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Trauen sich Schweizerinnen und Schweizer diese Saison auf ihren Töff?
Der Frühling ist da, Schweizer Motorrad-Fans freuen sich auf die neue Zweirad-Saison. Bloss: Trauen sie sich in Zeiten des neuen Lärmgesetztes und der CO2-Diskussion überhaupt noch auf die Strassen? STREETLIFE hat sich mit Experten über den Mythos Töff-Scham unterhalten.
Die Temperaturen steigen, die Sonne lacht. Für viele Motorradfahrerinnen und -fahrer die perfekten Bedingungen für die neue Saison. Nur: Mit dem neuen Lärmgesetz, den jüngsten politischen Abstimmungen im Hinterkopf und der allgegenwärtigen Diskussion um CO2-Emissionen ist die Lust am Töff nicht wenigen vergangen.
«In gewissen Kreisen wirst du mit dem Töff schief angeschaut, vor allem in der Stadt. Ich traue mich mit meinem Motorrad fast nicht mehr nach Zürich», beschreibt eine Fahrerin (Name der Red. bekannt) die aktuelle Stimmung. Stimmt das? Gibt es in der Schweiz so etwas wie eine Töff-Scham? Wir sind der Frage nachgegangen.
Vorfreude trotz kritischem Umfeld
Walter Wobmann, alt Nationalrat und leidenschaftlicher Motorradfahrer, kennt das. Doch Töff-Scham ist für ihn vor allem ein Medienphänomen. «Das Thema wird hochgespielt», wiegelt er gegenüber STREETLIFE ab. Er selbst jedenfalls lässt sich von Miesepetern die Stimmung nicht kaputt machen. «Die Vorfreude auf die neue Saison ist riesig», so der SVP-Politiker. Allerding ist sich auch Wobmann der Herausforderungen bewusst, die das Motorradfahren derzeit mit sich bringt. Die Stimmung gegenüber Auto- und Töfffahrern habe sich besonders in den Städten verschärft. «Die Leute werden empfindlicher, das ist so», stellt er fest. «Es herrscht generell eine grössere Sensibilität gegenüber Lärm und Emissionen.» Trotzdem bleibt er gelassen und betont: «Töfffahren ist eine Freude, und ein bisschen Freude sollte man sich bewahren.»
Ausserdem arbeite der Schweizer Töffverband daran, den Lärmpegel der Maschinen im Rahmen zu halten. «Wir rufen unsere Mitglieder regelmässig dazu auf, sich an die Vorschriften zu halten, rücksichtsvoll zu fahren und keine illegalen Modifikationen vorzunehmen», so der Präsident von Swiss Moto.
Neues Lärmgesetzt – alles halb so wild?
Tatsächlich sorgt das neue Lärmgesetz für Verunsicherung. Seit Januar ist unnötiger Lärm aus Auspuffanlagen explizit verboten. Laut dem Bundesamt für Strassen ASTRA drohen Bussen von bis zu 10'000 Franken, technische Manipulationen bleiben verboten. Lassen Töff-Fans deswegen ihre Maschinen öfter zuhause stehen? «Es ist klar, dass ein paar wenige schwarze Schafe auffallen. Doch die grosse Mehrheit ist mit Motorrädern unterwegs, die nicht zu laut und legal sind. Die haben auch nichts zu befürchten», sagt René Klauser, Managing Director von Kawasaki Schweiz. Auch Emissionen seien für Motorradhersteller ein Thema; seit Januar gilt die Euro5+-Norm. Klauser: «Diverse Marken haben EV-Modelle oder im Fall von Kawasaki sogar Hybrid-Modelle im Angebot.» Er gibt aber zu: «Die finden noch nicht die erhoffte Akzeptanz».
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Ein Töff soll nach Motor und PS klingen. Doch müssen Motorradfahrer jetzt Angst haben, dass sie für diesen Spass gebüsst werden? Auch hier zeigt sich Walter Wobmann entspannt: Die neuen Normen würden ohnehin dafür sorgen, dass Töffs leiser werden, so der Politiker. Er warnt vor übertriebenen Massnahmen: «Ich bin gegen einen Verbotswahn, wie er manchmal aufkommt.» Auch sogenannte Lärmblitzer stellt er infrage: «Das ist technisch noch nicht ausgereift und rechtlich kaum umsetzbar.» Wobmann betont, dass eine Pauschalisierung der Biker-Community nicht gerechtfertigt sei: «Die grosse Mehrheit fährt rücksichtsvoll».
Unterschiede zwischen Stadt und Land
Doch wie sieht es mit der Akzeptanz des Motorradfahrens in der Schweiz insgesamt aus? In den wilden 70er und 80er Jahren seien Töfffahrer oft mit dem Bild des Rockers in Verbindung gebracht worden. Dieses Bild sei längst überholt, sagt Markus Lehner, Mediensprecher des nationalen Motorrad-Importeursverbandes moto-suisse. Heutzutage seien beim Motorradvolk Menschen aus allen Gesellschaftsschichten vertreten. Lehner: «Früher hat man uns mit Mistgabeln angegriffen», sagt er halb im Scherz. «Heute ist das natürlich kein Thema mehr. Aber gewisse Vorurteile sind geblieben.» Von einer Töff-Scham will der Profi (seit einem halben Jahrhundert auf zwei Rädern unterwegs) nichts wissen. Aber auch er stellt fest, dass Kreise mit einer kritischen Haltung gegenüber Töffs in Städten wie Zürich eine Realität sind: «Da existiert tatsächlich ein Unterschied zwischen Stadt und Land».
Generell jedoch zeichnen die Experten ein positives Bild. «Nicht nur Händler berichten über interessierte Kunden – auch auf den Strassen sieht man bereits viele Töfffahrer. Die Stimmung ist sehr positiv», sagt René Klauser. Markus Lehner betont, dass die Szene immer vielfältiger werde. Besonders auffällig ist der steigende Anteil an Frauen. «Über 20 Prozent der neuen Motorräder werden heute von Frauen gekauft», sagt er. Ein oft übersehener, aber bedeutender Punkt sei zudem der wirtschaftliche Aspekt des Motorradfahrens. Besonders in ländlichen und bergigen Gebieten stellen Motorradfahrer eine lukrative Zielgruppe für Hotels, Restaurants und Werkstätten dar. «Die allermeisten Töff-Fahrer sind anständig und bringen Umsatz», sagt Lehner. «Das ist bestimmt nichts, wofür sich irgendjemand schämen müsste».

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