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Politik & Wirtschaft •
Kampfzone Verkehr

Diese Vorstösse sind 2024 umstritten

Auch 2024 wird die Verkehrspolitik für Bund und Kantone eine wichtige Rolle spielen. STREETLIFE zeigt dir drei interessante Vorstösse aus Bundesbern, welche in diesem Jahr behandelt werden. Zudem gelangt 2024 das VCS-Referendum vor das Volk. Und zwei kantonale Interpellationen finden auch über die Kantonsgrenzen hinaus Beachtung.

Roter Teppich für Lastenvelos 

Auch 2024 muss das Parlament in Bundesbern eine ganze Reihe von Verkehrsvorstössen behandeln. Stellvertretend seien an dieser Stelle drei politische Vorstösse erwähnt. Zwei davon wollen den Individualverkehr gezielt benachteiligen. Einer will Tessiner Autofahrer gezielt bevorzugen. Beispiel 1 ist die Motion der grünen Nationalrätin Delphine Klopfenstein Broggini. Sie will dem Lastenvelo den roten Teppich ausrollen und den Bundesrat damit beauftragen, die Signalisationsverordnung anzupassen. Neu sollen Autoparkplätze für das Abstellen von Lastenvelos generell benutzt werden dürfen. Die grüne Parlamentarierin agiert schlau. Mit keinem Wort erwähnt ihr Motionstext allfällige Parkgebühren – vermutlich sollen den Lastenvelos alle Parkplätze kostenlos zu Verfügung gestellt werden. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion, welche 2024 im Parlament behandelt wird.

Halbtax-Abo abschaffen 

Für Beispiel 2 ist die grüne Zürcher Nationalrätin Marionna Schlatter zuständig. Mit einer verwegenen Motion will sie die Mobilität auf Klimakurs bringen. Dazu sollen die Einstiegshürden für den öffentlichen Verkehr massiv gesenkt werden. Schlatters Motionsidee: Das Halbtax-Abo abschaffen. Was die Nationalrätin der Grünen konkret will: Halber Preis für alle. Bei diesem volkswirtschaftlich freihändigen Vorstoss wundert es wenig, dass auch die Grünen Balthasar Glättli und Isabelle Pasquier-Eichenberger mitunterzeichnet haben. Der Bundesrat warnt, dass durch den Wegfall von rund 3 Millionen Halbtax-Abos eine halbe Milliarde Franken Einnahmen fehlen werden. Zudem wären weitere dramatische Mindereinnahmen zu erwarten, weil auch das Geld der Vollpreiszahlenden wegfallen würde. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion. 

Sonderspur für Tessiner 

Beispiel 3 verfügt über ein hohes Präjudiz-Potenzial. Der Tessiner Mitte-Ständerat Fabio Regazzi will den Bundesrat beauftragen, in einem Bericht zu beurteilen, ob beim Gotthardtunnel eigene Fahrspuren für Fahrzeuge mit Tessiner und Urner Kennzeichen realisiert werden könnten. Für Berufspendler aus den Kantonen Tessin und Uri sind die Stausituationen, verursacht durch den Transitverkehr, enorm belastend. Der Bericht des Bundesrats wird 2024 erwartet – er soll den Bericht des Postulats «Verbesserung des Verkehrsmanagements und der Umgang mit Ausweichverkehr» des Urners Mitte-Nationalrats Simon Stadler ergänzen. Eine Realisation von prioritären Fahrspuren für Kantonsbewohner würde vermutlich eine Flut von ähnlichen Forderungen nach sich ziehen: Zürcher würden bestimmt gerne auf kantonseigenen Fahrspuren im Milchbucktunnel den Morgenverkehr hinter sich lassen. Oder Aargauer würden bei Stauaufkommen vor dem Bareggtunnel eine Tunnelröhre exklusiv für Aargauer Kennzeichen vermutlich begrüssen.

VCS-Referendum 

Noch im Januar 2024 wird das Referendum «gegen den Autobahn-Bauwahn» eingereicht. 72’000 Unterschriften sollen gemäss VCS gesammelt worden sein. Das Referendum will den Autobahn-Ausbau verhindern, welcher von Bundesrat und Parlament in einem demokratischen Prozess beschlossen wurde. Nun dürfen noch in diesem Jahr die Schweizer Stimmberechtigten über den 5,3-Milliarden-Ausbau mitentscheiden. Der VCS, welcher mit mehreren Organisationen (BirdLife Schweiz, Fussverkehr Schweiz, SP, JUSO, Grüne oder Greenpeace) das Referendum lancierte, blickt zuversichtlich auf die Abstimmung. Ob die auf das Auto angewiesenen Schweizerinnen und Schweizer, welche durch das massive Bevölkerungswachstum immer mehr im Stau stehen, auch den Ausbau des Strassennetzes verhindern wollen, wird die Abstimmung zeigen. Mit Ausnahme der rotgrünen Grossstädte gilt die Schweiz bisher eher als autofreundliches Land.

Altersschwacher A1-Deckbelag 

Eine kantonale Interpellation dürfte weit über die Kantonsgrenzen hinaus für Interesse sorgen, weil sie den nationalen Verkehr betrifft: Wegen dem schlechten Deckbelag wird die Höchstgeschwindigkeit auf der A1 zwischen Oftringen und Suhr auf 100 km/h reduziert. Offensichtlich hat der Deckbelag im erwähnten Abschnitt seinen Zenit überschritten und muss deshalb aus Sicherheitsgründen in beide Fahrtrichtungen beschränkt werden. Wie das zuständige Bundesamt für Strassen (ASTRA) mitteilte, gelten diese Massnahmen bis auf weiteres. Obwohl das ASTRA für die A1 zuständig ist, hat sich nun Rolf Jäggi, SVP-Grossrat des Kantons Aargau, in einer im November eingereichten Interpellation an den Aargauer Regierungsrat gewendet. Jäggi, Jurist und ehemaliger Gemeindeammann von Egliswil, bittet die Regierung um die Beantwortung von insgesamt vier Fragen. 

Gezielte Behinderung? 

Der Interpellant will wissen, ob der Regierungsrat vom ASTRA über den schlechten Belagszustand sowie über die geplante Temporeduktionsmassnahme orientiert wurde. Weiter will Grossrat Jäggi vom Regierungsrat wissen, weshalb eine zeitgerechte Instandhaltung des Deckbelages im genannten Streckenabschnitt versäumt wurde. Tatsächlich werden die Beantwortungen von Jäggis Fragen weit über den Aargau hinaus auf Interesse stossen. Autofahrer der ganzen Schweiz werden sich vermutlich darüber ärgern, dass auf einem verkehrsstrategisch wichtigen A1-Abschnitt die rechtzeitige Instandsetzung des Deckbelages versäumt wurde. Autobahnabschnitte mit solchen reduzierten Höchstgeschwindigkeiten gibt es immer mehr. Die Autofahrer müssen mit immer längeren Fahrzeiten rechnen. Da wird sich der eine oder andere Autofahrer fragen, ob der Individualverkehr vielleicht gezielt behindert wird.

Thurgauer im Tempo 30-Rausch? 

Will der Thurgauer Regierungsrat die Bodenseeregion durch eine exzessive Ausweitung von Tempo 30 in eine entschleunigte Region umwandeln? Der Kanton Thurgau plant gleich auf sechs Kantonsstrassenabschnitten Tempo 30 einzuführen. Das Tiefbauamt des Kantons beruft sich auf die Verordnung über den Lärmschutz- und Abgasschutzmassnahmen an Strassen (ASV) und will in Arbon, Bischofszell, Ermatingen, Kreuzlingen, Sirnach und Steckborn bestehende Reduktionen von Tempo 50 nun auf Tempo 30 umwandeln. Offensichtlich ist zudem die Umsetzung von Tempo 30 auf den Kantonsstrassen in der Innenstadt von Frauenfeld in Planung. Und bereits umgesetzt wurde beispielsweise Tempo 30 auf der Seestrasse in Berlingen.

Genügend Mitspracherecht? 

Startet die Thurgauer Regierung und das Tiefbauamt mit diesen Massnahmen eine regelrechte Entschleunigungsoffensive? Was sagen die Berufstätigen, welche auf das Auto angewiesen sind, zur stetigen Ausweitung von Tempo 30 in ihrem Kanton? Und wurde die Bevölkerung genügend miteinbezogen? Laut Aussagen eines Vertreters des Tiefbauamtes seien die bisherigen Temporeduktions-Massnahmen erfreulich. Weniger erfreulich sind manche Reaktionen aus den betroffenen Gemeinden. Deshalb wendet sich nun der SVP-Kantonsrat Oliver Martin, ein Unternehmer und Gewerbevertreter, mit einer Interpellation an den Regierungsrat. Martin will von der Thurgauer Regierung in insgesamt acht Fragen mehr über die Datengrundlagen wissen, welche zu den erwähnten Massnahmen führen. Zudem bemängelt er das ungenügende Mitspracherecht der betroffenen Bevölkerung. 

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