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Verkehr •
Im Berufsverkehr

Kolonnen-Reindrängler – zu welcher Kategorie gehörst du?

Im täglichen Morgenverkehr schlägt die grosse Stunde der Reindrängler. Skrupellos quetschen sie sich zwischen die engsten Lücken. Erzwungener Vortritt gehört zur Tagesordnung. Welche typischen Automobilisten-Kategorien gibt es rund um das Verkehrsthema Reindrängeln?

Jeder von uns kennt solche Verkehrssituationen: Auf der rechten Spur staut sich eine lange Autoschlange. Auf der linken Spur läuft der Verkehr flüssig weiter. Doch dann trennen sich die beiden Spuren. Rechts quält sich der Verkehr Richtung Innenstadt. Links rauschen die Autos auf der Transitspur weiter. Auf den letzten Metern, bevor eine ausgezogene Sicherheitslinie die Ausfahrt verbietet, kommt der grosse Moment der Reindrängler*.

Ohne Rücksicht auf Verluste quetschen sie sich in noch so enge Lücken hinein. Erzwungener Vortritt gehört zur Tagesordnung. Und falls das Reindrücken in letzter Sekunde misslingt, stoppen die egoistischen Automobilisten ihr Auto einfach mitten auf der Transitspur. Hochriskantes Anhalten mitten auf der schnellen Spur zwingt die anderen Verkehrsteilnehmer oft zur Vollbremsung – nicht selten kommt es zur Auffahrkollision.

Zeit einsparen

Schlussendlich geht es beim Reindrängeln darum, die geduldig anstehenden Autofahrer zu überholen und damit Zeit einzusparen. Reindrängler sind unterschiedlich erfolgreich. Im Zürcher Stadtverkehr wird einem Alpöhi im alten Subaru mit Urner Autokennzeichen aus Mitleid öfter ein Platz in der Schlange gewährt als einem Aargauer im brandneuen BMW-SUV. Aufkleber mit politisch fragwürdigen Statements wie «Free Palestine» oder «Make America Great Again» wird der Vortritt kaum freiwillig überlassen. Welche typischen Automobilisten-Kategorien gibt es rund um das Verkehrsthema Reindrängeln? Eine Übersicht von STREETLIFE-Kolumnist Pentti Aellig.

Der Serientäter

Zur besonders skrupellosen Gattung der Reinquetscher gehört der Serientäter. Jeden Morgen rast er an der stehenden Kolonne vorbei und nutzt sein langjähriges Know-how. Er kennt exakt die beste Stelle, um sich ganz vorne mit energischem Schwung in die Schlange zu drängen. Der Serientäter weiss genau: Es gibt immer unaufmerksame Verkehrsteilnehmer, welche beim Scrollen auf dem Handy vergessen, aufzuschliessen. Mit freundlichem Winken bedankt er sich für die freie Lücke – als ob der Hintermann ihn freiwillig reingelassen hätte.

Der Skrupellose

Die mühsamste, aber auch gefährlichste Gruppe der Reindrängler sind die Speziallisten des erzwungenen Vortritts. Erkennen sie zwischen zwei Stossstangen nur einen Meter Freiraum, zwängen sie sich dort gnadenlos rein. Der skrupellose Automobilist nutzt die Tatsache, dass der Durchschnittsschweizer nicht bereit ist, einen Crash in Kauf zu nehmen. Schwarze, nicht mehr fabrikneue BMW und Mercedes gehören zu den Standartfahrzeugen solch strapaziöser Strassenkämpfer. Oft sind diese Fahrzeuge durch viele Zwischenfälle entweder deutlich lädiert oder bereits mehrfach neu lackiert worden.

Der Geduldige

Jeden Tag schliesst der Geduldige korrekt hinten im Stau auf und wartet stoisch, bis der Verkehr wieder einen halben Meter vorwärts rollt. Aus Erfahrung oder dank Google Maps weiss er exakt, wie lange er jeweils warten muss. Der Geduldige kommt nie zu spät ins Büro und reicht seine Steuererklärung jeweils überpünktlich ein. In seinem weissen VW Passat Variant geniesst er die Zeitinsel zwischen den nervenaufreibenden Intrigen im Büro und dem kräftezehrenden Familienleben zuhause.

Der Unfaire

Ein wenig sympathische Zeitgenosse ist der unfaire Reindrängler. Auch er schiebt sich mit Gewalt vorne rein, ist aber unter keinen Umständen bereit, einem anderen Autofahrer die Chance zum Einfädeln zu gewähren. Nachdem er sich erfolgreich reingezwängt hat, fährt er danach bewusst sehr weit rechts in der Spur, damit optisch keine mögliche Lücke vor ihm sichtbar wird. Bettelt ein wartender und blinkender Automobilist um Einlass in die Schlange, schaut er auf die andere Seite.

Der Abstandhalter

Autofahrer, welche vor sich immer einen sehr grossen Abstand halten, wirken auf die hinter ihnen fahrenden Verkehrsteilnehmer psychisch zermürbend. Das bewusste Nichtaufschliessen zeiht einerseits den Stau unnötig in die Länge und gibt andererseits dutzenden Spurlücken-Raubtieren die Gelegenheit, um sich vorne dazwischen zu kämpfen.

* Dieser Text ist zugunsten der besseren Lesbarkeit situativ im generischen Maskulinum geschrieben. Selbstverständlich sind unter allen Reindrängler-Kategorien auch Frauen zu beobachten.


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

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