. Der Motor wirkt kraftlos. Klar, wenn der typische Torres-Käufer zwischen Hochleistungsmotor und einem kostengünstigen Kaufpreis entscheiden muss, verzichtet er gerne auf übertriebene Leistung. Trotzdem wirken die 163 PS schlicht untermotorisiert und wenig reaktionsfreudig. Die Servolenkung müsste direkter ausgelegt sein und progressiver reagieren.

Unser Fazit

Bartholdi: Wer einen bezahlbaren SUV mit viel Platz und Allrad sucht, kommt am KGM Torres nicht vorbei. Die Koreaner haben keinen überragenden, aber sehr soliden Crossover auf die Räder gestellt. Für den etwas trägen Vierzylinder gibt es inzwischen mit der Elektroversion eine etwas spritzigere und kultivierte Alternative. Weiter bietet der Torres eine schnittige Optik, ein grosszügiges Platzangebot und eine simple Bedienung. Im Innenraum wirkt er sogar luxuriöser als der Preis vermuten lässt.

Aellig: Für einen Kampfreis bietet KGM mit dem Torres einen grossen, robusten SUV. Das Design wirkt eigenständig. Beim Klopfen auf die Karosserie klingt es fast schon nach Stahl aus früheren, wertigeren Zeiten. Der Motor wird dem sperrigen SUV zu wenig gerecht, aber der Torres wird unter Jägern, Waldbesitzern, Bergbewohnern, Landwirten und Tiefstapplern seine Fangemeinde finden.

KGM Torres «1st Edition» AWD: Facts

  • Motor: 1.5-R4-Turbo-Benziner 163 PS (120 kW), 280 Nm@1500/min
  • Antrieb: 6-Gang-Automatik, 4x4
  • Fahrleistung: 0-100 km/h in 8,8 s, Höchstgeschwindigkeit 191 km/h
  • Verbrauch: 9,1 l/100 km = 207 g CO₂/km, Energieeffizienz F
  • Masse: Länge/Breite/Höhe: 4,70 m / 1,89 m / 1,72 m
  • Laderaum: 703 bis 1662 l
  • Leergewicht: 1618 kg, Anhängelast ungebremst/gebremst: 750 kg/1216 kg
  • Preis: ab 47’340 Fr.

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