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«Ein potenziell hohes Risiko für umfassende Bewegungsprofile»
Ab Juli 2024 sind sie in allen Neuwagen Pflicht: Event-Data-Recorder oder sogenannte Black Boxes. Bei einem Unfall zeichnen sie die Geschwindigkeit, das Bremsverhalten oder den Lenkwinkel auf. STREETLIFE hat beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) nachgefragt, wie er das neue Gesetz beurteilt.
Man muss es sich ähnlich vorstellen wie bei der Black Box im Flugzeug. Stürzt eine Maschine ab, setzen die Untersuchungsbehörden alles daran, den Flugschreiber – bestehend aus dem Flugdatenschreiber und dem Stimmenrecorder – zu bergen. Der Grund: Die darauf registrierten Daten geben Auskunft darüber, wie es zum Absturz kommen konnte und wie die Crew in den letzten Sekunden reagierte.
Der Event-Data-Recorder im Auto hat eine ähnliche Funktion. Rund um einen Unfall zeichnet das Gerät wichtig Informationen auf. Konkret: Wie schnell war das Fahrzeug unterwegs, wie war die Bremsreaktion des Fahrzeuglenkenden oder wie ausgeprägt war die Lenkeinwirkung. Ab Juli 2024 ist diese Vorrichtung in allen Neuwagen, die in der Schweiz eingelöst werden, obligatorisch.
Angst vor missbräuchlicher Datenauswertung
Damit folgt der Schweizer Gesetzgeber einer EU-Bestimmung. Und zwar der EU-Verordnung 2019/2144. Dort heisst es: «Die Einführung einer ereignisbezogenen Datenaufzeichnung […] in einem kurzen Zeitfenster vor, während und unmittelbar nach einer Fahrzeugkollision ist ein nützlicher Schritt bei der Gewinnung von genaueren, detaillierten Unfalldaten.»
Dem neuen Gesetz liegt das Bestreben der Europäischen Union zugrunde, die Zahl der Strassenverkehrsunfälle mit Todesfolge zu reduzieren. Im EU-Raum starben 2022 20'600 Menschen, in der Schweiz waren es in der gleichen Zeitperiode 241. Das Ziel der EU ist löblich, die Einführung der Verordnung allerdings bleibt nicht unumstritten. Die Angst vor missbräuchlicher Datenauswertung und der Verletzung des Datenschutzes wird von Kritikern ins Feld geführt.
Bedenken äussert jetzt auch der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) auf Anfrage von STREETLIFE. «Die obligatorische Ausrüstung aller Fahrzeuge mit diesen Sensoren ist datenschutzrechtlich selbstverständlich sensibel. Dies weil sie mit dem potentiell hohen Risiko von umfassenden Bewegungsprofilen verbunden ist», sagt Silvia Böhlen, Spezialistin Kommunikation beim EDÖB.
Bleiben die Daten anonymisiert?
Grundsätzlich sammle die Black Box bei einem Unfall anonymisierte Fahrdaten, wie es von Bund und Fachstellen heisst. Zudem sei die direkte Übermittlung nicht erlaubt, die Daten müssten mit speziellen Geräten aus dem Auto ausgelesen werden. Und das ist nur im Zusammenhang mit zivil- und strafrechtlichen Verfahren möglich. Wenn ein Gericht oder die Staatsanwaltschaft die Herausgabe verlange. «Die Verwertbarkeit von Beweismitteln in Gerichtsverfahren richtet sich nach dem Strafprozessrecht. Dieses geht dem Datenschutzrecht vor», erklärt Silvia Böhlen.
Doch im Ermittlungsverfahren seien klare Grenzen gesetzt. «Die Polizei darf die Daten nicht als Standardprozess auslesen und mit Personen verknüpfen, hierfür fehlt eine Rechtsgrundlage im nationalen Recht. Somit ist keine Präventivermittlung oder eine Vorratsdatenspeicherung durch die Polizei erlaubt.»
Dafür hat sich das EDÖB im Vorfeld stark gemacht. «Um die gewollte oder ungewollte Profilbildung zu verhindern, haben wir das Bundesamt für Strassen darin unterstützt, dass die datenschutzrechtlich erforderlichen Rahmenbedingungen gesetzt werden», so Böhlen weiter. Fahrgestellnummer oder Kontrollschild, aber auch Ort und Zeitpunkt des Unfalls seien demnach im Datenmaterial nicht erkennbar.
Löst eine Raserfahrt die Datenaufzeichnung aus?
«Nein», sagt Böhlen klar. «Eine Speicherung der Daten erfolgt ausschliesslich bei einem Unfall, wenn zum Beispiel der Airbag ausgelöst wird.» Selbst ein starkes Bremsen würde nicht für den Aufnahmestart ausreichen. «Auch bei mehreren Raserfahrten bleibt der Ereignisdatenspeicher leer.»

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