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Politik & Wirtschaft •
Klimaschutz als Luxusgut

Platzt der Traum vom günstigen E-Auto?

Seit Jahren wird Mantra-artig darauf hingewiesen: Der Markt braucht bezahlbare E-Autos. Wir brauchen Batterieautos, welche weniger als 20'000 Franken kosten. Wir brauchen günstige Kleinwagen für die umweltbewusste Fahrt zur Kita oder zum Bäcker. Leider scheint der Traum vom rentablen E-Kleinwagen definitiv zu platzen.

Überall werden bezahlbare E-Auto gefordert. Autoredakteure, Autoanalysten, Garagisten, Importeure und die CEOs der Automarken fordern unisono das Volksbatterieauto für unter 20'000 Franken. Der Blick auf den Markt fällt ernüchternd aus. Der Renault-Konzern scheint mit dem Dacia Spring als einziger Anbieter dem grossen Wunsch nach günstiger Elektrifizierung nachzukommen. Für 19'990 Franken bieten die Franzosen einen 3,71 Meter langen City-SUV an. Die Reichweite von 230 Kilometer genügt für die Fahrt zum Fussballverein des Juniors vollauf. Die Frage, ob der Micro-SUV von Dacia französische oder rumänische Wurzeln hat, ist schnell beantwortet: Der Dacia Spring wird bei Dongfeng im chinesischen Wuhan für den Renault-Konzern gebaut.

Kabinenroller für Senioren 

Eigentlich gäbe es noch ein weites E-Auto in dieser Preisklasse. Für die Schweiz bietet Elaris den chinesischen Dyo an. Preis ebenfalls 19'990 Franken. Leistung: bescheidene 47,5 PS. Mit dem Dyo konnte ich mich an der Auto Zürich überhaupt nicht anfreunden. Der Mikrochinese wirkt wie ein Kabinenroller für führerscheinlose Senioren. Das Handschuhfach fiel mir beim Öffnen gleich aus der Halterung. Kinder, welche von ihren Eltern mit dem Dyo zur Schule gefahren werden, sehen sich vermutlich Spott und Hohn ausgesetzt. Neben dem Dyo wird das Lastenrad zur echten Alternative. 

Kein Preis-Leistungs-Hammer 

Und welches sind die nächstteuren E-Autos in der Schweiz? Ab 22'000 Franken ist der Renault Twingo erhältlich. Der Twingo sieht echt cool aus und sorgt mit 83 PS für genügend Schub. Und die Reichweite scheint mit 190 Kilometer für das Erkunden des City-Dschungels ausreichend. Danach folgt der nur 2,70 Meter kurze Smart EQ Fortwo mit 27'000 Franken. Mit 82 PS erreicht er 132 Kilometer. Als Preis-Leistungs-Hammer kann man diesen Smart nicht gerade bezeichnen. 

Verlustgeschäft 

Somit scheinen die Franzosen mit ihrem Wuhan-Flitzer Dacia Spring als einziger europäischer Autokonzern dem Kundenwunsch nach bezahlbarer E-Mobilität zu entsprechen. Da aber beim Dacia Spring die Wertschöpfungskette grösstenteils beim chinesischen Dongfeng-Konzern liegt, wird dieser E-Zwerg für Renault kaum Gewinn abwerfen. Vielleicht legen die Franzosen bei diesem Modell sogar drauf. Mitbewerber Volkswagen stellte soeben die Produktion des VW e-Up ein. Grund: Der e-Up soll ein Verlustgeschäft gewesen sein. 

Keine Günstigmodelle für Europa 

Der Volkswagen-Konzern, welcher in einer tiefen Krise steckt, will bis 2026 10 Milliarden Euro einsparen. Allein die Personalkosten sollen um zwanzig Prozent nach unten gedrückt werden. Viele Angestellten bangen um ihre Jobs. Um den Anschluss an den global immer erfolgreicheren, chinesischen BYD-Konzern nicht zu verlieren, investiert Volkswagen in eine völlig neue, kostengünstige Elektroauto-Plattform. Es soll die Produktion von Fahrzeugen unter der magischen 20'000 Franken-Grenze ermöglichen. Grosser Wehrmutstropfen für Europa: Diese günstige E-Plattform wird ab 2026 ausschliesslich für Modelle der chinesischen VW-Partner SAIC (Schanghai), FAW (Changchun) und JAC (Hefei) verwendet. Für Europa werden sich die neuen Günstigmodelle nicht lohnen.

Fazit: 

Einerseits haben Länder wie die Schweiz oder Deutschland die E-Auto-Prämien gestrichen. Und andrerseits scheint sich die Produktion von günstigen E-Autos ausserhalb Chinas kaum zu lohnen. Der Traum für europäische Menschen mit geringer Kaufkraft, sich auch ein umweltbewusstes E-Auto leisten zu können, rückt in immer weitere Ferne. Umweltbewusstsein wird zum Luxusgut. 

 


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

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