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«Das bringt für Autos und den ÖV nur Nachteile»
Die Studie «E-Bike-City» der ETH schlägt vor, in Zürich hauptsächlich Einbahnstrassen und Velowege zu kreieren. Das könnte aber das Gegenteil des gewünschten Effektes haben, sagen die Kritiker der Studie.
Sie hat hohe Wellen geschlagen und viele Reaktionen ausgelöst: eine Forschergruppe der ETH hat in einer Studie untersucht, wie im Stadtzürcher Verkehr Velofahrende mehr Platz einnehmen könnten. Ihr Vorschlag zur Verkehrsreduktion ist es, flächendeckende Einbahnstrassen für den motorisierten Verkehr und doppelspurige Velowege auf den freiwerdenden Spuren zu beschildern (siehe Infobox).
Nicht viel von den Vorschlägen der Forschergruppe hält die SVP der Stadt Zürich. «Aus meiner Sicht wurde die Verkehrslösung hier nicht zu Ende gedacht», sagt Stephan Iten, Gemeinderat und Vizepräsident der Ortspartei. Einfach schnell eine Einbahnstrasse auszuschildern sei zu einfach gedacht, fügt er an.
In der Studie wird konkret die Birchstrasse genannt. Iten fährt jeden Tag durch diese Strasse. «Ich weiss beim besten Willen nicht, wo bei einer einspurigen Verkehrsführung die Retourstrasse durchführen soll, ohne dass man einen grossen Umweg fahren muss.» Er verstehe nicht, wo bei solchen Lösungen der Klimavorteil sein soll, der in der Studie genannt wird. Das gleiche Problem hätte in dem Falle auch der öffentliche Verkehr, der ebenfalls eine andere Route nehmen müsse, was mehr Zeit beanspruchen würde.
Kapazität der Strassen darf nicht reduziert werden
Auch gibt Iten zu bedenken, dass man in Zukunft eher mit mehr denn mit weniger Verkehr rechnet. «Wie will man dies mit der Hälfte der bestehenden Infrastruktur lösen?», fragt er rhetorisch. Ebenfalls hat wohl der Kanton was dagegen: «Gemäss Beschluss darf die Kapazität der Strassen nicht abgebaut werden. Das geht mit der Studie nicht auf.»
Seine Lösung für das Klima bezieht sich auf das Verkehrsmittel: «Der Verkehr wird sowieso elektrifiziert, das ist Tatsache. Darum sollte dem Klima zuliebe die Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, damit diese Bewegung vorangetrieben wird.» So mache man den Verkehr grüner und nicht, indem man Infrastruktur abbaue. «Mit den Lösungen aus der Studie gibt es nur Nachteile: für den Individualverkehr, den ÖV, die Infrastruktur. Es wird mehr Chaos geben, mehr Schleichverkehr und mehr Verkehr in den Quartieren.»
Auch ACS nicht überzeugt
Ebenfalls nicht von der Studie überzeugt ist der Automobilclub der Schweiz (ACS). «Wir können den ideologischen Forderungen zugunsten eines einzelnen Verkehrsträgers nichts abgewinnen», wie Ruth Enzler, Präsidentin des ACS Zürich, auf Anfrage schreibt. Es brauche ausgewogene Lösungen, keine Verhinderungspolitik und kein gegeneinander ausspielen von Anspruchsgruppen.
Enzler glaubt auch nicht, dass die Studienergebnisse die Verkehrsprobleme lösen würden: «Wie will die ETH die Verbindungen zu anderen Kantonen oder zur Agglomeration Zürich sicherstellen?», fragt sie. Der ACS sei sich der Problematik der beengten Verhältnisse im Strassenraum vor allem in den Grossstädten sehr bewusst. Enzler fügt an: «Der Autoverkehr wird Bestandteil der Stadt Zürich bleiben.»
Kay Axhausen ist der Studienleiter am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH. Er widerspricht Iten und sagt, dass zwar die Autos durch die Umwege mehr CO2 ausstossen werden, aber «in der Summe die CO2-Bilanz verbessert wird.»
Der ETH-Professor erläutert auch, dass man mit der Studie nicht von «heutigen» Verkehrsproblemen ausgehen sollte: «Die klassischen Lösungen wie mehr Strassen oder Mobility Pricing sind auch nicht politisch aussichtsreich.»
Tiefbauamt sieht konsequente Velosicht
Innerhalb der Stadtverwaltung ist das Tiefbauamt für die Strassenplanung zuständig. Die Zwischenresultate seien «spannend», wie Evelyne Richiger, Medienverantwortliche des Tiefbauamtes, auf Anfrage mitteilt. «Die Strategie der Stadt geht in eine ähnliche Richtung: auch wir wollen eine Stadt der kurzen Wege», fügt sie an. Ob aber die gemachten Vorschläge die momentanen Verkehrsprobleme beheben würde, sei schwierig zu sagen, da die Lösungsansätze der ETH-Studie hypothetischer Natur sind, wie Richiger weiter erläutert.
Der Zürcher SVP-Gemeinderat Stephan Iten kann dieser Argumentation wenig abgewinnen. Ausserdem sieht er hinter der ETH-Studie eine politische Motivation: «Bei solchen Spielereien wird die Stadt zu einer reinen Wohn- und Grünzone.» Für ihn ist klar, dass die linksgrünen Kräfte das Auto aus der Stadt vertreiben möchte. «Da stellt sich für mich die Frage: Welchen Verkehr will man noch?»
Das Projekt «E-Bike-City»
Neun Professorinnen und Professoren des Instituts für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH haben im Projekt «E-Bike-City» das stadtzürcher Strassennetz umgekrempelt: Das Ziel des Projektes ist es, den Verkehr für die Velofahrer sicherer zu machen.
Dazu wurde eine Stadt entworfen, in der Einbahnstrassen für den motorisierten Verkehr vorherrschen. Der freiwerdende Platz würde für den Langsamverkehr (Fussgänger, Velos und E-Bikes) verwendet: neue, grosszügige Velospuren und breite Trottoirs würden das Stadtbild prägen. Der öffentliche Verkehr sowie Fahrräder hätten Vortritt.
Gemäss Studie könnte dies ohne bauliche Massnahmen bei 37 Prozent der Strassen bereits heute bewerkstelligt werden. Trotzdem wäre jedes Gebäude weiterhin mit dem Auto, Lieferwagen oder für Rettungskräfte erreichbar. Durch die Attraktivitätssteigerung des Langsamverkehrs bei zumindest einem Teil der Bevölkerung könnten gemäss der Studie auch Parkplätze aufgelöst werden.
Innerhalb des Projektes werden weitere Simulationen, Konzeptionen und Teilprojekten unterzogen. Ebenfalls soll eine Kosten-Nutzen-Analyse sowie eine Vertiefung der Entwürfe und Betriebsideen folgen. Endergebnisse werden im Jahr 2025 erwartet.
Wer möchte, kann sich über die Webseite www.ebikecity.ch Feedback zu den bisherigen Studienergebnissen geben.
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