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Von 64'000 Schweizer Autos fehlt jede Spur
Jedes Jahr erreichen in der Schweiz rund 250'000 Autos das Ende ihrer Laufzeit. Sie werden ausgemustert, recycelt oder kommen in den Export. 2024 sind während diesem Prozess 64'000 Fahrzeuge verschwunden. STREETLIFE hat bei der Stiftung für Auto Recycling Schweiz nachgefragt, wie es dazu kommt.
Das Auto hat über 200'000 Kilometer auf dem Tacho und das nächste Aufgebot zur Motorfahrzeugkontrolle flattert ins Haus. Wer die Prüfung bestehen will, sollte sich spätestens jetzt diese Fragen stellen: Sind die Bremsen in gutem Zustand? Entsprechen die Stossdämpfer den Sicherheitsstandards und ist die Lenkung einwandfrei? Treten Mängel auf, müssen diese vor dem Kontrolltermin behoben werden – doch das geht schnell ins Geld.
Statt in das gebrauchte Modell zu investieren, entscheiden sich viele lieber für ein neues Auto. Aber was passiert danach mit dem alten? Pro Jahr erreichen hierzulande rund 250'000 Personenwagen das Ende ihrer Laufzeit. Sie werden abgemeldet und ausgemustert. Danach dürfen sie in der Schweiz nicht mehr gefahren werden.
«Rund 145'000 Stück kommen als Occasionsfahrzeugen in den Export. Definitiv in einem Schweizer Shredder landen 40'000 bis 60'000 Altfahrzeuge», erklärt Daniel Christen, Geschäftsführer der Stiftung Auto Recycling Schweiz. Bei den Exportzahlen bezieht sich Christen auf die offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit BAZG.
Das ergibt zusammen aber lediglich rund 200'000 Fahrzeuge. Es fehlt ein grosser Teil der stillgelegten Autos. «2024 waren es 64'000 Fahrzeuge. Ihr Verbleib ist unbekannt», erklärt dann auch der Geschäftsführer von Auto Recycling Schweiz. Die Organisation wurde 1992 von der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure auto-schweiz gegründete, um die umweltgerechte Entsorgung von Motorfahrzeugen zu fördern und Stoffkreisläufe zu schliessen.
Export ohne Meldung?
Gemäss Christen stehen abgemeldete Fahrzeuge für eine Zeit bei Autohändlern oder auf Occasions-, Schrott- oder Exportplätzen. «Wir gehen aber davon aus, dass auch diese Fahrzeuge im Export landen», erklärt er. Offensichtlich aber nicht immer ganz legal. Denn Fahrzeuge, die definitiv die Schweiz verlassen, müssten bei einer Zollstelle für Handelswaren zur Ausfuhr angemeldet werden. Dass ein Teil der Fahrzeuge irgendwo in der Schweiz auf öffentlichem Grund herumsteht, schliesst Christen aus. «Wild abgestellte Autos sind selten, da der Urheber mittels Chassisnummer in der Regel ausfindig gemacht werden kann.»
Warum aber werden Schweizer Autos überhaupt ins Ausland exportiert? Laut Christen seien die Fahrzeuge oft noch in sehr gutem Zustand. «Das liegt an unseren strengen Motorfahrzeugkontrollen», erklärt er. Fallen beim Auto aber grössere Reparaturen an, lohne sich die Instandsetzung im Verhältnis zum Wert des Fahrzeuges nicht mehr. In den Zielländern seien diese Werkstattkosten deutlich kleiner und die geflickten Autos fahren gerne noch «100'000 Kilometer und 10 weitere Jahre», so Christen.
2024 war Serbien die Top-Abnehmerdestination für Schweizer Occasionen. Von den insgesamt 143'986 exportierten Fahrzeugen gelangten 27'536 Autos in den Balkanstaat. Also fast jedes fünfte Auto. Der durchschnittliche Fahrzeugpreis lag bei 2948 Franken. Auf den weiteren Plätzen folgten Polen, Frankreich, und Bulgarien.
Die vom BAZG publizierte Liste zeigt aber auch: Die Annahme, dass Schweizer Autos mehrheitlich auf den afrikanischen Kontinent verschifft werden, ist falsch. Mit 10'374 exportierten Fahrzeugen liegt Libyen auf dem fünften Platz. An 14. Stelle folgt der westafrikanische Staat Togo mit 2202 Fahrzeugen, noch weniger Autos gehen nach Niger (1163) und Benin (1071). Eine Entwicklung, die auf neue Umweltvorschriften zurückzuführen ist. Ein Teil der westafrikanischen Staaten begrenzt den Import von zu alten oder umweltverschmutzenden Fahrzeugen.
Gibt es beim Export auch von Schweizer Seite Einschränkungen? Das Bundesamt für Umwelt BAFU hat eine Reihe von Kriterien festgelegt. So kann ein Auto nur dann exportiert werden, wenn es fahrtüchtig ist, nur leichte Schäden aufweist und keine verbotenen Substanzen wie schädliche Kühlmittel enthält. Nicht exportierbare Fahrzeuge werden dann zu kontrollpflichtigen Abfällen. Sie werden recycelt und geschreddert.
So funktioniert das Autorecycling in der Schweiz
Schritt 1
Flüssigkeiten wie Motorenöl, Treibstoff und Kühlmittel extrahieren
Schritt 2
Batterien und Pneus entfernen – sie können wiederverwendet und rezykliert werden
Schritt 3
Ersatzteile demontieren – Altfahrzeuge sind eine wertvolle Quelle für noch benutzbare Motoren, Getriebe, Türen, Radios etc.
Schritt 4
Das Auto verschrotten – Stahl sowie Aluminium und Kupfer werden voneinander getrennt. Beim Schreddern werden zudem Stoffe wie Magnesium, Kupfer, Messing gewonnen, sie werden mit einem Überbandmagneten abgeschieden. Zwei Drittel des Fahrzeuges können rezykliert werden. Der Rest wird verbrannt.
«Die Wiederverwendung hat Vorrang vor der stofflichen und der energetischen Verwertung. Allerdings muss die Verwertung technisch möglich und wirtschaftlich tragbar sein», erklärt Christen. Das schreibt das Umweltschutzgesetz USG unter Art. 30d so vor. Dort heisst es: «Abfälle müssen der Wiederverwendung zugeführt oder stofflich verwertet werden, wenn dies technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist und die Umwelt weniger belastet als eine andere Entsorgung oder die Herstellung neuer Produkte.»

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