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Feuer in der Batterie

Sind Elektroautos wirklich brandgefährlich?

Das Autofrachter-Inferno in der Nordsee hat die Angst vor Elektroauto-Feuern angeheizt. Sind die Stromer brandgefährlich, riskiert man als Ersthelfer sogar das Leben? STREETLIFE beantwortet die zehn wichtigsten Fragen zur Feuergefahr – und wieso E-Autos nicht öfter, jedoch anders brennen.

Das Höllenfeuer währte hier tatsächlich fast ewig: Beinahe eine Woche lang loderte in der Nordsee der Autofrachter «Fremantle Highway». An Bord: 3700 Autos, darunter 500 elektrische. Ob wie laut ersten Gerüchten ein E-Auto den Brand auslöste? Das ist derzeit noch unklar. Klar ist: Das flammende Inferno auf See hat die diffusen Ängste vor brennenden Elektroautos buchstäblich neu angeheizt. 

Der Schiffsbrand und E-Auto-Brände auf der Strasse ähneln sich, weil nicht die E-Feuergefahr an sich, sondern das Löschen das Problem ist: Wie der Rumpf eines Frachtschiffs ist der Akku eines Stromers hermetisch abgeschottet – man kommt kaum an den Brandherd. Und es geistern viele Mythen dazu umher. Wir beantworten die zehn wichtigsten Fragen zur Feuergefahr von elektrischen Autos:

1. Brennen Elektroautos häufiger?

Nein, vermutlich sogar seltener als Verbrenner. Denn Stromern fehlen feuergefährliche Flüssigkeiten wie Öl und Sprit. Nur zwei von vielen Studien: Pro 100'000 Autos mit dem jeweiligen Antrieb fackeln in den USA 25 Elektriker pro Jahr, aber 1500 Verbrennern ab. Schwedische Versicherer sagen: E-Autos brennen zehn Mal seltener. Gesagt sei aber: Elektroautos sind im Schnitt jünger, also besser in Schuss. Das Risiko ist aber jedenfalls nicht höher, nur schaffen es brennende E-Autos häufiger in die Medien.

2. Warum brennen Elektroautos?

In erster Linie werden E-Autos aus denselben Gründen ein Raub der Flammen wie die Benziner und Diesel. Früher brannten Autos meist wegen Öl- oder Benzinlecks oder Vergaserbränden. Heute sind es unabhängig vom Antrieb Elektrikdefekte, selten Unfälle. Akku-Selbstentzündungen? Sind sehr rar.

3. Brennen Elektroautos schneller?

Gottlob nicht. Ist die Batterie unbeschädigt, bleibt wie beim Verbrenner minutenlang Zeit, ehe das ganze Auto brennt. Anders beim brennenden Akku, etwa nach einem Crash: Wie beim «normalen» Auto der auslaufende Sprit eines zerrissenen Tanks kann sich das Feuer dann in einer Kettenreaktion, dem «thermal Runaway» (siehe Box), in Sekunden ausbreiten. In beiden Fällen gilt: Dies ist selten und führt zu Verpuffungen (Sprit) und Stichflammen (Strom), nicht jedoch Explosionen wie in Hollywood.

 

Wenn die Batterie durchdreht

Wir alle kennen Youtube-Videos von Stichflammen aus Laptop-Batterien. Dabei handelt es sich meist um den sehr seltenen «thermal Runaway», das thermische Durchgehen der Batterie: Kurzschlüsse durch Verunreinigungen oder Schäden verursachen eine chemische Kettenreaktion. Eine Batteriezelle überhitzt, entflammt und erhitzt die Zelle daneben – ein Dominoeffekt. Diese Reaktion läuft sogar unter Luftabschluss (auch unter Wasser) weiter und kann nach dem Löschen erneut zünden, weil sie eigenen Sauerstoff erzeugt. Zur Druckentlastung brechen Berstscheiben: Dort tritt die Flamme aus, dort kann auch Löschwasser eingeleitet werden. Neuere Zellchemie unterdrückt den Dominoeffekt.

4. Sind Tiefgaragenverbote berechtigt?

Nein, sogar Gebäudeversicherer halten das für Unsinn. Die Empa hat im Versuchsstollen Hagerbach SG getestet: Zwar sind die Brandtemperaturen im Akku sehr hoch, aber die sogenannte Brandlast des E-Autos entspricht Verbrennern. Genau wie auf Schiffen gilt im Tunnel oder der Tiefgarage daher: Ein E-Auto richtet zwar nicht weniger, aber eben auch nicht mehr Schäden an als jedes brennende Auto. 

5. Sind E-Autos schwierig zu löschen?

Aber hallo! Für einen Verbrenner reichen 500 bis 1000 Liter Wasser. Anders beim E-Auto: Weil der Akku ein wasserdichtes Gehäuse hat, lodert es im Verborgenen. Meist kann nur von aussen gekühlt werden; dazu sind 5000 bis 10'000 oder mehr Liter Wasser nötig, also oft mehrere Tanklöschfahrzeuge. Hauptproblem: Gelöschte Akkus können sich selbst wieder entzünden, deshalb muss das Auto dann 24 Stunden lang in ein Wasserbecken. Gesagt sei aber auch: Autobauer und Feuerwehr rüsten nach, da gibt es Löschlanzen und gar wassergefüllte mobile Autohüllen. Auch Reeder müssen nachrüsten: Auf Autofrachtern wie der «Fremantle Highway» fehlen Löscheinrichtungen für E-Auto-Feuer noch.  

6. Hört sich mühsam an. Gibt es auch Positives?

Ja. Verbrennerautos in Flammen setzen häufig weitere Autos oder sogar Gebäude in Brand, weil Sprit und andere Betriebsstoffe auslaufen und die Umgebung entzünden. Sowas passiert bei E-Autos nicht. 

7. Sind die Brandgase eigentlich giftiger?

Jein. Zwar kommen beim E-Auto bestimmte Stoffe wie Flusssäure oder Kobaltoxid hinzu, aber der Brandrauch ist bei jedem Auto hochgiftig. Heikler ist die Entsorgung: Das Löschwasser enthält viele Giftstoffe und muss deshalb gezielt behandelt werden wie die Reste der Antriebsbatterie als Sondermüll.

8. Droht mir als Helfer ein Stromschlag?

Nein. Bei einem Unfall oder Brand wird die ganze Hochvoltanlage automatisch vom Akku getrennt: Man darf, kann und soll (und muss gesetzlich) Hilfe leisten und muss auch keine Explosion fürchten. Sicherheitshalber sollte man nie die orangen Hochvolt-Kabel im Motorraum berühren und bei Feuer selbst nie mit (leitendem) Wasser löschen, sondern mit (nicht leitendem) Pulver aus Handlöschern.

9. Bezahlt die Versicherung den Schaden?

Ja. Bei einem «normalen» Autofeuer trägt die Voll- oder Teilkasko den (meist Total-)Schaden. Hat man nur Haftpflicht, zahlt auch beim E-Auto niemand. Bei Unfällen greift die Haftpflicht des Verursachers.

10. Kann ich Bränden vorbeugen?

Auf jeden Fall: Wie bei allen Antrieben gilt Einhalten der Wartungsvorschriften als beste Vorbeugung. Hinzu kommt bei E-Autos: Die Ladestationen sollte ein Experte fachgerecht installieren. 

 

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