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Politik & Wirtschaft •
Büro statt Fahrlehrer

Ex-Hockey-Star Della Rossa: «Neue Regelung ruiniert mein Business»

Er ist das prominente Gesicht der Krise im Fahrlehrer-Geschäft: Ex-Nati-Crack Patric Della Rossa arbeitet derzeit im Büro, um finanziell über die Runden zu kommen. Und er ist kein Einzelfall: Neue Gesetze treten im Fahrlehrer-Geschäft mächtig auf die Bremse, wie der Fahrlehrerverband L-Drive Schweiz bestätigt.

Als erfolgreicher Stürmer hat Patric Della Rossa unter anderem bei den ZSC Lions und in der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft (acht WM-Teilnahmen) bewiesen, dass er auf dem Eis austeilen, aber auch gut einstecken kann. Vor 14 Jahren hängte der Winterthurer die Schlittschuhe an den Nagel und übernahm die Fahrschule seines Vaters – ein Schritt, den er sich gut überlegt und mit viel Vorfreude angetreten hatte. 

Nun aber muss der ehemalige Captain des EHC Olten einen Tiefschlag verkraften, der ihn stärker schmerzt als jeder Body-Check auf dem Eis. Denn um finanziell über die Runden zu kommen, arbeitet der Ex-Profi inzwischen als Sachbearbeiter im Büro. «Inzwischen fast hauptsächlich – Fahrlehrer zu sein ist derzeit eher ein Hobby für mich», sagt er im Gespräch mit STREETLIFE und lächelt dabei gequält. 

Stunden halbiert 

Zum Lachen ist ihm tatsächlich weniger. Vor allem die neuen Regelungen aus Bundesbern treten dem L-Geschäft mächtig auf die Bremsen. Seit 2019 darf jeder, der die Fahrprüfung mit einem Automatikfahrzeug bestanden hat, auch manuell geschaltete Autos fahren. Fahrende müssen also nicht mehr die Prüfung auf einem Schaltwagen ablegen, um beide Getriebearten fahren zu dürfen. Das spürt Della Rossa – und zwar massiv: «Im geschalteten Auto habe ich pro Schüler oder Schülerin rund 30 Stunden verkauft. Mit Automaten-Prüfungen sind es noch knapp die Hälfte.» 

Noch eine Neuerung macht der Fahrlehrerschaft zu schaffen. Seit 2021 gilt: Bereits zwei Monate vor dem 17. Geburtstag können angehende Fahrerinnen und Fahrer ihr Lernfahrgesuch online einreichen. Doch wer den Ausweis in der Schweiz vor dem 20. Geburtstag beantragt, muss eine obligatorische Lernphase von zwölf Monaten durchlaufen. Die praktische Prüfung ist somit frühestens ein Jahr nach Ausstellung des Ausweises möglich. Diese Zeit sollte genutzt werden, um Fahrpraxis zu sammeln. 

Doch diese Zeit wird selten genutzt – zumindest nicht so, wie es die Fahrlehrer bräuchten. «Viele fahren hauptsächlich zu Hause mit den Eltern oder Bekannten. Das ist verständlich. Aber für uns bedeutet das: deutlich weniger Lektionen», sagt Della Rossa. Ein Jahr Fahrpraxis klinge auf dem Papier nach Sicherheit – in der Realität aber verpuffe der Effekt, weil niemand kontrollieren könne, ob die Jugendlichen tatsächlich fahren. «Wie soll ich wissen, ob jemand 50 Stunden übt oder fünf?», fragt er. 

Verband schlägt Alarm 

Was Della Rossa schildert, ist kein persönlicher Engpass – es ist Realität in einer Branche, die ums Überleben kämpft. Michael Gehrken, Präsident von L-Drive Schweiz, bestätigt das: «Seit drei, vier Jahren ist die Auftragslage sehr schwierig. Wir hören durch alle Regionen hindurch von einem Rückgang.» Besonders hart treffe es jene, die neu im Beruf sind und noch kein grosses Netzwerk haben. «Es gibt Fahrlehrer, die noch zwei, drei Schüler haben. Das reicht nicht mehr zum Leben.» 

Die Gründe sind klar – und decken sich mit dem, was Ex-Hockeyprofi Della Rossa erlebt. «Der Wegfall des Automaten-Eintrags hat einen massiven Effekt. Prüfungen auf Automaten führen im Schnitt zu deutlich weniger Fahrstunden», erklärt Gehrken. Und die neue Einjahres-Lernfrist führe dazu, dass Jugendliche später oder unregelmässiger lernen. Hinzu komme ein gesellschaftlicher Wandel: «Der Druck, sofort den Ausweis zu machen, ist vielerorts weg. Wer in der Stadt lebt, hat ÖV-Anschluss – und viele geben ihr Geld lieber fürs Reisen aus als für Fahrstunden.» 

Preise seit 30 Jahren fast gleich 

Pikant auch: Während die Aufträge wegbrechen, bleibt ein anderer Wert seit Jahrzehnten praktisch eingefroren – der Preis für eine Fahrstunde. 97 Franken kosten die ersten zehn Lektion bei Patric Della Rossa. Das ist nicht viel mehr als vor 30 Jahren, während alles andere teurer geworden ist: Miete, Versicherungen, Benzin, Milch.  

Der Grund? «Jugendliche können höhere Preise sonst nicht bezahlen. Ausserdem herrscht in der Branche mittlerweile ein Preiskampf», erklärt Della Rossa. Die Folge: Ein Beruf mit hoher Verantwortung und grossem zeitlichem Aufwand, der wirtschaftlich immer unattraktiver wird. Auch Della Rossa spürt das. «Für Weiterbildungen gebe ich schnell mal 300 oder 500 Franken aus, inklusive Lohnausfall. Und gleichzeitig gibt es Fahrschulen, die mit Gratisstunden und Kampfpreisen locken. Das alles macht ein erfolgreiches Fahrlehrer-Business enorm schwierig.» 

Silberstreifen am Horizont? 

Trotz diesem düsteren Bild sieht der Verband aber auch Chancen. «Die Zukunft des Berufs ist mittelfristig besser», betont Gehrken. Denn: Immer mehr Assistenzsysteme, die Automatisierung und eine komplexere Technik eröffnen für die Fahrlehrerschaft neue Perspektiven. «Der korrekte Umgang damit ist seit Sommer prüfungsrelevant. Das gibt zusätzliche Arbeit.» Zudem rückt damit eine neue Zielgruppe ins Blickfeld – Senioren. «Viele sind mit den neuen Systemen nicht vertraut. Da entsteht ein wachsendes Bedürfnis nach Refresh-Kursen und Coaching.» 

Della Rossa bemerkt diese Entwicklung bereits – aber zaghaft. «Ich gebe solche Kontrollfahrten, aber davon leben kann ich nicht.» Seine Vision wäre eine moderate Pflicht: «Eine bestimmte Anzahl und definierte Pflichtlektionen, auch weil Fahrstunden in der Schweiz – im Unterschied zu anderen Ländern – nicht obligatorisch sind. Das wäre fair, realistisch und würde sowohl die Qualität als auch die Sicherheit erhöhen.»  

Für den 50-Jährigen bleibt der Realitätsschock dennoch gross. Ein Leben lang war er gewohnt, Druck auszuhalten. Aber das hier ist ein anderer Kampf. «Ich habe gehofft, dass das Geschäft stabil bleibt. Die Corona-Zeit war super. Und dann, mit den neuen Bestimmungen, ist alles eingebrochen.» Dabei hilft ihm auch sein bekannter Name aus der Eishockey-Szene wenig. «Der Name bringt vielleicht die eine oder andere Empfehlung – aber er füllt dir keine Fahrschule.»  

Was ihm bleibt, ist Pragmatismus. Und der leise Wunsch, dass Bundesbern seine Regeln überdenkt. «Ab 17 ein Jahr warten – okay. Aber danach sollte es frei sein. Und Pflichtlektionen wären sinnvoll. Wir reden hier von Verkehrssicherheit.» Dann lehnt er sich zurück, lächelt kurz – und sagt: «Auf dem Eis wusste ich immer, wie lange die Saison noch dauert. Bei meinem Job als Fahrlehrer kann ich nicht sagen, wie lange ich ihn noch machen kann.» 

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