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Politik & Wirtschaft •
Noch weniger Platz für Autofahrende

«500 Parkplätze verschwinden» – Zürich baut Veloausleihstationen aus

Der durch PubliBike betriebene Verleih «Züri Velo» vergrössert sein Angebot. Für die Ausleihstationen will die Stadt Zürich vor allem Parkplätze umnutzen. Politiker befürchten einen Kahlschlag – und noch mehr Ärger für Autofahrende.

Auf dem Zweirad die Welt entdecken – der Veloverleih «Züri Velo» soll das möglich machen. Nur: Die Mietvelos kosten Geld und brauchen Platz. Für den Ausbau der Ausleihstationen sollen Strassenflächen und Parkplätze umgenutzt werden. Auch bereits bestehende Stationen sollen umplatziert werden. So soll «Züri Velo» bis Sommer 2026 erweitert werden, wie die Stadt Ende Mai mitteilte.

Ein unsinniges Vorgehen findet Stephan Iten. «Der Veloverleih ist defizitär», so der Zürcher SVP-Gemeinderat. Es mache keinen Sinn, ihn auszubauen. Die Autofahrten durch die Stadt würden nicht abnehmen, nur weil die Anzahl Züri Velos zunehme, so Iten. «Das heisst, der Platz fehlt dann einfach», warnt er vor den Folgen für den motorisierten Individualverkehr, kurz MIV.

«Wenn wir davon ausgehen, dass pro Station zehn Velos parkiert werden und diese mindestens eine Fläche von zwei Parkplätzen benötigen, dann werden bis 2026 in Zürich 500 Parkfelder verschwinden», rechnet der SVP-Politiker. Das sehe auf den ersten Blick auf dem ganzen Stadtgebiet nicht nach viel aus. «Doch zusammen mit dem Parkplatzschwund aufgrund der Velorouten und der Stadtklima-Begrünungen fällt dieser Abbau stark ins Gewicht.»

«Noch im Bewilligungsverfahren»

Ab Mai 2025 bis Sommer 2026 ist in der Stadt Zürich fast eine Verdoppelung der Velos auf 2500 Stück geplant, zwei Drittel davon mit einem Elektroantrieb. Die Anzahl Stationen steigt von 150 auf 250 an.

Bereits sind die vier Nachbargemeinden Wallisellen, Opfikon, Dübendorf und Kloten auch Teil des Netzes. Neu kommen Regensdorf, Dietikon und Urdorf dazu. Bis Ende Sommer in einem Jahr sollen sie 50 Veloausleihstationen erhalten.

Wo die Stationen geplant sind, gibt die Stadt nicht bekannt. «Ein Grossteil der neuen Standorte ist noch im Bewilligungsverfahren, weshalb wir noch keine konkreten Stationen nennen können», erklärt Helen Berg, Projektleiterin Kommunikation der Stadt Zürich.

Ziel: eine klimaneutrale Stadt

Gemeinderätin Sibylle Kauer von den Grünen begrüsst den Ausbau des Veloverleihs. «Ein zu grosser Anteil des öffentlichen Strassenraums in der Stadt Zürich ist aus Sicht der Grünen aktuell den Autos vorbehalten», so Kauer. Dabei brauche es mehr Fläche für Velo, Fussgänger und Fussgängerinnen sowie den öffentlichen Verkehr. «Mehr als 50 Prozent der Haushalte in Zürich haben heute kein Auto. Auch die Klimaziele erfordern ein Umdenken beim Verkehr», fordert die CO-Fraktionspräsidentin Grüne.

«Die Umnutzung von Parkplätzen für «Züri Velo»-Stationen erfolgt punktuell», sagt die zuständige Stadträtin Simone Brander. So werde die «mehrfach eingeforderte Neuverteilung des öffentlichen Raums zugunsten einer lebenswerteren, klimaneutralen Stadt» gelingen, erklärt die Vorsteherin des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements.

Eine Einengung der Autos sieht die SP-Politikerin keine. «Die Verkehrswege für den MIV stehen weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung», so Brander. Die bisherigen Stationen würden sich überwiegend auf Trottoirs und Plätzen auf Kosten des Fussverkehrs befinden, was zu zahlreichen Konflikten zwischen Fuss- und Veloverkehr führe. «Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, die Verleihstationen auf Parkplätzen des motorisierten Individualverkehrs zu platzieren – dort, wo der Raum am wenigsten effizient genutzt wird», ist sie überzeugt. Die Stadträtin rechnet wie folgt. «Auf zwei Autoparkplätzen finden rund 20 «Züri Velos» Platz. Das bedeutet, dass mehr Menschen den gleichen Platz effizienter nutzen als bisher.»

«Verkehrliche Umerziehung»

Markus Merki von den Grünliberalen und FDP-Gemeinderat Andreas Egli sehen das anders. «Die Einschränkung des MIVs in der Stadt Zürich ist leider durch die linke Mehrheit gewollt», sagt der Zürcher GLP-Gemeinderat Merki. Für die politisch verantwortlichen Stadträtinnen sei PubliBike ein weiteres, willkommenes Mittel, die verkehrliche Umerziehung der Bevölkerung weiter voranzutreiben. Dabei würden die Bedürfnisse von Arbeitstätigen und Privaten, die auf Autos angewiesen seien, vernachlässigt. Auch FDP-Gemeinderat Andreas Egli sieht in der geplanten Standortwahl ein Angriff aufs Auto und beanstandet: «Es stellt sich die Frage: Wie lange den aktuellen Mehrheiten im Stadt- und Gemeinderat den Verleih gut finden werden, wenn er nicht länger zum Abbau von Parkplätzen benutzt werden kann.»

6,3 Millionen Franken Kosten

Die Kosten, die der Veloverleih für die Bürgerinnnen und Bürger bedeutet, sind beachtlich. Sie belaufen sich auf 6,3 Millionen Franken. Hinzukommt ein jährlicher Deckungsbetrag für den laufenden Betrieb durch PubliBike von einer knappen Million.

«Es ist nicht einsehbar, warum die Allgemeinheit ein vermeintlich hippes Modell für eine kleine Minderheit von Studenten und Touristen derart subventionieren muss», stört sich der GLP-Politiker Markus Merki an den Projektauslagen. Auch Andreas Egli befürchtet für die umgrenzenden Quartiere hohe Verluste und kaum Mehrwert. «In den Aussenquartieren werden die Velos weniger genutzt. Will man dort dennoch Stationen anbieten, geht das nur, wenn die Stadt es mit Steuereinnahmen sponsort», kritisiert der FDP-Gemeinderat.

Simone Brander jedoch findet: «Mit dem Ausbau auf 2500 Velos wird das Netz dichter, besser mit den Aussenquartieren verknüpft und zunehmend über die Stadtgrenzen hinaus nutzbar.» Das sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Velowende in Zürich und der Agglomeration.

«Möglichst auf Parkflächen des MIV»

Hintergrund der Diskussion um die Standorte des Verleihs bildet ein Postulat, das 2019 vom Gemeinderat mit 67 gegen 50 Stimmen mit einer Textänderung überwiesen wurde. Der Stadtrat wird darin aufgefordert zu prüfen, wie Stationen des Veloverleihs «Züri Velo» nicht zu Lasten der Sicherheit des Fussverkehrs, sondern möglichst auf Parkflächen des MIV zu erstellen sind.

Deshalb will die Stadt die Verleihe nun «prioritär auf der Fahrbahn und nicht auf dem Trottoir oder öffentlichen Plätzen» errichten, wie sie in ihrer Mitteilung erklärt. «Bestehende Stationen werden ebenfalls auf ihre Verlagerung auf die Fahrbahn geprüft.»

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