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«Tempo ist nicht Hauptursache für Unfälle»
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung wirft Peter Schilliger vor, seine Motion gefährde die Verkehrssicherheit. Der FDP-Nationalrat sieht das anders: Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss liessen sich auch bei Tempo 50 vereinen.
Im März publizierte das Bundesamt für Strassen ASTRA die Strassenverkehrsunfall-Statistik 2023. Diese zeigt: Letztes Jahr gab es weniger Verkehrstote, dafür mehr Schwerverletzte. Für die Behörde eine insgesamt negative Entwicklung, denn die Zahlen seien wie bereits 2022 «hoch», so das ASTRA.
Zahlen im Überblick
Jahr | Getötete | Schwerverletzte |
2023 | 236 | 4096 |
2022 | 241 | 4002 |
2021 | 200 | 3933 |
2020 | 227 | 3793 |
2019 | 187 | 3639 |
Damit geraten das ASTRA und die BFU mit ihren Zielen zur Verkehrssicherheit unter Druck. Das ASTRA hat sich bis zum Jahr 2030 weniger als 100 Tote und 2500 Schwerverletze als Ziel gesetzt. Und die Beratungsstelle für Unfallverhütung peilt für nächstes Jahr maximal 160 Verkehrstote und 3200 Schwerverletzte an. Es sollen Zwischenetappen sein bis zur angestrebten Vision Zero, also einer Schweiz ohne Verkehrstote.
Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsachsen gefordert
Doch wie sollen diese Ziele nun erreicht werden? Die BFU setzt sich für die vermehrte Einführung von Tempo 30 innerorts ein – auch auf Hauptverkehrsachsen, wenn nötig. «Die BFU ist nach wie vor der Überzeugung, dass Tempo 30 nicht ausschliesslich in Wohnquartieren umgesetzt werden soll – sondern – wo es die Verkehrssicherheit erfordert – auch auf verkehrsorientierten Strassen», sagt BFU-Mediensprecherin Mara Zenhäusern. Das betreffe vor allem Strassen, die beidseitig dicht bebaut und auf denen viele Menschen zu Fuss oder mit dem Velo unterwegs seien. Diese Gruppe sei im Strassenverkehr nämlich besonders gefährdet. «Es zeigt sich ein Trend zu mehr Unfällen bei Fussgängerinnen und Velofahrern. Diese negative Entwicklung macht uns Sorgen», so Zenhäusern.
Kritik und Ablehnung für Tempo-30
Die Forderung nach mehr Tempo 30 stösst jedoch bei vielen Autofahrenden und auch in der Politik auf Kritik. Und gerade kürzlich erteilte das Parlament den Tempo-30-Befürwortern eine Schlappe, als es der Motion von Nationalrat Peter Schilliger (FDP) zustimmte: Diese fordert auf Hauptachsen innerorts generell eine Geschwindigkeitslimite von 50 km/h.
Darüber zeigt sich die BFU wenig erfreut: «Tatsächlich sind die Verkehrssicherheitsziele des Bundes durch die Annahme der Motion Schilliger gefährdet: Rund 60% aller schweren Verkehrsunfälle in der Schweiz passieren innerorts, der weitaus grösste Teil auf Tempo-50-Strecken.»
Statistik mit Vorbehalt zu geniessen
Diesen Vorwurf lässt Peter Schilliger nicht auf sich sitzen. Der FDP-Nationalrat weist darauf hin, dass das Tempo laut Statistik nicht das Hauptproblem bei der Unfallursache darstellt: «Die Geschwindigkeit ist nur die fünfthäufigste Unfallursache nach Ablenkung, unangemessenem Fahrverhalten, Missachtung von Vortrittsregeln und dem Zustand des Verkehrsteilnehmers.» Ausserdem verweist Schilliger auf die Anzahl der Tempo-50-Strecken: «Es ist logisch, dass der grösste Teil der Unfälle in Ortschaften mit einer Geschwindigkeitslimite von 50 km/h passiert. Der Anteil des Strassennetzes mit Tempo 50 ist ja auch deutlich höher als jener mit Tempo 30 – und in vielen Gemeinden trifft das auch auf enge Quartierstrassen zu.»
Die Verkehrsteilnehmer seien zum Unfallzeitpunkt auch nicht zwingend mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit unterwegs: «Trotzdem wird ein Radfahrer, der beim Fahren auf einem auf 50 km/h begrenzten Strassenabschnitt selbstverschuldet ausrutscht und sich dabei verletzt, in der Unfallstatistik bei den Tempo-50-Strecken erfasst werden.»
Über Sinn und Unsinn von Tempo 30
In der Diskussion ist man sich also einig, dass Tempo 30 eine gute Sache ist, da wo es Sinn ergibt. Doch bereits hier sind die Meinungen wieder gespalten. Auf Hauptverkehrsachsen sind sie Schilliger ein Dorn im Auge. «Jeder Strassentyp hat eine ganz bestimmte Funktion: Durchfahren, verbinden, sammeln, bedienen, mit einem Netz, das von der Arterie bis zum Kapillargefäss reicht.» Seine Motion ziele genau darauf ab, den Verkehr auf Strassen zu kanalisieren, die für eine Geschwindigkeit von 50 km/h ausgelegt seien. Das verhindere den Ausweichverkehr auf Quartierstrassen, wo die Geschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt werden könne. «Alle sind sich einig, dass mehr Verkehr in den Quartieren die Verkehrssicherheit deutlich verschlechtern würde», so Schilliger.

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