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Autoscanner in Birsfelden kommt vor Gericht
Die umstrittene Verkehrsanordnung der Basler Gemeinde Birsfelden sorgt seit Monaten für Diskussionen. Wer den Stau über Quartiere umfahren will, wird mit 100 Franken gebüsst. Jetzt zeigt eine STREETLIFE-Recherche: Acht Autofahrenden wehren sich und wagen den Gang ans Gericht.
Diese Scanner machen richtig Kasse: 100'000 Franken pro Tag hat die Gemeinde Birsfelden zeitweise mit Bussen verdient. Grund dafür ist eine seit dem 1. September gültige Verkehrsanordnung, um den Ausweichverkehr in den Wohnquartieren zu unterbinden (STREETLIFE berichtete). Dagegen haben 1000 Autofahrende pro Tag verstossen, sie wurden automatisch durch Kameras erfasst und mit 100 Franken gebüsst.
Gerichte entscheiden
Nun aber macht sich Widerstand bemerkbar. Mindestens acht Autofahrende akzeptieren diese Busse nicht, bestätigt der Leiter der Gemeindeverwaltung Birsfelden, Martin Schürmann, gegenüber STREETLIFE. «Uns sind acht Fälle bekannt, die explizit eine Überweisung an die Strafverfolgungsbehörde, sprich die Staatsanwaltschaft, gewünscht haben.» Noch liegen diese acht Beschwerden bei der Gemeinde. «Diese Fälle werden aktuell aufbereitet und bis spätestens Freitag, 14. November, an die Staatsanwaltschaft übergeben.» Weitere rechtliche Beschwerden gegen das Durchfahrtsverbot sind der Gemeinde nicht bekannt.
Unterstützung erhalten die acht Beschwerdeführenden vom TCS Beider Basel. Die stellvertretende Geschäftsführerin Birgit Kron erklärt: «Wir begleiten unsere Mitglieder, wenn sie rechtlich gegen die Busse vorgehen.» Dabei stellt Kron auch finanzielle Unterstützung in Aussicht. «Das heisst nicht, dass wir die Busse bezahlen, sondern beispielsweise im Voraus fällige Gerichtsgebühren übernehmen.»
Die Streitpunkte
Damit dürften die Gerichte final über die Legalität der Verkehrsanordnung entscheiden. Umstritten ist vor allem, ob die Autoscanner für die Eindämmung des Ausweichverkehrs verhältnismässig sind und ob diese Scanner überhaupt eingesetzt werden dürfen, weil sie nicht von einer Bundesstelle geprüft wurden, wie es beispielsweise für Geschwindigkeitsmessungen notwendig ist. Ausserdem hat das Bundesamt für Strassen ASTRA die Vermutung in den Raum gestellt, dass es sich bei der Lösung von Birsfelden um ein indirektes Roadpricing handelt.
So funktioniert die neue Verkehrsanordnung
Kameras erfassen die Kennzeichen aller Fahrzeuge, die ins Kontrollgebiet einfahren. Das System gleicht sie automatisch mit einer Liste der Berechtigten ab. Wer nicht dazugehört und das Gebiet innerhalb von 15 Minuten wieder verlässt, erhält eine Busse von CHF 100.–.
Berechtigt sind Einwohnerinnen und Einwohner von Birsfelden und des Muttenzer Freuler Quartiers, ansässige Unternehmen und Institutionen, sowie öffentlicher Verkehr, gekennzeichnete Taxis und Blaulichtfahrzeuge. Auch Besucherinnen und Besucher sind erlaubt, sofern sie länger als 15 Minuten bleiben.
Politischer Widerstand unwahrscheinlich
Von politischer Seite droht dem Autoscanner weniger Gefahr. Der Präsident der SVP-Fraktion im Landrat Baselland (Kantonsparlament), Markus Graf, sagte auf Anfrage von STREETLIFE: «Die SVP Baselland wird nicht politisch gegen die Verkehrsanordnung von Birsfelden vorgehen. Die Gemeindehoheit ist in unserem Kanton ein hohes Gut und Teil der Baselländer DNA.» Diese werde die SVP respektieren. Persönlich hat Graf Verständnis für die Gemeinde. «Die Situation ist für alle unhaltbar – auch für die Autofahrenden im Stau. Aber Wegzölle einzuführen, geht einfach nicht.» Immerhin, der TCS Beider Basel behält sich weitere Schritte vor, kündigt Birgit Kron an: «Der TCS versteht die Gemeinde Birsfelden und das Anliegen der Anwohner, aber das ist der falsche Weg. Wir prüfen weitere Massnahmen, allenfalls auch politische.
Geldsegen und Reklamationsflut
Bis dahin zahlt sich der Autoscanner für die Gemeinde Birsfelden doppelt aus. Der Verkehr auf den Quartierstrassen hat spürbar abgenommen, während die Bussen für einen Geldsegen in der Gemeindekasse sorgen. Nach aktuellem Stand wurden 52 Prozent der Bussen bezahlt. Bei 1000 Bussen pro Tag im September, sprechen wir bei vier Arbeitswochen à fünf Tagen von mindestens einer Million Franken.
Inzwischen hat sich die neue Regelung herumgesprochen. Die Anzahl ausgestellter Bussen hat deutlich abgenommen. «Anfang Oktober waren es noch durchschnittlich 460 Bussen pro Tag», erzählt die zuständige Birsfelder Gemeinderätin Désirée Jaun gegenüber STREETLIFE. «In der zweiten Oktoberhälfte waren es noch 185 pro Tag.»
Der Autoscanner hat aber auch eine Schattenseite für die Gemeinde Birsfelden. Die zuständige Gemeinderätin Désirée Jaun sagte: «Die Verwaltung wurde auf allen Kanälen überrannt: telefonisch, brieflich, per Mail und am Schalter. Einige Menschen waren sehr aufgebracht, aber zu Drohungen ist es glücklicherweise nicht gekommen.» Aus diesem Grund nimmt die Gemeinde Reklamationen und Rückfragen zum neuen Verkehrsregime nur noch per Online-Kontaktformular entgegen.

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