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«Verkehrssignale werden nur noch auswendig gelernt»
Wer Strassensignale in der Schweiz lesen kann, ist klar im Vorteil. Denn viele Strassenverkehrsteilnehmende mogeln sich meist durch den Verkehr, ohne zu wissen, was für Signale vor ihnen sind. Ein Problem, das auf falsches Lernen zurückzuführen sei, wie ein Experte erklärt.
Die Mehrheit der Menschen freut sich meist auf ihre Volljährigkeit, weil sie dann die Fahrprüfung ablegen darf. Laut einer Erhebung der Vereinigung der Strassenverkehrsämter ASA bestanden im Jahr 2022 120’662 Personen die theoretische Fahrprüfung für den Führerschein der Kategorie B – 120’896 Personen schafften im letzten Jahr die praktische Fahrprüfung. Das sind pro Monat über 10’000 neulenkende Personen.
Doch bevor man sich ans Lenkrad setzen kann, um das Fahren zu lernen, geht das Pauken der Verkehrsregeln nach dem Schweizer Strassenverkehrsgesetz los. Besonders die Verkehrssignale sind dabei eine grosse Herausforderung. So werden in der Schweizer Signalisationsverordnung mehrere Hundert verschiedene und aktive Signale aufgelistet. Die einen sieht man öfter, andere nur in gewissen Regionen. Kein Wunder also, dass die Bedeutung der meisten Strassenschilder nicht lange im Gedächtnis hängen bleibt.
Nicht nachhaltiges Lernen
Der Präsident des Schweizer Fahrlehrerverbands L-drive, Michael Gehrken, erklärt auf Anfrage von STREETLIFE, die Menschen würden sich die Verkehrssignale falsch einprägen: «Das Erlernen der Theorie ist heute leider ein reines Auswendiglernen. Dieses ‹Lernen› ist somit alles andere als nachhaltig. Und sofern ein Signal nicht in dieser Prüfung vorkommt, wird dieses auch nicht gekannt.»
Auch den Faktor Zeit sieht Gehrken als Problem. «Bei vielen Autofahrerinnen und -fahrer ist die Theorie sehr lange her und was man nicht regelmässig macht, sieht oder benützt, vergisst man eben.» Das Ergebnis: Man mogle sich durch den Strassenverkehr. Das Lesen der Signale: reine Glückssache. «Da die Signale eigentlich selbsterklärend sind oder sein sollten, werden diese mehrheitlich richtig interpretiert. Die genaue Bedeutung ist aber nicht immer bekannt», so Gehrken weiter.
Als Beispiel nennt er das Signal «Verbot für Motorwagen». Dabei ist die Durchfahrt mit dem Auto zwar verboten, aber Motorrädern dürfen durchfahren. Beim Signal «Überholen verboten» wiederum dürfen einspurige Fahrzeuge, also auch Motorräder, überholt werden, sofern keine Sicherheitslinie markiert ist. Eher als unbekannt gelten in der Schweiz die beiden Signal «Freie Fahrt» (Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung wie in Deutschland) und «Ausstellplatz» (Plätze, auf die langsame Fahrzeuge ausweichen müssen, um schnelleren Fahrzeugen das Überholen zu erleichtern).
Vertiefung der Theorie wird gefordert
Die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer drängen deshalb seit langem, die Grundlagentheorien eingehender zu schulen und zu prüfen. «Sie bildet die Basis für das ganze Mobilitätsleben», meint L-drive-Präsident Gehrken.
Doch die Verkehrsschulungen entwickle sich in die entgegengesetzte Richtung. «So will das Bundesamt für Strassen (Astra) in den kommenden Monaten eine grosse Anzahl von neuen Lerninhalten für den Verkehrskundeunterricht einführen. Gleichzeitig ist das Astra aber strikt gegen die Erhöhung der Anzahl Stunden für den VKU. Die Folge: Immer mehr Inhalte sollen in immer kürzerer Zeit vermittelt werden.»
Deshalb liege das Aufarbeiten der Wissens- oder Gedächtnislücken in der Eigenverantwortung jedes Einzelnen. «Diejenigen, die viel unterwegs sind, haben wahrscheinlich viel weniger Probleme mit Verkehrssignalen als diejenigen, die nur selten im Strassenverkehr unterwegs sind. Mit einer regelmässigen Auffrischung der Theorie, vor allem, wenn wieder Verkehrsregeln ändern, könnte eine Verbesserung erzielt werden.»
Der Weg zum Führerschein
Bereits mit 17 Jahren darf sich ein Jugendlicher für die theoretische Fahrprüfung anmelden. Um diese ablegen zu können, muss die angehende Autolenkerin oder der angehende Autolenker zuvor einen Nothelferkurs besucht haben und einen Sehtest vorlegen, der nicht älter als 24 Monate ist.
Sind alle Voraussetzungen erfüllt, darf man an die Theorieprüfung. Ist diese bestanden, erhält man einen Lernfahrausweis, mit dem in Begleitung eines Fahrlehrers oder eines Erwachsenen, der mindestens 23 Jahre alt ist und seit mindestens drei Jahren den Führerausweis hat, Auto gefahren werden darf. Dieser Lernfahrausweis ist 24 Monate gültig. In dieser Zeit muss auch der Verkehrskundeunterricht absolviert werden, ehe man für die Fahrprüfung zugelassen wird.
Die praktische Fahrprüfung darf dann ab dem 18. Geburtstag abgelegt werden. Bei bestandener Prüfung erhält die Junglenkenden für drei Jahre einen provisorischen Führerausweis, der automatisch mit einem unbefristeten Ausweis vom Strassenverkehrsamt des Wohnkantons ausgetauscht wird, sobald die Probezeit abgelaufen ist. In diesen drei Jahren muss eine Weiterbildung absolviert werden. Der sogenannte WAB-Kurs (Zweiphasen-Kurs) dauert seit dem 1. Januar 2020 nur noch einen Tag und muss innerhalb von zwölf Monaten nach der bestandenen Führerprüfung absolviert werden.
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